Mehrere Meter ragt ein Mast in den Himmel, unzählige Querverstrebungen, Kabel und Kästchen sind daran befestigt. Während sonst auf den Dächern „abgerüstet“ wird, nehmen die Aufbauten auf Bruno Hoffmanns Haus in Oberlenningen immer größere Ausmaße an. 40 Meter Umfang hat das längste auf dem Grundstück verspannte Dreieck aus Draht. „Das bringt mehr Gewinn“, erklärt der Technik-Freak, der seit gut vier Jahrzehnten leidenschaftlicher Amateurfunker ist. „Gewinn“ - das hat unter Funkern immer mit der Übertragungsqualität und Reichweite zu tun. Die Tallage ist für das Hobby nicht gerade optimal. Dennoch: „Richtung Nord-West geht es von hier ganz gut“, sagt er. Problemlos kommt er mit seiner Antenne auf UKW bis Holland. „Bei guten Bedingungen sind 1000 Kilometer machbar - das ist Physik.“ Für weiter entlegene Orte nutzt er den Mond als Reflektor oder auf Kurzwelle durch die Sonne ionisierte Luftschichten. So erreicht er sogar Neuseeland und die Antarktis, wo zeitweise Funkamateure auf einer Forschungsstation sind.
Anders als die imposanten Antennen auf dem Dach ist die Technik im Haus fast zu übersehen. „Ich habe ein ganz kleines Funkgerät, weil ich es manchmal in den Urlaub mitnehme“, sagt Bruno Hoffmann und holt ein schwarzes Kästchen neben dem Schrank hervor. Als er es anschaltet und mit dem Drehknopf die Frequenzen ändert, rauscht, pfeift und blubbert es. Plötzlich hört man Stimmen, die sich auf bayerisch unterhalten. Sich in fremde Gespräche einzuschalten, ist völlig normal. „Es muss einem klar sein. Was man sendet, kann jeder mithören.“
Die Lizenz als Amateurfunker besitzt Bruno Hoffmann seit 1978. Den Kurs dafür absolvierte er während seiner Ausbildung zum Fernmeldehandwerker bei der Post. „Die Technik hat mich interessiert“, sagt er. Das ist bis heute so. Unverändert ist auch sein Rufzeichen DF7TS. „Wir arbeiten viel mit Abkürzungen, weil es schneller geht“, meint er schmunzelnd. Das gilt für den Funkspruch „CQ“, um allgemein zu rufen, genauso aber für die Bestimmung des Standorts. „Die ganze Welt ist bei uns in Felder eingeteilt, die auf etwa fünf Kilometer genau sind“, erklärt Bruno Hoffmann. Längst haben digitale Betriebsarten Einzug gehalten. Viel läuft über den Rechner. So lassen sich die Antennen, die ständig weiterentwickelt werden, vor dem Bau am PC simulieren oder per Mausklick bewegen, wenn sie anders ausgerichtet werden sollen.
Auch in Zeiten des Internets hat das Funken für den Tüftler, der beruflich zuletzt für die Telekom große Telefonanlagen gewartet hatte, nichts an Faszination verloren. Noch lieber als Funksprüche in die Welt zu senden, versucht der Oberlenninger auf Kurzwelle oder UKW irgendwo auf dem Erdball Gleichgesinnte per Morsezeichen zu kontaktieren. Worüber tauscht man sich mit einem Wildfremden aus, von dem man nur weiß, dass er dasselbe Hobby hat? „Du sagst deinen Namen und wo du wohnst, stellst deine Station vor und interessierst dich beispielsweise für sein Funkgerät“, erklärt der 58-Jährige. Manchmal unterhalte man sich auch eine halbe Stunde. „Mich mit anderen über den Bau von Antennen auszutauschen, hat für mich einen besonderen Reiz.“
Von den Antennen hängt auch ab, wie der große UKW-Contest läuft, der einmal jährlich europaweit im September stattfindet. 24 Stunden lang versuchen Funkamateure, möglichst viele und möglichst weite Verbindungen zu „sammeln“. Zehn Mitglieder des Clubs, dem Bruno Hoffmann angehört, treffen sich dazu auf der Aschhütte auf der Alb. Die Lage ist zwar nicht optimal, weil die Bäume ringsum die Signale dämpfen, trotzdem halten die Männer an dem Standort fest. „Wir haben Strom, einen Ofen, Toiletten, ein Matratzenlager und können uns was kochen“, sagt Bruno Hoffmann.
Das ganze Jahr über laufen bei den Clubmitgliedern die Köpfe heiß, und es wird gebastelt, um die Station zu verbessern. Einen Tag vorher schaffen sie die Antennen, Masten, Abspannseile, mehrere hundert Meter Kabel, Werkzeug, Laptops, Monitore und andere Materialien auf die Alb. Die Fäden für die Planung und Koordination laufen bei Bruno Hoffmann zusammen. Beim Contest selbst wechseln sich die Funker alle zwei bis drei Stunden ab. Während einer unter Hochdruck funkt, tippt ein anderer in den PC ein, welche Verbindung hergestellt wurde. Ein von einem Punkt ausgehendes Netz mit unzähligen Linien, das an den Funkenschweif einer Feuerwerksrakete erinnert, demonstriert anschaulich die Kontakte. „Letztes Jahr sind wir bis nach England gekommen. Das Weiteste waren 960 Kilometer“, sagt Bruno Hoffmann. Von 80 Mannschaften erreichte der Club den 17. Platz in Deutschland. Nachdem der September-Contest dieses Jahr wegen technischer Probleme abgebrochen werden musste, ist die Motivation, 2020 mit verbesserter Ausrüstung zu starten, hoch. Deshalb ist Training in den eigenen vier Wänden angesagt. - Was für den Oberlenninger aber in erster Linie zählt, ist das zwischenmenschliche Netzwerk unter den Funkern. - „Klar entstehen da Freundschaften.“