Lenninger Tal

„Müssen eine Perspektive entwickeln“

Insolvenz Lenningens Bürgermeister Schlecht hofft nach wie vor auf einen Investor für die Papierfabrik Scheufelen. Bei einer Stilllegung setzt er auf ein Gesamtkonzept mit den Grundstückeigentümern. Von Anke Kirsammer

Was mit der Industriebrache im Herzen Lenningens passiert, ist völlig offen.Archivfoto: Jörg Bächle
Was mit der Industriebrache im Herzen Lenningens passiert, ist völlig offen.Archivfoto: Jörg Bächle

Noch hat Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht die Hoffnung bezüglich der Papierfabrik Scheufelen nicht ganz aufgegeben: „Die Papierproduktion in Lenningen wird der Vergangenheit angehören“, sagt er. „Ich hoffe aber, dass es mit den Verpackungen aus Graspapier weitergeht.“ Noch könne alles passieren. Wenn jemand mit Geld und einer guten Strategie komme, werde sich der Insolvenzverwalter nach wie vor nicht verweigern.

Sollte das Aus der Papierfabrik besiegelt werden, falls sich kein Investor findet, sei das dramatisch für die Mitarbeiter und ihre Familien, betont Michael Schlecht. Im Lenninger Tal gebe es keine Möglichkeit, über 300 sozialversicherungspflichtige Jobs zu finden. Bei aller Dramatik dürfe die Gemeinde jedoch nicht in einer Schockstarre verharren, sondern sie müsse nach vorne blicken. Der Bürgermeister verweist auf das 16 bis 20 Hektar große Gelände. „Wir reden hier von einem Ortsteil in einem Ortsteil.“ Diese riesige Industriebrache treibe die Gemeinde um, so Schlecht. Gespräche mit der Scheufelen Grundstücksgesellschaft mbH hat er bereits geführt. Der Kommune selbst gehört auf dem Gelände kein einziger Quadratmeter. Gebe es für die Papierfabrik keine Zukunft, hielte es der Rathauschef für notwendig, gemeinsam mit den Eigentümern ein Gesamtkonzept zu erarbeiten und zu überlegen, was sich auf der Fläche ansiedeln ließe. Schlecht gibt zu bedenken, dass sich Lenningen aufgrund der Topografie und der umgebenden Schutzgebiete nicht nach außen entwickeln kann. Vier Schlagworte fallen ihm für eine mögliche Nachfolgenutzung des Areals der Papierfabrik ein: Industrie, Gewerbe, Wohnen und Freizeit. Dazu müsse man auch die Politik ins Boot holen. Erste Gespräche mit Andreas Schwarz, dem Fraktionschef der Grünen im baden-württembergischen Landtag, haben dazu schon stattgefunden. Ein Thema sind auch die Industriedenkmäler der Papierfabrik: Dazu gehören nicht nur das Verwaltungsgebäude und die Front der Produktionshalle, die die altehrwürdige Papiermaschine aus dem beginnenden 20. Jahrhundert beherbergt, sondern auch die ehemalige Gärtnerei und die alte Mühle an der Hofstraße. „Man muss sich fragen, wie geht man damit um?“, so Schlecht.

Parallel zum Wegfall von gut 600 Arbeitsplätzen bei der Papierfabrik Scheufelen seit der Jahrtausendwende ist auch die Einwohnerzahl Lenningens von damals 8 800 auf jetzt 8 250 gesunken. Dass die Gemeinde durch den Wegfall weiterer 300 Arbeitsplätze erneut schrumpft, befürchtet der Rathauschef nicht. Der Druck auf den Wohnungsmarkt habe talabwärts inzwischen stark zugenommen. Auch wenn viele vor Ort keine neue Arbeitsstelle fänden, seien sie froh, in Lenningen eine bezahlbare Wohnung zu haben.

Gibt es keine Rechtsnachfolge für die Papierfabrik, wirkt sich das unter Umständen auf den Wasserpreis aus. Denn laut einem seit Jahrzehnten bestehenden Vertrag ist mit der Landeswasserversorgung geregelt, dass die Gemeinde Lenningen eine bestimmte Wassermenge abnimmt. „Die brauchen wir aber gar nicht mehr“, so Michael Schlecht. Er geht nicht davon aus, dass sich auf der Industriebrache eine Firma mit 500 Mitarbeitern niederlässt. Für sinnvoller hält er auch einen Branchenmix aus kleinen Handwerksbetrieben, Start-ups und Mittelständlern, die unterschiedliche Grundstücksgrößen benötigen.