Wenig Freude herrscht derzeit in Owen und Lenningen. Schwertransporter dürfen jetzt auch seit Mitte Juli bis Ende April nächsten Jahres an Sonn- und Feiertagen durchs Tal donnern. „Zwischen 6 und 22 Uhr dürfen die Lkw fahren. Es werden vermutlich 25 Laster sein“, sagt ein Pressesprecher der Bahn. Damit herrscht Lkw-Dauerbeschallung die ganze Woche durch. Es geht ganz offensichtlich immer noch eine Schippe drauf. An Werktagen sind die Anwohner der B 465 mit Berufs- und Lkw-Verkehr gesegnet, am Wochenende mit dem Ausflugs- und Motorrad-Verkehr auf die Alb und wieder zurück. „Was müssen wir noch alles ertragen? Das ist eine zusätzliche Belastung für die Anwohner“, sagte Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger, als sie die Hiobsbotschaft dem Gemeinderat überbrachte.
Informiert über die Sonntagsfahrten der Schwerlaster für die ICE-Baustelle wurde sie jedoch nicht etwa von der Deutschen Bahn oder der Baufirma Implenia, sondern von ihrem Lenninger Kollegen Michael Schlecht. Der wiederum hatte die Mitteilung vom Steinbruch Moeck, dass es eine Ausnahmegenehmigung für Sonn- und Feiertage gibt. Zuständig ist die Landesbergdirektion Baden-Württemberg mit Sitz in Freiburg. Es bedarf einer Genehmigung für die Ausnahmeregelung, die beim Gewerbeaufsichtsamt des Landratsamts Esslingen gestellt werden muss. Grundlage für deren Entscheidung ist eine „Dringlichkeitsbescheinigung“ der IHK, die laut der Verkehrsbehörde vorliegt, wie Michael Schlecht erfuhr. In der Regel erteilt das Landratsamt aufgrund dieses Schreibens dann die Genehmigung.
Als Grund für das Aufheben des Sonntag-Fahrverbots wird fehlende Lagerkapazität für die Tübbinge genannt. Das sind die Betonelemente, aus denen die Tunnelwand besteht. Der Kalkstein von Grabenstetten ist in dem Fall ein sogenannter Betonzuschlagstoff. Damit der Tunnelvortrieb nicht stockt, läuft die Tübbing-Produktion offensichtlich auf ungeplanten Hochtouren. Wie stark die Sonntagsfahrten genutzt werden, hängt von den produktionsbedingt gebrauchten Mengen ab. „Die Firma Moeck hat wohl gebeten, diese Abholung auf das absolut notwenige Mindestmaß zu reduzieren. Wie viele Fahrten das aber sein können, weiß ich nicht“, sagte Michael Schlecht. Premiere war allerdings schon: Beim Brötchenholen wurde ein Owener am vergangenen Sonntag von einem Schotterlaster überrascht, auch in Lenningen wurden Brummis gesichtet.
„Das ist komplett an uns vorbeigegangen. Es gab keine Beteiligung der betroffenen Kommunen. Wir hätten informiert werden müssen“, ärgert sich Verena Grötzinger, für die die Grenzen des guten Geschmacks und des Erträglichen überschritten sind. Täglich bis zu 1 100 Fahrzeuge durch die S 21-Baustelle wurden im Teckstädtchen zu Spitzenzeiten schon gezählt. Davon entfallen - wie bei der Bürgerinformation in Owen genannt - etwa 500 auf die Tunnelbaustelle bei Kirchheim. Bei dieser Veranstaltung gab es auch die klare Aussage der Bahn: Am Sonntag fahren keine Laster.
„Lärm ist eine nicht zu unterschätzende Gesundheitsgefährdung. Das bedeuten Kosten für das Gesundheitssystem. Jetzt hat man nicht einmal am Sonntag seine Ruh vor Lkws - zusätzlich zum Ausflugsverkehr. Wir müssen das Gespräch auf politischer Ebene suchen“, sagte die Stadtchefin. Sibylle Schmid-Raichle zeigt auch wenig Verständnis für die zusätzlichen Belastungen für die Bewohner des Lenninger Tals. „Wir mussten uns mit dem Lärmaktionsplan auseinandersetzen und haben unsere Hausaufgaben gemacht. Gilt das nur einseitig?“, fragt sich nicht nur sie. Die schiere Anzahl der Schwerlaster ist erdrückend. „Selbst als Erwachsener geht man an der Fußgängerampel zwei Schritte zurück, wenn die Lkw mit hohem Tempo an einem vorbeifahren“, sagte sie. Der Kamm ist Ulrich Raichle gewaltig geschwollen, als er von den Sonntagsfahrten hörte. „Das ist ein linkes Spiel, das da gespielt wird. Alles brauchen wir uns nicht bieten lassen und sollten etwas dagegen unternehmen“, fand er deutliche Worte und Jochen Eberhardt stimmte die Machtlosigkeit traurig. „Ich verlasse mich auf nichts mehr und ich vertraue auch nicht mehr - aber mit den Kollegen bleiben wir dran. Vielleicht erreichen wir ja ein klein wenig mit öffentlichem Druck“, gibt sich Verena Grötzinger resigniert, aber nicht geschlagen.