Lenninger Tal

Er ist mehr als nur ein Busfahrer

Reisegeschichten Diebe in Padua und eine Fahrt ins Thermalbad: Winfried Sigwarth aus Brucken hat über seine Erlebnisse als Busfahrer ein Buch geschrieben. Von Linda Kircheis

Winfried Sigwarth - von seinen Reisegästen liebevoll Winni genannt - präsentiert sein Meisterwerk mit Stolz.Foto: Jean-Luc Jacqu
Winfried Sigwarth - von seinen Reisegästen liebevoll Winni genannt - präsentiert sein Meisterwerk mit Stolz.Foto: Jean-Luc Jacques

Padua, Italien: Eine Reisegruppe deutscher Senioren ist mit Busfahrer Winni auf dem Parkplatz angekommen. Da Winni die Stadt mit seinen Dieben und ihren Tricks schon gut kennt, warnt er die Reisegäste vor ihnen. Sie wollen davon nun wirklich nichts mehr hören, hat Winni ihnen doch alles schon fünfmal erzählt. Nachdem er selbst einen Kaffee trinken war, kommt ein älteres Ehepaar seiner Busgruppe ganz aufgelöst auf ihn zu: „Uns haben sie 200 Euro geklaut, vier 50-Euro-Scheine fehlen.“ Winni fragt: „Und, wie haben sie es angestellt? Den Ansichtskartentrick, oder?“ Das Ehepaar ist erstaunt, denn genau das ist passiert. „Ja, gut, wenn ihr wollt, können wir die Polizei rufen“, sagt Winni. „Aber die werden auch nicht viel machen können.“

Also keine Polizei, dafür geht es im Bus weiter zur nächsten Stadt. Gerade als das lange Gefährt losfahren will, ruft das Seniorenpaar ganz aufgeregt: „Halt den Bus an, da vorne ist der Dieb, das ist er!“ Winni parkt den Bus. Kaum öffnet er die Tür, stürmen sechs mörderische Senioren auf den Gauner zu. Einer hält ihn am Körper, der andere am Hals, und gemeinsam zwingen sie ihn auf den Boden, entwenden seine Brieftasche, und siehe da - vier orange-braune Geldnoten blitzen ihnen entgegen. Die Senioren kommen zurück, steigen in den Bus und sagen zu einem völlig verblüfften Winni: „Alles gut, kannst weiterfahren.“

25 Jahre lang war Winni, also Winfried Sigwarth, der nun seit zwei Jahren in Brucken wohnt, als Busfahrer tätig. Mehr als vier Millionen Buskilometer ist er dabei gefahren und hat über eine Million Fahrgäste befördert.

Nach einer Ausbildung bei der Polizei, einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und den zwei Jahren als Lastwagenfahrer erfüllte er sich endlich seinen Kindheitswunsch, Busfahrer zu werden. Sehr zum Stolze seines Vaters hielt er dann 1986 den benötigten Führerschein in den Händen.

„Die erste Halbtagsfahrt mit Rentnern in ein Thermalbad war eine totale Katastrophe“, sagt der gebürtige Schwarzwälder. „Ich habe erst mal eine Dreiviertelstunde gebraucht, bis ich mich getraut habe, in das Mikrofon zu sprechen.“ Nach einem Stellenwechsel vom Linienverkehr zu einem Reisebüro und einigen Übungsstunden mit seinem Chef war Winfried Sigwarth so stolz auf seine Mikrofon-Künste, dass er die ganze Fahrt Fakten über den Schwarzwald erzählte. Als die Reisegruppe an der Endstation ankam, gab ihm einer der Gäste zehn D-Mark „Trinkgeld“. Als Winni darauf fragte, ob es so gut gewesen sei, meinte der Rentner: „Das ist kein Trinkgeld, sondern Geld, um einen Reiseführer zu kaufen. So einen Stuss hat mir noch niemand erzählt.“

Diese und weitere Geschichten findet man in Sigwarths Buch „Schau m’r mol, was do draus wird“. Nachdem Winni, wie er von seinen Fahrgästen genannt wurde, auf seinen Busreisen immer lustige Erlebnisse erzählt hat, kamen einige davon zu ihm und sagten, dass er doch ein Buch darüber schreiben solle. Gesagt, getan: Seit zwei Jahren ist der ehemalige Busfahrer in seinem Beruf nicht mehr tätig und hat das Buch diesen Sommer herausgebracht. Auf den Titel „Schau m’r mol, was do draus wird“ kam er, da seine Abschlussrede für Reisegruppen immer startete mit: „Als Sie heute Morgen an der Bushaltestelle standen, weder den Busfahrer noch das Reiseziel kannten, haben Sie sich sicherlich gedacht: Schau m’r mol, was do draus wird.“ Er hofft, dass sich manche durch den Titel an ihn und seine Fahrten erinnern.