Ab einem gewissen Alter fällt es immer schwerer, von der Matte aufzustehen, wenn man einmal hingefallen ist. Sich rechtzeitig Ziele zu setzen, ist dann umso wichtiger. Insofern hatte der Vortrag des 32-jährigen Weltklasseringers Frank Stäbler für die rund 50 Mitglieder des Männerstammtisches im Verein „Unser Netz Lenningen“ einen direkten Bezug, auch wenn sie keine Sportlerkarriere mehr anstreben. Der Referent des Abends zollt dann der „geballten Erfahrung“ im Saal der BKK Scheufelen auch seinen Respekt.
Was der dreifache Weltmeister und Bronzemedaillengewinner von Tokio in seinem einstündigen Vortrag erzählt, sprengt für viele jegliche Vorstellungskraft. Stäbler wurde Weltmeister in drei verschiedenen Gewichtsklassen, trat bei Olympia 2016 gegen ärztlichen Rat mit einem Syndesmosebandanriss im Sprunggelenk an, wurde Siebter und startete in die Vorbereitung auf Olympia 2021 mit einer schmerzhaften Eckgelenksprengung in der linken Schulter. Nicht nur das: Er erkrankte an Corona, konnte bei Belastung nicht mehr atmen. Ein Atemcoach half ihm heraus: „Mit ihm habe ich Meditieren gelernt“, sagt Stäbler. Seine Vorbereitung musste er nach Streitigkeiten mit dem Verband zudem in einen umgebauten Hühnerstall auf dem heimischen Bauernhof in Musberg verlegen. „Es war so einfach, aufzugeben, gute Ausreden waren da“, erzählt er. Doch „das Versprechen“, das er sich gegeben hat, und eine Regel seines Trainers halfen ihm aus dem Motivationsloch: „Das Leben testet dich nur, wie sehr du etwas wirklich willst.“
Der Höhepunkt des Hindernisparcours auf dem Weg zur Olympiamedaille: Der Weltverband strich „seine“ Gewichtsklasse 72 Kilogramm. Stäbler musste von seinem Standardgewicht statt vier nun neun Kilogramm abnehmen, um 67 Kilo zu erreichen. „Wenn ich so viel Gewicht verliere, konnte ich dann noch fünf Kämpfe bestreiten?“ Er schaffte es mit einem ausgeklügelten Trainings- und Ernährungsprogramm. Zwar verlor er in Tokio das Halbfinale knapp gegen den Iraner Reza Geraei. Doch den Kampf um Bronze gewann er und hielt Versprechen sich selbst gegenüber: die Olympiamedaille zu gewinnen.
Wie er das trotz aller Nackenschläge geschafft hat? „Ziele und Träume beschützen“, lautet eine wichtige Regel für ihn, eine Blase bilden gegen äußere Umstände. So hatte er schon seine Karriere als Profi begonnen: Sein Zettel mit dem Satz „Ich werde Weltmeister, koste es, was es wolle“ hat sechs Jahre auf seinem Nachttisch gelegen, bis er wahr geworden ist.
Und wenn ich es mal nicht bin, tue ich wenigstens so."
Die Halbwertzeit der Bekanntheit nach einem Titelgewinn im Ringen liege bei etwa zwei Tagen, sagt er. Warum ist er trotzdem diesen Weg gegangen? Sein Vorbild ist Muhammad Ali. „Der hat gesagt: Wenn du einmal Weltmeister warst, kannst du jeden Tag deines Lebens mit eine Lächeln im Gesicht aufstehen“, sagt er. So macht es Frank Stäbler bis heute. „Wäre es nicht Ringen gewesen, hätte ich etwas anderes so intensiv betrieben“, sagt er.
Der zweifache Familienvater beendet in Kürze seine Karriere und befindet sich noch in einer Findungsphase. Vorteil: Jetzt kann er auch ohne schlechtes Gewissen den Kuchen seiner Oma genießen, deren Backkünste ihn während der Trainingsphasen immer sehr genervt haben, weil die Familie schlemmen durfte, während er Trockenobst aß. „Meine Oma hat dann gesagt: Du musst stark genug sein, auch das durchzuhalten.“
In vier Wochen tritt er letztmalig auf der „Last-Fight-Gala“ in der Ludwigsburger MHP-Arena an, die er selbst organisiert. Sein Gegner heißt dann noch einmal Reza Geraei. Ob er diesem Kampf gelassen entgegensehe, schließlich hat er schon alle Ziele erreicht, fragt Moderator Jens Zimmermann, der auch sein Manager ist. Frank Stäbler lacht: „Ich hatte kürzlich einen Trainingskampf mit einem Nachwuchsringer. Der hat mich auf die Matte gelegt und sich dann riesig gefreut. Ich hab mich kurz mit ihm gefreut und ihn dann zehn Mal gelegt. Verlieren geht immer noch nicht.“