Lenninger Tal

„In der Türkei wäre ich tot“

Projekt Unter dem Titel „Jesus“ möchte der Schriftsteller Armin Sengül einen Film über die Verfolgung von Christen in der Türkei drehen. Der Lenninger hat bereits mehrere Kurzfilme gemacht. Von Anke Kirsammer

Armin Sengül hat unter einem Pseudonym sieben Romane geschrieben. Darin setzt sich der 65-Jährige mit der jüngeren Geschichte de
Armin Sengül hat unter einem Pseudonym sieben Romane geschrieben. Darin setzt sich der 65-Jährige mit der jüngeren Geschichte der Türkei auseinander und lässt auch Autobiografisches einfließen. Foto: Carsten Riedl

Armin Sengül ist ein durch und durch politischer Mensch. Es sind die Gräueltaten radikaler Islamisten an armenisch-christlichen Angehörigen seiner Familie Mitte der 1950er Jahre, die ihn nicht loslassen. Was den Lenninger ebenfalls umtreibt, ist die Integration türkischer Menschen in Deutschland. „Die Leute leben hier und gucken nach dem Wetter in der Türkei“, sagt er. Dafür fehlt ihm jegliches Verständnis. „Sie sind teils seit 50 Jahren in Deutschland, aber der Kopf ist immer noch in der Türkei.“ Er selbst ist ein Verfechter der Demokratie und der Freiheit, wie er sie hierzulande erlebt: „Ich liebe Deutschland, die Kultur und das Leben.“ An der christlichen Religion gefällt dem Vater von drei Kindern die Friedensbotschaft. Regelmäßig besucht er Gottesdienste in evangelischen Kirchen. „In arabischen Ländern gibt es keine Menschenrechte“, betont er. Stattdessen herrsche überall Terror. Zehnjährige Mädchen zu heiraten, sei unmenschlich. „Mit dem, was ich sage, mache ich andere aggressiv“, meint er. „Glauben Sie mir, in der Türkei wäre ich tot.“

Der 65-jährige Sohn eines muslimischen, türkischen Vaters und einer christlichen, armenischen Mutter kam 1982 nach Deutschland. Zehn Jahre lang schrieb er für die türkische Zeitung Milliyet und unterrichtete im Schwarzwald an einer Volkshochschule. Seit Anfang der 90er Jahre hat er sieben Romane veröffentlicht. „Der Schmerz“, „Flüchtlinge“ oder „Das Paradies der Kinder“, lauten die Titel, die teils autobiografische Züge enthalten. Weil er in der Türkei keine Bücher mehr veröffentlichen darf, schreibt er unter einem Pseudonym.

In das Land, in dem er geboren wurde und in dem sein Vorname verboten ist, weil er an seine armenische Herkunft erinnert, kann er heute nicht mehr fahren. Bei seiner letzten Reise vor mehr als 20 Jahren wurde er von Polizisten auf Schritt und Tritt verfolgt. „Wenn du noch einmal kommst, bist du erledigt“, hätten sie zu ihm gesagt. Offensichtlich hatte die Polizei an seiner deutschen Staatsbürgerschaft Anstoß genommen.

Sobald es Corona zulässt, will Armin Sengül als Regisseur einen Film mit dem Titel „Jesus“ in Kirchheim drehen. Die Geschichte spielt am 6. und 7. September 1955. Es ist das Datum des „Pogroms von Istanbul“, bei dem es barbarische Ausschreitungen gegen die christliche, vor allem griechische Minderheit, aber auch gegen türkische Juden und Armenier gab. Viele der Verfolgten verließen das Land und flüchteten nach Deutschland, Frankreich, Amerika oder Griechenland. Wer nicht fliehen konnte, versuchte in der Türkei seine Religion zu verheimlichen.

In dem Film soll es um das Schicksal einer armenischen Familie gehen, die nach dem Pogrom in der Türkei geblieben ist. Im Mittelpunkt stehen zwei Brüder. Einer ist Pfarrer an einer evangelischen Kirche in Istanbul, der andere arbeitet als Journalist. Weil er die türkische Regierung kritisiert, kommt der Journalist ins Gefängnis und wird dort gefoltert...

Drehen möchte Armin Sengül den Film, der wahre Begebenheiten enthält, wie er betont, in Kirchheim. Vier Kurzfilme hat er bereits gemacht. Einer davon entstand vor 14 Jahren ebenfalls in der Teckstadt unter seinem türkischen Namen Hüseyin Sengün. „Wo bin ich fremd?“, hieß der Streifen zum Thema Integration, der im Hochhaus an der Aichelbergstraße spielte. Das Drehbuch zu seinem neuen Film hat er bereits verfasst. Die Schauspieler sollen deutsche oder europäische Staatsbürger sein. Kontakt zur Filmbranche hat er nicht. Dennoch ist er optimistisch, dass er das benötigte Geld über Sponsoren bekommt. Das Selbstbewusstsein dafür schöpft er aus seiner Biografie: „Ich habe sieben Romane geschrieben, und meine Geschichte ist interessant.“