Lenningen. „Wer auf dem Land lebt und zum Arzt oder einkaufen will, kommt um ein eigenes Auto kaum herum“, so das Eingangsstatement von Werner Schulmeyer, Motor des Männerstammtischs „50 Plus“, im evangelischen Gemeindehaus in Oberlenningen. Unter der Überschrift „Verkehrspolitik und Mobilität in ländlichen Räumen“ hatte er mit verschiedenen Mitstreitern die Veranstaltung auf die Schiene gesetzt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Nürtingen Matthias Gastel sowie sein Parteifreund Andreas Schwarz, Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Kirchheim, beleuchteten den Themenkomplex aus verschiedenen Blickwinkeln. Referenten und Organisatoren waren sich einig: Die Frage sozialer Teilhabe ist an Mobilität gekoppelt.
Der öffentliche Personennahverkehr in ländlichen Bereichen dünnt aus, weil er oft nur durch den Transport von Schülern getragen ist. Nötig seien jedoch bedarfsgerechte Angebote auch für ältere Menschen. „Die Frage der Mobilität wird darüber entscheiden, ob jemand länger zu Hause wohnen kann“, sagte Werner Schulmeyer.
Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hält das vernetzte Denken zwischen Bund und Kommunen für wichtig. Der Abgeordnete monierte, dass in Sachen Klimaschutz im Verkehrsbereich bislang nichts erreicht worden sei. Auch müsse überlegt werden, wie Mobilität gewährleistet werden könne, ohne dass jährlich 3 000 bis 3 500 Menschen in Deutschland durch den Verkehr ums Leben kämen. Wie Statistiken belegen, boomt der ÖPNV, immer mehr junge Menschen machen später oder gar nicht den Führerschein. Für Gastel ein Signal, dass das Auto als Statussymbol an Wert verliert. Carsharing, das einfache Umsteigen von einem Verkehrsmittel auf ein anderes und – die digitalen Medien machen‘s möglich – die kurzfristige Planbarkeit von Routen, zeigen, dass die Mobilität im Wandel begriffen ist. Auch für den ländlichen Raum hatte Gastel Beispiele parat. So einen in der Uckermark eingesetzten Kombi-Bus, der sowohl Güter wie die Post und Lebensmittel für einen Tante-Emma-Laden transportiert als auch Fahrgäste befördert. Barrierefreiheit zu erlangen sieht der Bundestagsabgeordnete als riesige Aufgabe an. „Mobilität soll grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein“, sagte Gastel.
Für Andreas Schwarz, Vorsitzender des Arbeitskreises Infrastruktur und Verkehr, birgt Verkehr als größter Verursacher von CO2-Emissionen Möglichkeiten für technische Innovationen. Als gutes Signal wertet er den nur leichten Anstieg der Belastung auf Bundesstraßen in den vergangenen zehn Jahren. Für den Landespolitiker liegt die Priorität auf der Sanierung. Um den Lärmschutz zu gewährleisten, würden verstärkt lärmmindernde Beläge aufgebracht.
„Zu einer guten Mobilität gehört auch ein guter ÖPNV“, betonte Schwarz. Deshalb sollten alle Orte im Land mindestens im Stundentakt erreichbar sein. Als weitere Punkte nannte er unter anderem Barrierefreiheit bei allen Neufahrzeugen, ausreichend Sitzplätze, freies W-LAN und Informationen für die Fahrgäste beispielsweise über Anschlusszüge. Das A und O bei Radwegen sei eine gute Infrastruktur. „Wir brauchen Fahrradwege, auf denen man schnell, aber auch sicher unterwegs sein kann“, so der Kirchheimer Politiker.
Im Anschluss entspann sich eine rege Diskussion über Themen wie Mautgebühren, die unzureichende Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene und die schwierige Bedienbarkeit von Fahrscheinautomaten. Auf die Frage eines Besuchers sagte Andreas Schwarz, er gehe davon aus, dass es in Merklingen einen Zug-Halt geben werde. Insbesondere Einwohner aus Gutenberg und Schopfloch beklagten den mangelhaften Anschluss des ÖPNV. „Lenningen ist reif für einen Bürgerbus“, betonte ein Zuhörer. Werner Schulmeyer wartet diesbezüglich auf eine Antwort aus dem Rathaus. „Wir haben Fragebögen abgegeben. Das Ergebnis verpflichtet.“ Dass es nicht an der Förderung hapert, machte Andreas Schwarz klar, stünden doch 100 000 Euro bereit. Im Herbst 2016 gebe es erneut die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen.