Lenninger Tal

Hilfe für Kinder in der Krise

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Esslingen nimmt am 1. Juli die Arbeit auf

Eine Studie der Bosch-Stiftung stellt bei 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland psychische Auffälligkeiten fest. „Die Zahlen sind alarmierend“, sagt Gunter Joas. Er leitet in Esslingen die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho­therapie, die am 1. Juli ihre Arbeit aufnimmt.

Zur angenehmen Atmosphäre in der neuen Klinik trägt auch dieser Dachgarten bei. Er bietet gute Aussichten und ermöglicht Aktivit
Zur angenehmen Atmosphäre in der neuen Klinik trägt auch dieser Dachgarten bei. Er bietet gute Aussichten und ermöglicht Aktivitäten. Foto: Roberto Bulgrin

Esslingen. Erste Anläufe, am Esslinger Krankenhaus eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche in Krisen zu schaffen, liegen schon 25 Jahre zurück. Nachdem es 2009 gelungen ist, eine Tagesklinik einzurichten, sieht sich Bernd Sieber, der Geschäftsführer des Klinikums, nun am Ziel. Wie wichtig das neue Angebot ist, unterstreicht er mit dem Hinweis auf die Warteliste, die es schon vor der Eröffnung gibt. „Nach einer Woche werden die 16 Plätze in der Jugendpsychiatrie belegt sein.“ 40 bis 50 Jugendliche, die auf die Warteliste wandern, müssen sich gedulden. In der Regel dauert es mehrere Monate, bis sie stationär aufgenommen werden. Mit starkem Andrang rechnet Sieber auch in der Kinderstation, die Mitte September eröffnet wird.

Der Neubau auf dem Gelände des Esslinger Klinikums stellt Joas zufolge die Antwort auf zwei Entwicklungen dar. „Der Anpassungsdruck für junge Menschen wird immer größer“, sagt er. Ängste, Schulverweigerung, Depressionen und weitere Symptome seien die Folgen. Gleichzeitig schaue das Umfeld genauer hin und registriere im Vergleich zu früher, wenn es zu Auffälligkeiten komme. Für den eigenen Fachbereich gelte überdies, „dass unsere Diagnosen besser geworden sind“.

Der Chefarzt geht davon aus, dass sich der Anteil der Mädchen und Jungen in der neuen Klinik die Waage halten wird. Bei Kindern zwischen sechs und elf Jahren überwiegt nach seinen Erfahrungen die Zahl der Jungen. Sie werden häufig behandelt, weil ihr Sozialverhalten gestört ist. Bei der Gruppe der Elf- bis 15-Jährigen stehen dagegen die Mädchen im Mittelpunkt. Selbstverletzungen spielen in dieser Phase eine wichtige Rolle. In der Station für 16- bis 18-Jährige werden – so erwartet es Joas – Mädchen und Jungen ähnlich stark vertreten sein.

Zum Konzept der neuen Klinik gehören zwei weitere Angebote. Ab 1.  August übernimmt sie für den Landkreis Esslingen die Zuständigkeit für Notfälle. Geraten Kinder in psychiatrische Akutkrisen, dann ist das Klinikum Esslingen die erste ­Adresse. Bisher werden diese Patienten noch in Stuttgart versorgt. Außerdem gibt es eine ambulante Tageseinrichtung mit sechs Plätzen. Sieber zeigt sich zuversichtlich, dass es in weiteren Verhandlungen mit dem Land gelingen wird, diesen Bereich rasch zu stärken.

Mehr als zehn Millionen Euro kostet der Neubau für die Klinik, wobei sich das Land mit 7,1 Millionen Euro engagiert. Joas sieht gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit. „Wir liegen mit diesem Standort mitten im Leben“, sagt er mit Blick auf die zentrale Lage, die er im Vergleich mit einer Adresse auf der grünen Wiese als großen Vorteil einstuft.

Jede Station verfügt über eine eigene Küche, einen Essbereich und ein großes Wohnzimmer. Der Chefarzt verspricht eine „offene, angenehme und familiäre Atmosphäre“. Zu ihr sollen auch Dachgarten, Bolzplatz, Basketballfeld und Rutsche beitragen. Ein Team aus Ärzten, Psychologen, Therapeuten, Erziehern, Sozialpädagogen und Pflegekräften ist rund um die Uhr für die Patienten da.

Der Chefarzt setzt auf ein niederschwelliges Angebot für Eltern. Ihnen bietet er an, sich mit ihren Kindern in der Ambulanz beraten zu lassen. Zum Konzept gehört eine enge Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendärzten, Jugendhilfe und Jugendamt. Großes Augenmerk richtet Joas auf eine frühe Intervention. „Wir müssen verhindern, dass sich Erkrankungen verfestigen.“

Am Tag der offenen Tür kann die Klinik für Kinder -und Jugendpsychiatrie am Samstag, 27. Juni, von 11 bis 16  Uhr, in der Hirschlandstraße 97 besichtigt werden. Verbunden damit ist ein vielfältiges Kinderprogramm. Die Psychiatrische Ambulanz ist unter 07 11/31 03 32 14 oder per E-Mail an p.specht@klinikum-esslingen.de erreichbar.