Lenninger Tal

Per Smartgate geht‘s auf die Weide

Landwirtschaft Der Sulzburghof in Unterlenningen setzt bei seiner Fleckviehhaltung mehr und mehr auf Digitalisierung. Von Anke Kirsammer

Auf dem Sulzburghof in Unterlenningen herrscht ein reges Kommen und Gehen. Seit zwei Monaten können die Kühe durch ein Weidetor
Auf dem Sulzburghof in Unterlenningen herrscht ein reges Kommen und Gehen. Seit zwei Monaten können die Kühe durch ein Weidetor selbstständig raus ins Grüne oder in den Stall. Foto: Carsten Riedl

Melken, ausmisten, Futter auslegen, all das hat früher auch mit wenigen Kühen zweimal am Tag eine ganze Familie auf Trab gehalten. Die Vierbeiner auch noch auf die Weide zu lassen und sie abends wieder in den Stall zu treiben, daran war erst recht nicht zu denken. Dank moderner Technik ist das heute anders. „Wenn es sein muss, kann ich meinen Stall auch allein machen“, sagt Michael Kuch. Der Landwirt des Unterlenninger Sulzburghofs hat gut 80 Kühe. Gemolken werden davon zurzeit 70. Dazu begeben sie sich selbstständig in den ­Melkstand. Angelockt werden sie durch schmackhaftes Futter.

Schon vier Jahre lang vertraut Michael Kuch auf die digital gesteuerte Melkmaschine. Seit rund zwei Monaten hat auf dem Hof ein weiteres Smartgate Einzug gehalten: Ein Weidetor, durch das die Kühe per Eigenantrieb hinaus ins Grüne, beziehungsweise zurück in den Stall laufen können. „Wir sind der einzige Hof im Landkreis Esslingen, der so ein Weidetor besitzt“, sagt Michael Kuch und spricht von einer Herzenssache. „Es ist schön, sie draußen stehen zu sehen“, sagt er. Mit dem Tor schlägt er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die Hanglage mit den vielen Obstbäumen hinter dem Hof ist maschinell schwer zu bearbeiten, den Kühen hingegen tut die Bewegung auf der gut zwei Hektar großen „Joggingweide“ gut. Nicht selten hatten Besucher bei Hofführungen außerdem gefragt, warum die Kühe nicht raus dürfen.

Der Landwirt, dessen Hof stark auf Direktvermarktung setzt, erhofft sich nun, dass die Verbraucher den Aufwand für das Tierwohl honorieren. Denn billig ist die Anschaffung nicht. 10 000 Euro hat sich der Landwirt die Investition kosten lassen. Zusätzlich musste eine Treppe angelegt werden, damit die Tiere bei schlechtem Wetter wie an diesem Tag, an dem es in Strömen regnet, nicht im Morast versinken. Die Kühe fressen beim Grasen auf der Weide gesünderes Futter, durch das die Milch einen höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren enthält. Das vergütet die Genossenschaft, an die der Sulzburghof die Milch überwiegend liefert, jedoch nicht extra. Momentan gibt es 31 Cent pro Liter Milch. „Selbst ein Cent mehr täte uns gut“, sagt Michael Kuch. Corona belastet auch die Landwirte. Weil teils geschlossene Grenzen die Ausfuhr drosseln, gibt es derzeit in Deutschland eine Überproduktion von Milch in Höhe von zwei bis drei Prozent. Das schlägt sich auf den Preis nieder. Vor Corona lag er bei 34 Cent. „Ich hatte Sorge, dass die Kühe von der Weide nicht mehr zum Melken kommen. Aber das ist völlig unbegründet“, sagt der 37-Jährige. Wie bislang geht jede Kuh im Schnitt gut zweimal pro Tag in den Melkstand.

Durcheinandergewirbelt ist dagegen neuerdings etwas ganz anderes: Ruft Michael Kuch auf seinem Smartphone beziehungsweise Bildschirm die „Fieberkurve“ der Brunstsymptome jeder einzelnen Kuh ab, zeigt sie deutlich mehr hohe Zacken als früher. Vor der Weidehaltung gab es regelmäßig nur alle drei Wochen größere Ausschläge, weil sich die Kuh während der Brunst mehr bewegte als sonst. Das ist jetzt anders: „Sind die Kühe draußen, geht der Schwanz rauf und sie gehen richtig ab“, sagt Michael Kuch lachend. Wie oft eine Kuh das Weidetor passiert, wie oft sie im Melkstand steht, wie viel Milch sie gibt - all das wird über den Chip am Halsband an den Rechner des Landwirts übermittelt. „26 haben im Moment Melkrecht“, erklärt er beim Blick auf ein Tortendiagramm. „Das heißt, sie waren über sieben Stunden nicht beim Melken.“ Wollten sie ins Grüne, bliebe für sie das Tor nach draußen momentan verschlossen, es sei denn, sie zwängen sich direkt hinter einer anderen Kuh nach draußen und überlisten so die Technik - auch das kommt mitunter vor.

Schon bisher hatten Tilda, Chikoree, Bambi, Lotti, Sunshine, Bailey und all die anderen Kühe im Stall Auslauf. Keine Kuh ist auf dem Sulzburghof angebunden. „Am liebsten gehen sie morgens und abends raus“, hat Michael Kuch beobachtet. Unter Kirsch-, Birn-, Apfel- und Nussbäumen finden sie bei wärmeren Temperaturen wohltuenden Schatten. Wenn es richtig heiß ist, bleiben sie aber lieber im Stall bei den laufenden Ventilatoren.