Lenninger Tal

Mal einen Gang zurückschalten

Ausflugstipp Für die Erkundung des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen bieten sich Fahrräder an. Ein Muss für Familien ist der Besuch des Biosphärenzentrums. Von Anke Kirsammer

Auch für Kinder geeignet: Eine Tour über den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen. Wer noch etwas lernen will, ist im Biosphä
Auch für Kinder geeignet: Eine Tour über den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen. Foto: Anke Kirsammer

Warum für Unternehmungen zu weiten Fahrten ins Auto steigen, wo doch das Paradies vor der Haustür liegt? Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb lädt zu herrlichen Radtouren ein. Ein Muss ist eine Durchquerung des ehemaligen Truppenübungsplatzes bei Münsingen, der dazu einlädt, für ein paar Stunden einen Gang zurückzuschalten.

Besonders bequem ist der Einstieg über die Feldstetter Schranke. Anfangs ist ein leichter Anstieg zu meistern, der etwas Muskelkraft abverlangt. Die Fahrt führt über geschwungene Straßen durch knorrige Baumalleen, die man außerhalb des Geländes so nirgends mehr findet. Zwar ist auch das übrige Gelände kupiert, doch lohnt sich der Besuch: Die Stille in dem autofreien Herz des Biosphärengebiets unterbrechen nur zirpende Grillen und hin und wieder die Schreie von Vögeln. In die Nase steigt ein intensiver Duft von Kräutern wie dem Feldthymian und dem Wilden Majoran, die mit anderen Blumen in Violetttönen in Gelb und Weiß den Asphalt säumen. Dass einem grasende Schafe den Weg versperren, wundert nicht in einer Landschaft, die mit ihren bewaldeten Kuppen, weit ausladenden Solitärbäumen und Gehölzgruppen ein Relikt des 19. Jahrhunderts ist und in der rund 30 000 der wollenen Vierbeiner für die Offenhaltung der Flächen sorgen.

Ein eindrücklicher Film

Empfehlenswert ist nicht nur mit Kindern der Besuch des Biosphärenzentrums. Es ist auf der gegenüberliegenden Seite des Reservats am Rand des Alten Lagers in Auingen angesiedelt und rund elf Kilometer vom Einstieg in Feldstetten entfernt. Dazu folgt man dem Weg Nummer „eins“, hält sich am Abzweig nach sieben Kilometern halblinks und fährt an der nächsten Gabelung wieder halblinks weiter Richtung Böttingen. Nach einem weiteren Kilometer verlässt man das Reservat an einer Schranke und folgt dem Wegweiser rechts in Richtung Biosphärenzentrum.

Wer eintauchen will in die Welt des von der Unesco anerkannten Gebiets, sollte anderthalb bis zwei Stunden Zeit mitbringen und zum Auftakt den Film im ersten Stock ansehen. Eindrücklich dokumentiert der Streifen, wie viele Gesichter die Alb und das Albvorland haben - von den Hang- und Schluchtwäldern über Wacholderheiden, Felsen und Höhlen bis zu den Streuobstwiesen, die in dieser Ausdehnung in Mittel- und Westeuropa einzigartig sind -, und er beleuchtet das Leben heimischer Tiere. Ebenfalls im Obergeschoss gibt es Kugeln aus der Neidlinger Kugelmühle zu bewundern, man kann sprechenden Steinen lauschen und eine Ausstellung zu natürlichen Rohstoffen ansehen.

In Filzpantoffeln durchstreift man im Erdgeschoss das Biosphärengebiet von Weilheim bis Zwiefalten und von Reutlingen bis Schelklingen. Kopfhörer ermöglichen, an interaktiven Modulen zu sehen, zu hören, zu greifen und zu riechen, was das Reservat so besonders macht. Familie Kuch, die den Unterlenninger Sulzburghof betreibt, stellt die landwirtschaftliche Direktvermarktung vor, Melanie Dangel gibt Einblick in die Schäferei auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz, und die erste Blumenwiesenkönigin erzählt, warum der Lebensraum so schützenswert ist. Viel zu schmunzeln gibt es, wenn Städter und Älbler übereinander reden.

Den Tierspuren folgen

Kleine Kinder folgen gern den Tierspuren in das lauschige Waldstück im hinteren Teil. Größere erleben mit dem ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Römerstein, Michael Donth, einen Tag und können darauf einwirken, ob er sich herkömmlich oder nachhaltig verhält und so CO2 spart. Sollte nach so vielen Eindrücken der Magen knurren, bietet es sich an, im gegenüberliegenden Gasthaus Schützen den Hunger zu stillen.

Wer die Radtour zu einem Tagesausflug ausdehnen möchte, kann noch einen der Aussichtstürme ansteuern, von denen aus der Blick weit über den ehemaligen Truppenübungsplatz hi­nausschweift. Für Familien, die Zeit und die nötige Kondition haben, ebenfalls ein Muss ist ein Abstecher zum ehemaligen Dorf Gruorn, an das neben der Kirche, dem Friedhof und der Mauer des einstigen Rathauses auch das Schulhaus erinnert. Dort können sich Eltern und ihre Sprösslinge für die Weiterfahrt mit Eis, Kaffee und Kuchen oder einem zünftigen Vesper stärken. Sonntags bieten Ehrenamtliche um 14.30 Uhr Führungen an, die die außergewöhnliche Geschichte des Dorfs lebendig machen. Ein besonderes Erlebnis ist für Kinder der Besuch des früheren Klassenzimmers im oberen Stock mit einem Probesitzen auf Schulbänken von anno dazumal.

Wer noch etwas lernen will, ist im Biosphärenzentrum richtig. Foto: Anke Kirsammer
Foto: Anke Kirsammer
Auch für Kinder geeignet: eine Tour über den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen. Wer noch etwas lernen will, ist im Biosphä
Foto: Anke Kirsammer

Zahlen und Fakten rund um das Biosphärenreservat

Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb hat eine Gesamtfläche von 85 000 Hektar. Beteiligt sind daran 29 Kommunen aus den drei Landkreisen Esslingen, Reutlingen und Alb-Donau. 2009 wurde das Gebiet als Biosphärenreservat der Unesco anerkannt.

Herzstück ist der ehemalige Truppenübungsplatz, der sich über 6 700 Hektar erstreckt. Durch die militärische Nutzung und weil er stets durch Schafe beweidet wurde, erhielt sich ein unzerschnittenes, einzigartiges Landschaftsbild.

Gruorn wurde 1939 zur Erweiterung des Truppenübungsplatzes geräumt. Für 169 Familien bedeutete das den Verlust ihrer Heimat.

Die drei stählernen Aussichtstürme Heroldstatt, Waldgreut und Hursch sind 20 bis 42 Meter hoch. Am imposantesten ist der Turm Hursch bei Zainingen. Zur Aussichtsplattform führen 240 Stufen.

Weil die Gemeinde Römerstein aus der Finanzierung ausgestiegen ist, und der Landkreis Reutlingen die Kosten nicht übernimmt, fährt der Rad- und Wanderbus seit diesem Jahr nicht mehr nach Zainingen, sondern samstags nur von Oberlenningen nach Schopfloch, an Sonn- und Feiertagen steuert er Westerheim und Laichingen an. Wer die etwas kompliziertere Anfahrt über die Alb oder den Aufstieg per Muskelkraft scheut, sollte deshalb zur Durchquerung des ehemaligen Truppenübungsplatzes die Räder bis zur Feldstetter Schranke aufs Auto packen. Einen Zugang gibt es auch über Zainingen. Doch ist dort anfangs eine steile Rampe zu meistern.

Die Öffnungszeiten des Biosphärenzentrums, der Einkehrmöglichkeiten und der Aussichtstürme sollten vor der Tour im Internet nachgelesen werden, um an Ruhetagen nicht vor verschlossenen Türen zu stehen.ank