Lenninger Tal

Greifvogel gefunden, was tun?

Natur Auch Raubvögel können in Not geraten. Wer kranke oder verletzte Tiere entdeckt, sollte sich unbedingt an einen Experten wenden. Von Daniela Haußmann

Dank nachhaltiger Artenschutzprogramme kann man den Uhu heute auch wieder auf der Alb beobachten. Die Tiere können bis zu 60 Jah
Dank nachhaltiger Artenschutzprogramme kann man den Uhu heute auch wieder auf der Alb beobachten. Die Tiere können bis zu 60 Jahre alt werden.Fotos: Daniela Haußmann

Stolz, mit ausgebreiteten Schwingen gleitet der Wüstenbussard flach über den Boden, um sich gleich darauf wieder anmutig in die Lüfte zu erheben. Gebannt folgen die Zuschauer der flachen Parabel, die sein graziler Flug beschreibt. „So holt er sich seine Beute“, flüstert ein kleines Mädchen. Mit seiner Mutter besucht es im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb den Familiennachmittag mit Falkner Wolfgang Weller und Uhu Susi. Seit 24 Jahren bilden die beiden ein eingespieltes Team. Heute verraten sie im Rahmen der Ausstellung „Greifvögel - Flugkünstler mit scharfem Blick“, wie sich Hilfe leisten lässt, wenn eines der majestätischen Tiere in Not geraten ist.

Etwa 100 verletzte oder kranke Greifvögel gelangen jedes Jahr in die Auffangstation von Wolfgang Weller, der den gefiederten Jägern mit viel Hingabe und jahrzehntelanger Erfahrung wieder auf die Beine hilft. „Häufig ist es der Straßenverkehr, dem die Tiere zum Opfer fallen“, sagt Falkner Ralf Schellinger, der seinen Kollegen Weller begleitet. Mäuse, die sich im Randbereich der Fahrbahn aufhalten, oder Fallwild, dem die Kollision mit einem Fahrzeug zum Verhängnis wurde, sind für manche Raubvögel attraktive, aber auch gefährliche Leckerbissen, wie der Falkner erklärt. „Beim Versuch, die Beute zu greifen werden die Tiere mitunter von einem Auto oder dem Luftsog erfasst, der beim Vorbeifahren entsteht“, berichtet Schellinger. „So kommt es zu Unfällen, die teils zu schweren Verletzungen führen oder im schlimmsten Fall tödlich enden.“ Wolfgang Weller appelliert daher an alle, die auf den Straßen rings um die Teck unterwegs sind, bei einer Begegnung mit den gefiederten Jägern, vom Gas zu gehen.

Aber auch Strommasten und Windkraftanlagen können, dem Experten zufolge, für die seltenen und zum Teil stark gefährdeten Greifvogelarten zur Todesfalle werden. „Mit relativ einfachen Maßnahmen ließe sich bei Windrädern viel für den Vogelschutz tun“, sagt Ralf Schellinger. „Aber das kostet Geld.“ Unter Berufung auf die sogenannte Progress-Studie teilt der NABU Bundesverband mit, dass die Windkraft die Population einiger Arten gefährdet. Als Beispiel führt die Organisation den Rotmilan an, dessen Bestand zwischen 2007 und 2013, parallel zum Ausbau der Windkraft, um 30 Prozent zurückgegangen sei.

Rund 20 heimische Greifvogelarten gibt es nach Auskunft von Wolfgang Weller. Mit rund 70 Zentimetern Körpergröße und einer Spannweite von bis zu 1,88 Metern ist das Uhu-Weibchen für ihn unangefochtener Spitzenreiter im Größenranking. „Den absoluten Geschwindigkeitsrekord hält“, laut Weller, „mit 300 Stundenkilometern der Wanderfalke.“ Doch anders als Uhu-Dame Susi, die sich von den Zuschauern im Naturschutzzentrum streicheln lässt, sind wild lebende Greifvögel in menschlicher Nähe alles andere als entspannt. Das gilt vor allem, wenn sie krank oder verletzt sind. „Mit ihren spitzen Krallen und scharfen Schnäbeln versuchen sie, sich zu verteidigen“, warnt Wolfgang Weller. „Wer einen hilfsbedürftigen Greifvogel aufnehmen will, sollte ihm eine Decke oder Jacke überwerfen. Denn wenn er nichts sieht, verhält er sich ruhig. Anschließend sollte man über den Rücken zugreifen und die Flügel mit beiden Händen am Körper fixieren.“

Für den Transport zur Auffangstation oder zum Tierarzt empfiehlt der Experte einen dunklen Umzugskarton, mit ein paar Luftlöchern. Wolfgang Weller rät ausdrücklich davon ab, die Vögel in Käfige zu stecken oder sie gar zu füttern. Immer wieder erlebt er, dass Katzenfutter oder Speisereste verabreicht werden. Tiere, um deren Überlebenschancen es ursprünglich gar nicht schlecht bestellt war, seien so schon buchstäblich zu Tode gefüttert worden. Der Falkner appelliert an jeden, der einen Greifvogel findet, diesen nicht zu behalten, sondern an einen Spezialisten abzugeben. Ein Bussard im Hasenstall oder Vögel, bei denen die falsche Haltung zu gravierenden, irreversiblen orthopädischen Schäden führte - Wolfgang Weller hat schon einiges gesehen.

Spezielle Tierärzte in der Region Stuttgart übergeben den Patienten gegebenenfalls an eine Auffangstation. Die Fachleute ziehen Jungvögel auf und kümmern sich auch um Langzeitpatienten, die wieder fit für die freie Wildbahn gemacht werden müssen. Wer einen Greifvogel findet, sollte sich den Fundort merken, denn dort hat das Findelkind sein Revier. Tierarztadressen gibt es unter www.vogeldoktor.de

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Foto: Daniela Haußmann

Die Ausstellung „Greifvögel - Flugkünstler mit scharfem Blick“ ist noch bis 17. Dezember im Naturschutzzentrum (NAZ) Schopflocher Alb zu sehen. Wer mehr über die wechselhafte Beziehung von Adlern, Falken, Weihen und Bussarden zum Menschen, ihre Verbreitung und Lebensweise erfahren möchte, kann bis zum 6. November von Dienstag bis Samstag zwischen 10 und 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr die Ausstellung besuchen. Ab dem 7. November hat das NAZ von Dienstag bis Samstag von 13 bis 16 Uhr geöffnet und an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.dh