Lenninger Tal

QR-Code und Rekonstruktion erwecken Kelten zum Leben

Geschichte Im Heidengraben wurde das berühmte Zangentor restauriert. Hier ist der Blick in die Vergangenheit möglich. Von Harald Flößer​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​

Am Ortseingang von Erkenbrechtsweiler: Die sogenannten Pfosten-Schlitz-Mauern des keltischen Zangentors wurden umfangreich restauriert. Foto: Horst Rudel

Wer schon durch archäologische Ausgrabungen spaziert ist, kennt das Problem: Nur noch Steinreste sind zu sehen, manchmal sogar noch ein paar Mauern. Doch sie reichen nicht aus, um sich vorstellen zu können, wie die Anlage früher einmal ausgesehen haben muss und wie die Menschen damals lebten. Moderne Medien schaffen Abhilfe, jetzt auch beim Heidengraben auf der Albfläche, einem Kulturgut von europäischem Rang. Wer dort am Ortsrand von Erkenbrechtsweiler vorbeikommt, kann sich auf seinem Handy per QR-Code zwei
 

Von anderen Anlagen wissen wir, dass die bis zu zwölf Meter hoch waren.
Jörg Bofinger
Archäologe

 

Videos herunterladen. Eines präsentiert mit beeindruckenden Rundumblicken die Dimension der größten spätkeltischen Stadtanlage, die je auf dem europäischen Festland entdeckt wurde. Das andere Kurzvideo ist dem in den 1980er-Jahren teilweise rekonstruierten sogenannten Zangentor G gewidmet. 

Die animierten Videos zeigen, wie der Heidengraben und im Speziellen das Zangentor ausgesehen haben könnten. Zu finden ist der notwendige QR-Code nicht nur an der Erklärtafel direkt vor dem Zangentor, sondern auch an zwei Info-Pfosten, die der Förderverein für Archäologie, Kultur und Tourismus (Fakt) ganz in der Nähe eingeschlagen hat.

Entwickler des digitalen Führers ist Dieter Hagmann, Inhaber der Firma 3-D-Museum. Die Kelten sind sein Spezialthema. Auch an anderen Stellen hat Hagmann digitale Rekonstruktionen entwickelt. Seine Videos zeigen, wie die Toranlage, der Vorplatz und die Umgebung vor mehr als 2000 Jahren ausgesehen haben könnten. Große Wälder habe es damals vermutlich nicht gegeben, erklärt Hagmann. Denn das Holz habe man für viele Zwecke gebraucht. Deswegen sei von einer freien Sicht auf die Umgebung auszugehen. Gestartet werden die Videos mit dem QR-Code. Eine eigenständige App zum Download ist das nicht, sondern eine Webpräsentation, die sich Interessierte leicht auf einem Smartphone anschauen können.

Die Forschung über die Kelten geht weiter. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, lässt sich die Präsentation schnell aktualisieren, sagt Hagmann. Eine 1:1-Rekonstruktion des Torgebäudes auf dem Originalbefund sei aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Die digitale Technik hilft aber, einen Gesamteindruck zu vermitteln, ohne dass in den Befund weiter eingegriffen wird.

Die Archäologen loben die Arbeit

„Eines der Aushängeschilder des Heidengrabens ist eben das Zangentor G“, sagt Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalschutz. Dank des Engagements des Vereins Fakt und der Hilfe von Sponsoren konnte des Zangentor nach 15 Jahren wieder restauriert werden. „Behutsam und professionell“, wie Bofinger bei der Vorstellung des Projekts betonte. Er sei glücklich mit dem Ergebnis, sagte der Wissenschaftler, der im Landesdenkmalamt das Referat für operative Archäologie leitet. Wind und Wetter hatten der Anlage in den vergangenen Jahren arg zugesetzt.

Weil sie mindestens 50 Jahre haltbar sind, hat man sich diesmal für Pfosten aus Robinien entschieden, erklärt Fakt-Vorsitzender Peter Heiden. Damit das Holz länger haltbar bleibt, hat man die Pfosten über Metallstangen im Mauerwerk verankert. Archäologe Bofinger ist auch deshalb froh über diese Lösung, weil damit die alten Kerbespuren im Boden erhalten blieben. Für den Torbereich wurde Eichenholz verwendet. Die Pfosten-Schlitz-Mauern, wie Wissenschaftler sie nennen, sind charakteristisch für spätkeltische Befestigungsanlagen, sagt Bofinger. Die Bezeichnung Zangentor kommt daher, dass mit diesem Teil der Anlage Feinde regelrecht in die Zange genommen wurden.

Peter Heiden ist zufrieden, dass sich nicht nur Firmen als Sponsoren finden ließen, sondern auch der Deutsche Verband für Archäologie Fördermittel bewilligt hat. Für die Restaurierung gab er 14000 Euro, für das digitale Vermittlungskonzept nochmals 9000 Euro. Verein und Sponsoren brachten weitere 13 000 Euro für beide Projekte auf. Auch die Gemeinde Erkenbrechtsweiler wirkte tatkräftig mit. Der Heidengraben ist schließlich das touristische Aushängeschild der Kommune.

Torgebäude als Machtsymbol

Über dem Eingangstor befand sich laut den Wissenschaftlern ein repräsentatives Torgebäude. „Von anderen Anlagen wissen wir, dass die bis zu zwölf Meter hoch waren“, erklärt Bofinger. Diese waren ein Ausdruck von Macht. Insgesamt gehe man von sieben Toren aus, die einen Zugang zu der knapp 18 Quadratkilometer großen Fläche des Heidengrabens verschafften.

Primärschriften über das Leben in den keltischen Siedlungen gibt es nach Aussage des Archäologen nicht. Sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse über die Kelten habe man aus Schriften der Römer und der Griechen, die sich über ihre Handelspartner ausließen. Doch seien diese mit Vorsicht zu genießen, „weil sie oft einen propagandistischen Charakter haben“.

Kulturgut von europäischem Rang

Etwa 10 000 Menschen sollen im Heidengraben gelebt haben, vermuten Archäologen. Das spätkeltische Oppidum liegt auf einer der Schwäbischen Alb vorgelagerten Berghalbinsel. Während seiner Blütezeit um 100 vor Christus war es die bisher größte bekannte befestigte Siedlung im prähistorischen Europa.

Ein Teil des Unesco-Biosphärengebiets Schwäbische Alb und des Unesco-Geoparks soll das Oppidum Heidengraben werden, das sich im Dreieck zwischen den Kommunen Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben befand. Der Grund ist, dass es als Kulturdenkmal von europäischem Rang gilt.

Im Sommer wurde ein sechs Kilometer langer Kelten-Erlebnis-Pfad eröffnet, der mit einer multimedialen App anhand von neun Informations- und Mitmachstationen Einblicke in das spätkeltische Oppidum Heidengraben gewährt. Der Erlebnis-Pfad ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geöffnet. hf

...