Lenninger Tal

Mit jugendlicher Leichtigkeit

Geburtstag Der verschmitzte Blick von Karl Rieck lässt es gleich vermuten: Der gebürtige Donnstetter hat in 90 Lebensjahren viel erlebt und auch Schweres leicht genommen. Von Peter Dietrich

Das Geburtstagskind Karl Rieck hat in Lenningen Spuren hinterlassen und ist auch Ehrenbürger.Foto: Peter Dietrich
Das Geburtstagskind Karl Rieck hat in Lenningen Spuren hinterlassen und ist auch Ehrenbürger.Foto: Peter Dietrich

Karl Rieck lebt in der betreuten Wohnanlage in der Oberlenninger Brunnensteige in Wohnung Nummer 1. Er war auch der erste, der in das 2008 erstellte Gebäude eingezogen ist. Dort wird sein 90. Geburtstag heute beim Nachmittagskaffee mit rund 15 Leuten gefeiert, abends dann im Adler in Owen mit der ganzen Verwandtschaft. „Das sind über 40 Leute“, sagt Karl Rieck. Bürgermeister Michael Schlecht könne nicht, sein Besuch werde nachgeholt: „Ich gönne ihm seinen Urlaub.“

Begonnen hat Karl Riecks Lebensweg am 4. August 1927 in Donnstetten auf der Alb, dort wuchs er harmonisch mit vier Schwestern auf. Die Klassenbesten in der „Evangelischen Volksschule“ des Albdorfs, das war Tradition, wurden Lehrer. Das hätte auch für den schlauen Karl gegolten. Doch der Vater stellte fest, dass sein Sohn dazu in eine SS-Schule hätte müssen. „Ich lasse aus meinem Karl keinen Nazi machen“, sagte der Vater, ein Mann aus der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Also besorgte er ihm in Stuttgart eine Lehrstelle als Bankkaufmann.

„Ich wäre wirklich gerne Lehrer geworden“, sagt Karl Rieck noch heute. Der Waffen-SS entkam er später, indem er sich freiwillig auf die Unteroffizierschule meldete. Seine amerikanische Kriegsgefangenschaft dauerte nur sechs Wochen. Danach kaufte er für das Dachdeckerhandwerk ein, war Buchhalter und vertrat seinen Vater in der Geschäftsführung der Raiffeisenbank im Heimatort Donnstetten.

Dann hatte er eine Freundin aus Unterlenningen, die gab ihm den Tipp: „Du, der Scheufelen sucht jemanden.“ So begann er im März 1954 im Sekretariat der Papierfabrik. Er übernahm die Verwaltung der Heimbau-Genossenschaft Lenninger Tal und den Aufbau der Arbeitersiedlung Hochwang. Ab 1970 hat er das Lohnbüro geleitet, ab 1979 war er bis zum Ruhestand zwölf Jahre lang Personalleiter für den gewerblichen Bereich. „Ich musste den Abbau von 1 800 auf 1 200 Leute erleben“, sagt er, die meisten seien in Rente gegangen.

Karl Rieck blieb nicht nur der Firma Scheufelen 37 Jahre lang treu. Genauso lang war er evangelischer Kirchengemeinderat und 35 Jahre lang Gemeinderat - zuerst 15 Jahre lang in der Gemeinde Oberlenningen und dann 20 Jahre lang in der Gemeinde Lenningen. 24 Jahre lang gehörte er dem Kirchenbezirksausschuss des Evangelischen Kirchenbezirks Kirchheim an. Hoch geehrt wurde er deshalb von beiden Seiten, Kommune und Kirche: Er ist Ehrenbürger von Lenningen und erhielt 1997 mit seiner Frau Lore die Johannes-Brenz-Medaille der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Geheiratet hatte er seine Lore im Jahr 1955, das Paar hatte einen Sohn und zwei Töchter, leider ist Lore Riek 2003 verstorben.

Normalerweise, sagt Karl Rieck, lese er die Kontaktanzeigen im Evangelischen Gemeindeblatt ja nicht. Und doch sah er ganz zufällig die Anzeige, in der eine Dame um die 70 einen Partner mit Interesse an Natur, Kultur und Glaubensfragen zum gegenseitigen Austausch suchte. Eine Heirat war dann aus finanziellen Gründen nicht ratsam, doch das Paar ließ sich im Jahr 2005 kirchlich segnen. Leider verstarb auch Marianne Wagner vor drei Jahren. „Jetzt bin ich zweimal Witwer“, sagt Karl Rieck, aber er sagt es nicht bitter. Er hat vier Enkel, die nah in der Region leben, zwei davon sind schon erwachsen. Seinen Führschein hat er auf Anraten der Töchter zurückgegeben, aber manchmal wurmt ihn das: Es wäre auf dem Land doch geschickt, wenn man noch Auto fahren könnte.

Dem Teckboten ist Karl Rieck nicht nur als treuer Leser verbunden. „Viele Jahre lang habe ich als einziger für den Teckboten aus Hochwang berichtet“, sagt er. Und Hobbys? „Ich bin nie dazu gekommen.“ Sein Hobby war die kirchliche Jugendarbeit. Am liebsten würde er sie heute noch ausüben. Das mag körperlich nicht mehr gehen. Aber in seinem wachen Geist hat sich Karl Rieck eine jugendliche Leichtigkeit bewahrt. Sie macht ihn zum Vorbild, für Alte und Junge.