Lenninger Tal

„Familie Feuerstein“ fegt über die Alb

Tiere Jürgen Wagner hält in Schopfloch drei Nandus. Die südamerikanischen Laufvögel werden oft mit Straußen verwechselt. Sie können bis zu 60 Stundenkilometer schnell rennen. Von Anke Kirsammer

Ein weißes Federkleid wie das von Wilma ist unter Nandus äußerst selten. Gewöhnlich haben die Laufvögel ein graues Gefieder. In
Ein weißes Federkleid wie das von Wilma ist unter Nandus äußerst selten. Gewöhnlich haben die Laufvögel ein graues Gefieder. In Kolonialzeiten wurden die Federn häufig für Staubwedel genutzt. Foto: Carsten Riedl

Immer wieder hebt Fred seine Flügel und spreizt seine Federn. „Du zeigst dich toll“, sagt Jürgen Wagner voller Bewunderung und streift dem Nandu durch das weiche Gefieder. Seit rund einem Jahr zieht der 51-Jährige, der mit einem Freund bereits sieben Alpakas hält, in Schopfloch Nandus groß. „Ich wollte Tiere, die die gleiche Sprache sprechen“, meint er augenzwinkernd und spielt darauf an, dass die Laufvögel wie die wollenen Vierbeiner aus Südamerika stammen. „Nein, der Grund ist schlicht, dass die Tiere sich gut vertragen und gemeinsam gehalten werden können.“ Doch noch sind Wilma, Fred und Betty - Jürgen Wagners „Familie Feuerstein“ - für sich auf einer Wiese unter Apfel- und Birnbäumen am Rand der Bebauung beheimatet. „Die Stelle hier ist perfekt, da zieht der Wind rein und hinterlüftet das Federkleid“, sagt er. Auch die Ruhe ist wohltuend für die Laufvögel, die von Passanten oft mit Straußen verwechselt werden. Ein vorbeikommendes Fahrzeug reicht, um die sensiblen Tiere in die Flucht zu schlagen. Mit bis zu 60 Stundenkilometern fegen sie dann auf ihrer schon kahlen Rennstrecke am Zaun entlang hintereinander her.

Besucher, die sich vorsichtig nähern, werden aus großen freundlichen Augen angeschaut und müssen sich auch vor der messerscharfen mittleren Kralle nicht fürchten. Damit wehren sich die Riesen-Vögel in ihrer Heimat gegen natürliche Feinde wie Pumas oder Jaguare. Wenn sie nicht gerade fressen, bestreuen sie ihr Gefieder mithilfe des Schnabels mit Sand und putzen sich, damit die Milben nicht überhandnehmen. „Manchmal sitze ich stundenlang da und schaue ihnen zu“, sagt der Tierliebhaber fasziniert. Mitunter legen sich die Vögel nach wenigen Minuten, in denen der Nandu-Flüs­terer beruhigend auf sie einredet, zum Schlafen ab und betten ihren Kopf dazu gemütlich im Gefieder.

Offenbar sind die Tiere extrem anpassungsfähig. „Im Winter sieht man drei ovale Hügel im Schnee“, erzählt Jürgen Wagner. Dass sich die 15 Monate alten Nandus auf der Alb pudelwohl fühlen, liest er auch daran ab, dass er im Juli das erste, allerdings unbefruchtete, Ei auf der Wiese gefunden hat. „Erst dachte ich, jemand hätte eine Honigmelone ins Gehege geworfen“, sagt er und präsentiert stolz das zartgelbe große Exemplar. Bis zur Geschlechtsreife der Vögel dauert es noch knapp zwei Jahre. „Die Nandus sind ganz unbeholfen um das Ei herumgelaufen“, so der Tierhalter schmunzelnd. Er selbst habe dagegen richtige Vatergefühle entwickelt. Mittlerweile ist die Ausbeute bereits auf zehn Eier angewachsen. Bei Jürgen Wagner und seinen Freunden kommen deshalb inzwischen immer häufiger üppige Omelettes auf den Tisch.

Das Ausbrüten und die Aufzucht von Wilma, Betty und Fred überließ der Hobbylandwirt indes einem Experten. Ohne Erfahrung sei man zum Scheitern verurteilt, denn jeder wolle, dass die Kleinen gesund und propper seien. „Dann wächst aber der Rumpf zu schnell und sie werden zu Bodensitzern, weil sie nicht die nötige Beinmuskulatur ausbilden“, erklärt er. Die Kleinen müssten regelrecht „hochgehungert“ werden. „Ich packe es nicht, so hart zu sein. Der Züchter hat es aber genau richtig gemacht.“ Glück hatte der aus dem Unterallgäu stammende Wahl-Schopflocher, dass er mit Wilma eine Nandu-Dame mit weißem Federkleid bekommen hat, denn nur rund jedes zehnte Tier ist weiß. Mit Albinismus habe die Farbe nichts zu tun.

Der Hahn und die zwei Hennen könnten die Keimzelle einer Nandu-Herde werden, die auf Wiesen rund um Schopfloch und Krebsstein ein Zuhause bekäme. Wie Straußenfleisch, so lässt sich auch das Fleisch von Nandus essen.

Großen Wert legt Wagner auf ein gutes Verhältnis zur Nachbarschaft. Und so bekommen Wilma, Betty und Fred neben Salatblättern, die sie mit einem Happs verschlucken, regelmäßig auch überschwengliche Zuwendung von den beiden Nachbarinnen Irene Allgaier und Edeltraud Schmid.

Stolz präsentiert Jürgen Wagner das erste Ei, das eine der beiden Hennen in dem Gehege gelegt hat. Foto: Carsten Riedl
Stolz präsentiert Jürgen Wagner das erste Ei, das eine der beiden Hennen in dem Gehege gelegt hat. Foto: Carsten Riedl