Lenninger Tal

Lichtblick für den Landesbischof

Evangelische Pfarrkirche Sankt Nikolaus in Gutenberg blickt auf 150 Jahre zurück

Fast auf den Tag genau würdigten die Gutenberger ihr Gotteshaus zum 150. Geburtstag: Am 15. Juli 1866 wurde die Kirche mit einem Umzug eingeweiht.

Landesbischof Dr. Otmar July fordert die Gutenberger auf, zu lebendigen Steinen zu werden. Fotos: Thomas Krytzner
Landesbischof Dr. Otmar July fordert die Gutenberger auf, zu lebendigen Steinen zu werden. Fotos: Thomas Krytzner

Lenningen. Am Wochenende ging in Gutenberg das Kirchenfest zum runden Jahrestag über die Bühne. Pfarrerin Frida Rothe zeigte sich stolz. Denn: Hoher Besuch aus der evangelischen Kirchenführung in Baden-Württemberg hatte sich angekündigt. Landesbischof Dr. Otmar July ließ es sich nicht nehmen und folgte der Einladung zum Geburtstag. Nach drei Tagen Synode in Straßburg „war dieser Sonntag ein willkommener Lichtblick“.

Als um 10 Uhr die beiden Glocken zum Festgottesdienst riefen, waren die Kirchenbänke bereits gut gefüllt. Einige mussten auf die Empore ausweichen. Frida Rothe begrüßte mit froher Botschaft die vielen Gäste aus den Kirchengemeinden am Albtrauf. Die Pfarrerin verriet, dass der erste Gottesdienst in der Nikolauskirche bereits am 3. Dezember 1865 gehalten wurde, an diesem Tag sogar noch ohne Dach. Die Aufrichtung folgte erst später im Dezember des gleichen Jahres und im Januar 1866 kamen die Dachdecker.

Landesbischof Dr. Otmar July zeigte sich von der Beschaulichkeit des Ortes Gutenberg beeindruckt. Er erinnerte sich in seiner Rede an einen Besuch in Bayern. Beim Originalschauplatz der Fernsehserie „Die Kirche bleibt im Dorf“ traf er Schauspieler und Bürger. Der Kirchenchef schmunzelte: „In veränderter Form passt dieser Filmtitel auch für Gutenberg.“ Er blickte in seiner Predigt in die Vergangenheit, betrachtete die Gegenwart und orientierte sich an der Zukunft. „Die Veränderungen an der Nikolauskirche sind wie Parallelen zum Lebenskreislauf des Menschen zu sehen.“ Vieles kann umgestaltet werden, manches muss neu gebaut werden. Der Landesbischof verglich die Gottesdienstbesucher mit der Mauer der Nikolauskirche. „In diesen Mauern werden wir lebendig.“ Er forderte die Gäste auf, sich als lebendige Steine im Kirchengebilde zu sehen. Gutenberg mache es ja schon vor: Ein sehr agiler Frauenkreis, der Besucherdienst und die Kinderkirche halten die Kirchgemeinde am Leben. „Die lebendigen Steine bauen die Kirche immer wieder neu.“ July ist für künftige Veränderungsprozesse guter Hoffnung. Er nannte zum Abschluss seiner Predigt die drei Wegebilder des Herrn: Erinnerung, Vergegenwärtigung und Sendung.

Eine Premiere gab‘s beim anschließenden Fest auf dem Kirchplatz: Nicht, wie gewohnt, der gemischte Braten mit Spätzle und Soß‘ standen auf der Speisekarte, sondern diverse orientalische Spezialitäten. Vier Syrer vom AK Asyl hatten gekocht und sorgten in Gutenberg für ein ungewohntes Geschmackserlebnis. Den Festgästen schien‘s zu gefallen, und die Stimmung war sehr ausgelassen. Nicht zuletzt trugen strahlend blauer Himmel und sommerliche Temperaturen dazu bei, dass die Nikolauskirche in Gutenberg eine würdige Geburtstagsfeier bekam.

Die Geschichte der Nikolauskirche in Gutenberg

Die Geschichte der Nikolauskirche in Gutenberg
Die Geschichte der Nikolauskirche in Gutenberg

150 Jahre schon gilt die Pfarrkirche Sankt Nikolaus als Seele von Gutenberg. Der erste Nachweis einer eigenen Kapelle in der Lenninger Teilgemeinde stammt aus dem Jahr 1437. Damals galt das Gotteshaus als Filialkapelle der Oberlenninger Kirchgemeinde. Nach der Reformation erhielt sie 1540 den Stand der Pfarrkirche. 1865 gab es den Neubau der Kirche. Innerhalb kurzer Zeit riss man Kirche samt Turm ab und baute sie neu auf. Ein Dokument, das während Renovierungsarbeiten gefunden wurde, offenbart: „Der ganze Jahrgang war sehr günstig zum Bau, im Sommer regnete es wenig und im Winter fiel bis in Januar nur zweimal wenig Schnee. 1866 weihten die Gutenberger ihre Kirche festlich ein. Es gab einen feierlichen Umzug und einen Gottesdienst. Die Kosten für den Kirchenbau beliefen sich damals auf 20 000 Gulden. Die damaligen Teilgemeinden Gutenberg, Krebsstein und Schlattstall teilten sich die Kosten. Die Kirchturmuhr, mit drei Uhrtafeln, kostete damals 600 Gulden. 1953 stand der Orgelneubau an. Die 1851 erbaute Orgel von Gruol & Goll aus Bissingen erhielt erst 1948 einen Elektromotor und sorgte bis dahin für „asthmatische“ Anfälle bei Organisten und Balgtretern. Im Jahr 1953 wurde die Orgel neu gebaut und erweitert. Die letzte große Generalüberholung mit Erweiterung war 1985. 1300 und 1466 sind die Gussjahre der beiden Glocken im Kirchturm. Die größere wiegt rund 730 Kilo und stammt aus dem Kloster Schmiedfelden. Die kleine Schwester bringt rund 380 Kilo auf die Waage. Das Geläut erhielt im Jahr 1977 eine Metalllegierung. Seit es 1955 elektrifiziert wurde, braucht es keine Konfirmanden mehr für das Läuten. Dreizehn Pfarrer leiteten die Gutenberger Kirchgemeinde seit 1858 bis ins jüngste Jahrtausend. Seit Oktober 2009 ist Frida Ro­the die Kirchenchefin in Gutenberg, Schopfloch, Schlattstall und Krebsstein. Die Gemeinden sind mit eigenem Kirchenrat und Pfarramt unabhängig voneinander. Frida Roth baut immer wieder Brücken. kry