Lenninger Tal

„Ob Beatles oder Oper – Ich höre alles“

Interview Josef Führinger übergibt nach 40 Jahren die Leitung der Lenninger Musikschule in andere Hände. Er leitet weiterhin Chöre und Ensembles. Von Anke Kirsammer

Gitarre und Posaune sind die beiden instrumente, die Josef Führinger in seiner Ausbildung zum Grund- und Hauptschullehrer studie
Gitarre und Posaune sind die beiden instrumente, die Josef Führinger in seiner Ausbildung zum Grund- und Hauptschullehrer studiert hat. Zahlreichen Schülern hat er in seiner Laufbahn die Freude am Musizieren nähergebracht.Foto: Carsten Riedl

Der Name Josef Führingers ist untrennbar mit der Musikschule Lenningen verbunden. Seit der Gründung der Institution im Jahr 1976 war er ununterbrochen musikalischer Leiter des Vereins. Zum Ende des Monats legt der 69-jährige Lehrer das Amt nieder.

Wie kam es 1976 zur Gründung der Lenninger Musikschule?

Josef Führinger: Seit Anfang der 70er-Jahre gehörte die Grundschule Oberlenningen zu vier Schulen in Baden-Württemberg, die an einem Musikversuch teilnehmen durften. Die Kinder hatten drei Stunden Musik in der Woche, eine Stunde davon Flöten. 1972 wurde ich deshalb – mit größerem Tauziehen hinter den Kulissen – als Musiklehrer von Wiesensteig nach Oberlenningen geholt. Untersucht werden sollte, wie sich Musik auf das Lernen auswirkt. 1976 lief der Versuch aus, weil dem Kultusministerium das Geld fehlte. Das war die Initialzündung für die Gründung der Lenninger Musikschule.

Wie sah es mit dem Rückhalt in der Bevölkerung aus?

Führinger: Gut! Zum Start damals wurden insgesamt 238 Kinder angemeldet.

Mit wie vielen Ersten Vorsitzenden haben Sie in den vier Jahrzehnten denn zusammengearbeitet?

Mit vier. Wir waren immer eine gute Truppe. Inzwischen gestaltet sich die Suche nach Ehrenamtlichen leider schwieriger. Mit Winfried Sigwarth und Andreas Scheu haben wir glücklicherweise wieder zwei Leute für den Ersten und Zweiten Vorsitzenden gefunden. Leiter der Musikschule ist nun Reiner Leu.

Inwiefern hat sich die Verwaltung der Musikschule gewandelt?

(Lacht): Anfangs war mein Arbeitszimmer zu Hause die Geschäftsstelle. Anfragen zu Lehrkräften oder zur Wahl des richtigen Instruments liefen alle bei uns auf. Nicht selten saß meine Frau als ‚Privatsekretärin‘ den halben Vormittag am Telefon, während ich in der Schule unterrichtet habe. Heute laufen solche Dinge über unsere Geschäftsstelle im Haus der Musik in Brucken.

Gab es denn eine „Mode der Instrumente“?

Zu Beginn wurde der Unterricht an der Heimorgel viel nachgefragt. Das brachte einen Trend zum Klavier und später zum Keyboard mit sich. In den 90er-Jahren boomte die Querflöte und seit einigen Jahren haben das Schlagzeug und Percussion-Instrumente viele Anhänger – vor allem Jungs. Die wollen oft nicht Flöte spielen. Die Gitarre ist eines der Instrumente, die durchgängig nachgefragt werden, inzwischen allerdings weniger die Konzertgitarre. Die meisten wollen schnell Akkorde und Rhythmen lernen, um aktuelle Lieder spielen zu können.

Eine Besonderheit sind Kooperationen der Musikschule mit den Vereinen in der Gemeinde...

Mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Musikvereins Gutenberg, Reinhard Pulvers, habe ich Fortbildungen für Musiklehrer geleitet. Aus der Zusammenarbeit entstand die Idee für Kooperationen mit den Musikvereinen von Gutenberg, Ober- und Unterlenningen. Die Musikschule stellt die Lehrer, die Vereine schicken ihre Schüler zur Ausbildung. Im Bereich Saxofon und Klarinette läuft dieses Konzept nach wie vor.

...und wie sieht die Zusammenarbeit mit den Schulen aus?

Die lief immer gut, vor allem weil viele Lehrer wie ich sowohl an der Musikschule als auch an der Oberlenninger Grund- und Werkrealschule unterrichtet haben. Entstanden sind verschiedene Konzepte. Schon seit elf Jahren gibt es an der Haupt- beziehungsweise Werkrealschule das Projekt ‚Musik ist Klasse‘. Alle Fünft- und Sechstklässler lernen dort Gitarre. Das Angebot haben wir erweitert auf Blasinstrumente. Unter der Überschrift ‚Musik erster Klasse‘ bieten wir an den Grundschulen in Ober- und Unterlenningen Erstklässlern an, unterschiedliche Instrumente kennenzulernen. Im Wettbewerb ‚Kinder zum Olymp‘, der von der Kulturstiftung der Länder ausgeschrieben war, haben wir für die Kooperation vor fünf Jahren einen guten Platz belegt.

Wie kamen Sie selbst zur Musik?

Als junger Kerl habe ich Gitarre und Flöte gelernt. Später am Aufbaugymnasium in Schwäbisch Gmünd kam die Posaune dazu. Dort hatte ich einen tollen Lehrer. Beide Instrumente habe ich in meiner Ausbildung zum Grund- und Hauptschullehrer studiert. Andere Blechblasinstrumente wie Trompete und Horn habe ich mir autodidaktisch beigebracht.

Welche Rolle spielt Musik in Ihrer Familie?

Musik gehörte bei uns und unseren Kindern immer zum Alltag. Wir haben höchstens darüber diskutiert, welches Stück wir spielen sollen. Eine Zeit lang haben wir jeden Samstag als Quartett in der Kirche auf Hochzeiten im ganzen Landkreis und auf der Alb gespielt. Etwas Besonderes war unser Auftritt mit Gemshörnern auf der Teck.

Wissen Sie, wie viele Instrumente in Ihrem Haus versammelt sind?

Sehr viele. Gezählt habe ich sie nie. Ein Junge, der bei uns zu Besuch war, hat die vielen Instrumente gesehen und gemeint: ‚Ihr müsst mal sehr viel Geld gehabt haben.‘

Neben Ihrer Tätigkeit als Lehrer an der Werkrealschule haben Sie viel an der Musikschule unterrichtet, Chöre und Ensembles geleitet. Geben Sie uns einen kleinen Einblick?

Im Musikverein Unterlenningen habe ich die Jugendkapelle und später die Stammkapelle dirigiert, außerdem den Liederkranz Oberlenningen, den katholischen Kirchenchor und den Martinuschor an der evangelischen Kirche. Aktuell leite ich noch den Frauenchor Cantica Nova, die Lauter-Sänger und eine Gruppe mit Alphornbläsern.

Welche Highlights sind Ihnen aus den 40 Jahren als Musikschulleiter in Erinnerung?

Das waren gemeinsame Konzerte mit der Schule aus dem sächsischen Merschwitz, zahlreiche Begegnungen mit unserer Partnergemeinde Pouilly en Auxois in Burgund und Auftritte von Gastchören oder -orchestern bei unseren verschiedenen Jubiläen. Ich denke an das Konzert des Lehrersynfonieorchesters des Oberschulamts Stuttgart zu unserem 15-jährigen Bestehen, aber auch an einen Ausflug nach Maulbronn mit dem Besuch eines Konzerts von Ludwig Güttler.

Es wird immer schwieriger, Kinder an die Musikschule zu binden. Wie erklären Sie sich das?

Nach wie vor gibt es viele Kinder, die gerne üben und richtig gut sind. Die Medien und das G8 sind aber sicher ein Grund dafür, dass es nicht leicht ist, sie bei der Stange zu halten. Viele Kinder, die die Musikschule besuchen, kommen aus dem gymnasialen Bereich. Und da bleibt bei drei oder gar vier Mal Nachmittagsunterricht nicht mehr viel Zeit für Hobbys. Und wenn, dann steht häufig der Sport im Vordergrund.

Wie lassen sich Kinder denn für Musik begeistern?

Indem man mit ihnen beispielsweise Konzerte besucht. Manchmal springt der Funke auch durch einen Lehrer über oder ein Kind verliebt sich in ein Instrument. Ganz wichtig ist der Rückhalt in den Familien. Dazu gehört auch, Kinder zum Üben zu animieren.

Was hat sich im Musikschulunterricht gewandelt?

Popmusik nimmt einen viel größeren Stellenwert ein als früher. Über Youtube hören sich die Kinder oft Musik an, die sie dann selbst spielen wollen. Dann bleiben sie eher dabei. Allerdings setzt das ein gewisses Können am Instrument voraus.

Wie lautet Ihr Fazit nach 40 Jahren Musikschule?

Es war eine tolle Zeit mit der Musikschule. Die Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden und den Lehrern war immer klasse. Jetzt ist es Zeit aufzuhören und die Arbeit in andere Hände zu übergeben.

Welche Musik hören Sie denn am liebsten?

Querbeet alles. Meine Frau und ich gehen oft in die Oper. Sehr gerne höre ich aber auch die Beatles. Das ist Musik aus meiner Zeit.

Der Musiker Bob Dylan wurde dieses Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Wie geht es Ihnen damit?

Der Preis ist absolut gerechtfertigt. Dylan hat Literatur und Themen, die eine Generation bewegt haben, in Lieder gegossen. Er war ein Wegbereiter der Popmusik. Seine Songs haben auch mich begleitet. Und was könnte jetzt besser passen, als der Titel des Lieds „The Times They are A-Changin“?