Lenninger Tal

Gassi gehen mit Anstandsregeln

Vierbeiner, die Wildtieren nachstellen, dürfen Jäger nicht einfach erschießen

Im baden-württembergischen Forst herrscht kein strikter Leinenzwang für Hunde. Das bedeutet aber nicht, dass des Menschen bester Freund tun und lassen kann, was er will. Auch im Wohnzimmer von Reh und Co. gelten für Vierbeiner Anstandsregeln. Gerade Halter, die es mit der Hundeerziehung nicht so genau nehmen, sollten sich das bewusst machen.

Gassi gehen mit Anstandsregeln
Gassi gehen mit Anstandsregeln

Owen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Jäger Hunde, die Reh, Fuchs, Wildschwein und Co. durch den Wald hetzten, nach eigenem Ermessen erschießen konnten. Dafür sorgt das neue Jagd- und Wildtiermanagementgesetz. Zunächst muss der Halter ausfindig gemacht, ein Aufklärungsgespräch mit ihm geführt und der Hund eingefangen werden, wie Dr. Cornelie Jäger berichtet. Ein Abschuss ist der Landestierschutzbeauftragten zufolge nur in absoluten Ausnahmenfällen möglich. Doch damit seien Hundehalter noch lange nicht von ihrer Verantwortung für das Treiben ihres Vierbeiners und dem Gebot, sich im Wald rücksichtsvoll zu bewegen, befreit.

„Stellt sich trotz Gespräch keine Besserung ein, kann der Halter verpflichtet werden, seinem Hund einen Maulkorb anzulegen und ihn ausschließlich an der Leine zu führen“, so Jäger. „Ohne, dass das Tier einer Kampfhunderasse angehört, wird es aufgrund seines Verhaltens als gefährlich eingestuft, und damit sind nicht nur Auflagen, sondern oft die Einordnung in eine höhere Hundesteuerklasse verbunden.“ Kommt es trotzdem zu erneuten Zwischenfällen, kann dem Halter in einem weiteren Schritt sein Tier entzogen und im Tierheim untergebracht werden, wo es an einen neuen Halter vermittelt wird, der sich um eine entsprechende Erziehung bemüht“, wie Cornelie Jäger ausführt. „Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass ein Fehlverhalten bei Hunden in aller Regel auf den Halter zurückzuführen ist und nicht auf das Tier.“

German Kälberer, stellvertretender Kreisjägermeister aus Owen, legt einige Bilder von Wildtieren auf den Tisch, denen jagende Hunde große Fleischstücke aus der Keule gerissen haben. „Bei solchen Vorkommnissen sollten die Halter auch an Wochenenden und Feiertagen sofort die Jagdausübungsberechtigten verständigen, damit verletzte Tiere von einem Jäger schnell erlöst werden“, so Kälberer. Im Zweifel können die Polizei oder der Förster bei der Suche des Zuständigen weiterhelfen. Angst vor Kosten, die der Jagdpächter durchaus verlangen kann, sei hier im Sinne des Tierschutzes fehl am Platz. In Baden-Württembergs Wäldern herrscht kein strikter Leinenzwang. „Entscheidend ist, dass Halter ihren Hund nur dann frei laufen lassen dürfen, wenn sie ihn sicher unter Kontrolle haben“, erklärt German Kälberer. Eine gute Erziehung sei deshalb das A und O und der Besuch einer Hundeschule, auch für kleine Hunde, absolut ratsam.

Gehorsam sei wichtig, denn ein Hund, der ungehindert seinem Jagdtrieb nachgehe, könne nicht nur Wildtiere gefährden, sondern auch sich selbst. „Der Jäger kann sehr schnell zum Gejagten werden“, sagt German Kälberer. „Gerade Wildschweine sind äußerst wehrhaft, und ein Dachs, der in seinem Bau bedrängt wird, ist ein ernst zu nehmender Gegner.“ Wer seinen Vierbeiner im Fall der Fälle nicht sofort zur Räson rufen kann und von ihm sprichwörtlich im Wald stehen gelassen wird, sollte ihn daher laut Kälberer beim Spaziergang im Forst zu dessen eigenem Schutz lieber an die Leine nehmen.

In Notzeiten kann die untere Jagdbehörde laut Cornelie Jäger für eine begrenzte Zeit auch eine Wege- und Leinenpflicht ausrufen. Das könne beispielsweise im Winter der Fall sein. „Gerade bei Rehen vermindert sich in der kalten Jahreszeit die Stoffwechselaktivität“, erklärt die Veterinärin. „Wenn die Tiere dann von Hunden oder Menschen aufgeschreckt werden, erhöht sich ihr Energiebedarf, den sie mit Nahrung abdecken müssen, die in Notzeiten aber nicht ausreichend zur Verfügung steht.“ Daher sei zum Schutz der Wildtiere die Möglichkeit einer temporären Wege- und Leinenpflicht geschaffen worden, um zu verhindern, dass sich Mensch und Hund abseits der Waldwege aufhalten. Das gilt laut German Kälberer auf Wald und Flur auch in der Brut- und Setzzeit.

Darüber hinaus rät der stellvertretende Kreisjägermeister davon ab, einen Vierbeiner nach Aussehen anzuschaffen. „Entscheidend ist, dass die Eigenschaften einer Hunderasse zu den Bedürfnissen des Halters passen, und umgekehrt“, so Kälberer. Die Anschaffung will also gut überlegt sein. Das betont auch Cornelie Jäger mit Blick auf die Weihnachtszeit. „Ein Haustier bringt Verantwortung mit sich, und gerade Hunde verlangen Erziehungsarbeit und Auslauf“, sagt Jäger, die deshalb von Spontankäufen dringend abrät.

German Kälberer, der selbst drei Hunde besitzt, weiß, dass eine gute Erziehung von Vierbeinern nicht nur im Wald von Vorteil ist
German Kälberer, der selbst drei Hunde besitzt, weiß, dass eine gute Erziehung von Vierbeinern nicht nur im Wald von Vorteil ist. Damit Spaziergänge Spaß machen, sollten auch im Forst einige Anstandsregeln beachtet werden.Fotos: Daniela Haußmann
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