Lenninger Tal

„Ich lerne jeden Tag etwas dazu“

Engagement Junge Menschen arbeiten bei der Stiftung Tragwerk im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres. So unterschiedlich die Arbeitsbereiche, so einhellig positiv sind ihre Erfahrungen. Von Kerstin von Locquenghien

Silas John hatte zu Beginn seines freiwilligen sozialen Jahres keine handwerklichen Erfahrungen. Jetzt verlegt er Böden, streich
Silas John hatte zu Beginn seines freiwilligen sozialen Jahres keine handwerklichen Erfahrungen. Jetzt verlegt er Böden, streicht Wände und Türen und hat den Fuhrpark unter sich. Fotos: Kerstin von Locquenghien
Kochen gehört mit zu den Aufgaben von Kim Sieme.
Kochen gehört mit zu den Aufgaben von Kim Sieme.

Wenn der 19-jährige Silas John aus Holzmaden am frühen Morgen zur Arbeit geht, ist er jedes Mal gespannt, für welchen Dienst ihn sein Chef Frieder Rilling eingeteilt hat. John absolviert seit September ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) bei der Stiftung Tragwerk in Kirchheim. Als seine Reisepläne nach dem Abi letzten Sommer coronabedingt ins Wasser fielen, war für ihn sofort klar, dass er das bevorstehende Jahr im Rahmen eines FSJ sinnvoll für sich nutzen wollte. Ganz bewusst habe er sich für den Bereich Haustechnik entschieden. „Ich war eigentlich handwerklich nicht so begabt und dachte mir, da kann ich was fürs Leben lernen. Das wird mir was bringen.“

Sein Plan ging auf: Nach zwei Probetagen vor Ort wurde der Vertrag unterschrieben. „Alle hier sind supernett und hilfsbereit. Auch ohne Vorkenntnisse bekam ich eine Chance.“ Seinem Chef sei es wichtiger gewesen, dass er sich motiviert und lernbereit zeigte, als dass er bereits handwerkliche Erfahrung hatte. „Die Kollegen zeigen mir, wie alles geht. Ich lerne jeden Tag etwas Neues dazu“, schwärmt Silas John.

Heute unterstützt der FSJler die insgesamt zehn Hausmeister, die für die Pflege und Instandhaltung der Gebäude, des Geländes und des Fuhrparks verantwortlich sind. Und das nicht nur in Kirchheim, sondern im ganzen Umland - von Oberlenningen bis Nürtingen und Plochingen -, wo die Stiftung Tragwerk mit Außenstellen und Einrichtungen vertreten ist. Er habe schon viel gelernt, berichtet John: vom Wändestreichen über Bodenverlegen, Möbelreparieren, Grünanlagenpflegen bis hin zur Wartung der Fahrzeuge. „Die Aufgaben sind total vielseitig und abwechslungsreich. Das Jahr geht viel zu schnell vorbei.“

Bei der ebenfalls 19-jährigen Kim Sieme aus Hepsisau sieht der FSJ-Alltag in der Stiftung Tragwerk ganz anders aus. Ihre Arbeitszeit beginnt erst um die Mittagszeit in der pädagogisch-therapeutischen Außenwohngruppe in Oberlenningen. Hier leben junge Menschen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren mit ihren Betreuerinnen und Betreuern. „Wenn ich mittags komme, koche ich als ers­tes - meistens gemeinsam mit den Jugendlichen.“

Zu ihren täglichen Aufgaben gehöre neben hauswirtschaftlichen Aufgaben außerdem die Unterstützung der Jugendlichen bei den Hausaufgaben, die gemeinsame Zeit draußen, Spielen, die Gestaltung von Film- oder Motto-­Abenden sowie die Begleitung von Ausflügen - kurz: Sie gestaltet den Alltag und die Jahresfeste für die Jugendlichen so, wie man es auch als Familie machen würde. „Ein schöner Moment, an den ich mich immer zurückerinnern werde, war, als wir mit den Jugendlichen einen Ausflug zu den Uracher Wasserfällen gemacht haben. Alle haben zusammen im Schnee getobt, waren komplett durchnässt am Ende und konnten einfach mal ausgelassen Kind sein.“

Bei ihrer Arbeit wird Sieme vom Erzieherinnen-Team im Hintergrund gut unterstützt. Zusätzlich besuchen alle FSJler begleitende Seminare des Diakonieverbandes, wo sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet und begleitet werden. Es sei toll, sich mit anderen FSJ­lern aus anderen Einrichtungen auszutauschen. Speziell in der anspruchsvollen Arbeit der Jugendhilfe hätte sie sich gut auf schwierige Situationen vorbereitet gefühlt, erzählt Sieme. Eigentlich wollte sie vergangenes Jahr eine Ausbildung in der Hotellerie anfangen. Aber auch hier wurde coronabedingt alles abgesagt. Über einen Bekannten sei sie dann auf das FSJ bei der Stiftung Tragwerk aufmerksam geworden. Über die Zeit wandelten sich die Pläne der 19-Jährigen: „Das FSJ hat mir gezeigt, dass der soziale Bereich voll mein Ding ist.“ Nach dem FSJ wird Sieme nun eine Ausbildung als Jugend- und Heimerzieherin beginnen - und der Wohngruppe in Oberlenningen als Azubi weiterhin treu bleiben.

Beide FSJler sind sich einig: „Man weiß hier, wofür man arbeitet“, berichtet Silas John. „Die positive Resonanz und Dankbarkeit, die man von allen Seiten zurückbekommt, ist fantastisch!“ Kim Sieme resümiert: „Durch ein FSJ wird man nicht reich, aber reich an Erfahrungen, entwickelt sich persönlich weiter und lernt viele neue Leute und Freunde kennen.“ Ihr Tipp: „Nicht lange überlegen, einfach machen.“

„Man weiß hier, wofür man arbeitet.

Silas John

FSJler beim Tragwerk

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Ein FSJ bietet viele Chancen

Ein FSJ oder ein Jahr im Bundesfreiwilligendienst (BFD) bietet jungen Menschen die Chance, ihren Horizont zu erweitern, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, erste Erfahrungen in ihrem späte­ren Wunschberufsfeld zu sammeln oder ganz unabhängig vom Tätigkeitsfeld den Blick auf die eigenen Interessen und Talente zu schärfen. Das stärkt das Selbstbewusstsein, kann bei der Planung der weiteren beruflichen Karriere helfen und bereichert jeden Lebenslauf. Daneben bieten FSJ- und BFD-Stellen auch Menschen, die keinen Ausbildungs- oder Studienplatz bekommen haben, die eine Phase der Arbeitslosigkeit überbrücken müssen, oder älteren Menschen, die sich noch aktiv in die Gesellschaft einbringen möchten, eine Aufgabe.

Wer sich für ein FSJ oder BFD bei der Stiftung Tragwerk interessiert, findet die offenen Stellen mit ausführlichen Tätigkeitsbeschreibungen auf der Webseite unter www.stiftung-tragwerk.de/stellen/fsj-/-bfd-/-praktika.kvl