Herr Diringer, müssen Beschäftigte – vom Bäcker mal abgesehen – auch bei Backofentemperaturen weiterarbeiten oder gibt es die Chance auf Hitzefrei?
Was sagt das Arbeitsgesetz?
DIRINGER: Arbeitgeber sind verpflichtet, beim Einrichten der Arbeitsstätte darauf zu achten, dass die baulichen Voraussetzungen an den sommerlichen Wärmeschutz gegeben sind. Fenster, Oberlichter und Glaswände müssen so gestaltet werden, dass eine übermäßige Erwärmung vermieden wird. Kommt es dennoch zu einer Raumtemperatur von mehr als 26 Grad, soll der Arbeitgeber weitere Maßnahmen ergreifen. Überschreitet die Raumtemperatur 35 Grad ist der Raum für die Zeit der Überschreitung grundsätzlich nicht mehr als Arbeitsraum geeignet.
Was, wenn das Quecksilber die 30-Grad-Marke knackt?
DIRINGER: Der Arbeitgeber muss dann wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Beanspruchung der Beschäftigten zu reduzieren. Welche das sind, hängt von der Situation vor Ort ab. Oft genügt es, dass zum Beispiel dafür gesorgt wird, dass die Räume nachts auskühlen oder Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen bleiben. Es kann aber auch notwendig sein, andere Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel mithilfe von Klimageräten die Raumtemperatur zu senken oder Getränke zur Verfügung zu stellen.
Haben Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf klimatisierte Räume?
DIRINGER: Der Arbeitgeber soll zwar dafür sorgen, dass die Raumtemperatur nicht mehr als 26 Grad beträgt und er muss handeln, wenn sie über 30 Grad steigt. Welche konkreten Maßnahmen er ergreift, steht ihm aber grundsätzlich frei. Er kann Büroräume also klimatisieren lassen, muss das aber nicht.
Gibt es einen Dresscode, der rechtlich betrachtet eingehalten werden muss oder sind Hot Pants, kurze Tops, Miniröcke und Co. erlaubt?
DIRINGER: In vielen Unternehmen gibt es tatsächlich Kleidervorschriften, die Arbeitnehmer einhalten müssen, insbesondere bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt. In einigen Branchen, etwa bei Versicherungen, gibt es auch ungeschriebene Dresscodes, die Beschäftigte beachten sollten. Solche Bekleidungsvorschriften können durch den Arbeitgeber aber jederzeit gelockert werden. So wird zum Beispiel Angestellten in Bankfilialen bei hohen Temperaturen häufig erlaubt, die ansonsten obligatorische Krawatte abzulegen.
Lässt sich mit Arbeits- und Pausenzeiten für Erleichterung sorgen?
DIRINGER: Arbeitgeber können versuchen, die Lage der Arbeitszeit an die Temperaturen anzupassen, die Pausen zu verlängern oder in Zeiten zu legen, in denen es besonders heiß ist. Das geht aber nur, wenn die Arbeitsverträge solche Änderungen zulassen oder die betroffenen Mitarbeiter damit einverstanden sind. Wenn es einen Betriebsrat gibt, sind dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. In vielen Unternehmen ist es zudem möglich, die Belastung durch die Nutzung von Gleitzeitkonten zu reduzieren. An heißen Tagen kann dann weniger gearbeitet werden, bei angenehmeren Temperaturen entsprechend mehr.
Was muss der Arbeitgeber bei Schwangeren und stillenden Müttern
beachten?
DIRINGER: Schwangere und Stillende sind besonders schutzbedürftig. Das ist auch bei den Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber bei bestimmten Temperaturen ergreifen soll beziehungsweise muss. Ist das Leben oder die Gesundheit des Kindes oder der Mutter wegen der Hitze gefährdet, dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden. Eine solche Gefährdung muss allerdings durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden.
Können sich Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Problemen freistellen lassen?
DIRINGER: Wenn ein Arbeitnehmer durch Hitzebelastungen arbeitsunfähig krank wird, gelten die gleichen Regeln wie bei sonstigen Krankheiten. Besteht aufgrund einer gesundheitlichen Vorbelastung dagegen lediglich die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung, kann ein Arbeitnehmer nicht einfach zu Hause bleiben. Der Arbeitgeber hat eine solche Vorbelastung aber bei den von ihm zu ergreifenden Hitzeschutz-Maßnahmen besonders zu berücksichtigen. Foto: pr