Lenninger Tal

Experte rät zur Vorsicht bei Krediten

Männerstammtisch Hans-Peter Burghof hat in Oberlenningen über Finanzpolitik gesprochen.

Rät zum Engagement in Parteien oder Institutionen: Professor Dr. Hans-Peter Burghof
Rät zum Engagement in Parteien oder Institutionen: Professor Dr. Hans-Peter Burghof. Foto: Gabriele Böhm

Lenningen. Ein Satz von Professor Dr. Hans-Peter Burghof stand am Ende des Abends über allem: „Ich weiß nicht, wie lange die Niedrigzinspolitik noch anhalten wird.“ Der Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, Geschäftsführer der Stiftung Kreditwirtschaft und Experte bei finanzpolitischen Themen, hat beim 42. Männerstammtisch in Oberlenningen zum Thema „Die Stabilität in Europa - zwischen Banken und Politik“ referiert. Rund 100 Zuhörer waren in das Julius-von-Jan-Gemeindehaus gekommen. Immer wieder trat Burghof in den Dialog mit den Zuhörern, denn: „Ein Rheinländer ist gesellig und hält nicht gerne Monologe.“

Teamleiter Werner Schulmeyer begrüßte die Gäste zum letzten Treffen in diesem Jahr. Vier- bis fünfmal im Jahr kommt der rührige Männerstammtisch, auf dessen Programm ebenfalls Ausflüge und Kochkurse stehen, zusammen. Beim beliebten Treff waren auch Teilnehmer aus Schopfloch, Neuffen und Owen zu Gast. In Zusammenarbeit mit den Schulen entstehen Seifenkisten, obendrein wurde ein Reparaturdienst, der Senioren bei kleineren Problemen im Haushalt hilft, ins Leben gerufen.

Zu Beginn ging Professor Burghof auf den Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ein. „Wir wissen es noch nicht, ob der scheidende Präsident Mario Draghi seine Hauptaufgabe, den Euro zu verteidigen, gut erfüllt hat“, so der Experte. Bedenken habe er bei seiner Nachfolgerin Christine Lagarde, denn sie sei Arbeitsrechtlerin und keine studierte Ökonomin. „Eine solche wissenschaftlich fundierte Kompetenz ist für den Posten aber meiner Meinung nach erforderlich.“

Bisher sei man auch in besten Zeiten der Konjunktur nicht aus der Niedrigzinspolitik herausgekommen. „Wer Vorsorge für sich selbst betreibt und spart, wird damit regelrecht bestraft. Das ist nicht von Vorteil für eine Gesellschaft“, sagte Burghof. Der Niedrigzins sei ein „Spiel mit dem Feuer“ mit verheerenden Folgen für das Finanzsystem.

Natürlich verleite der Niedrigzins dazu, einen Kredit aufzunehmen. „Doch es profitiert nur der, der bereits einen Kredit hat und ihn jetzt neu verhandeln kann.“ Denn neue Kreditnehmer müssten auch mit höheren Preisen, beispielsweise im Immobiliensektor, rechnen. „Was sie am Zins gewinnen, verlieren sie am Preis“, mahnte der Experte. Man dürfe den Gesamtzusammenhang nicht aus dem Blick verlieren.

Ein stabiles Bankensystem in Europa müsse aus Banken mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen aufgebaut sein: kleine, große, kapitalmarktorientierte und genossenschaftliche. Der sogenannte Stresstest, der seit 2009 in der EU regelmäßig bei Kreditinstituten, Fonds- oder Versicherungsgesellschaften durchgeführt werde, sei kein wirksames Instrument. „Es wird ein Krisenszenario aufgebaut, um festzustellen, welche Auswirkungen es auf die Kapitalsituation von Finanzdienstleistern hat.“ Doch die Tests seien beeinflussbar und könnten darüber hinaus auch kein wirklichkeitsgetreues Bild liefern, insofern seien sie nicht mehr als ein Instrument zur Beruhigung der Kunden.

Damit man politisch etwas bewegen könne, empfahl Burghof, sich in Parteien und Institutionen zu engagieren. Gabriele Böhm