Lenninger Tal

Schon hört man die Raben krächzen

Im Schlössle in Oberlenningen motivieren Martin Raubenheimers Grafik-Collagen zum Lesen des Jugendbuchs „Krabat“

Martin Raubenheimers Grafik-Collagen und Szenenbilder sind noch bis Samstag, 11. Juli, in der Gemeindebücherei Lenningen zu sehe
Martin Raubenheimers Grafik-Collagen und Szenenbilder sind noch bis Samstag, 11. Juli, in der Gemeindebücherei Lenningen zu sehen.Foto: Markus Brändli

Lenningen. Lesen bildet und inspiriert zu Bildern. Zur „Krabat“-Lesung mit Bildern des Stuttgarter Grafik-Designers Martin Raubenheimer

hatten die Lenninger Bücherei und der Förderkreis ins Schlössle eingeladen. Die Veranstalter fördern die Lesekultur mit Bilderbuchkino als Start ins Leseland, mit Lesenächten, Lesewettbewerben, literarischen Abenden und Buchvorstellungen. So konnte Lenningens Bibliothekarin Ev Dörsam viele Literatur- und Kunstfreunde bei der Vernissage begrüßen.

Die wahrhaft erlesenen „Krabat“-Bilder sind eine neue Interpretation von Otfried Preußlers preisgekröntem und vielfach übersetztem Jugendbuchklassiker. Raubenheimer entwickelte aus einer Sammlung alter Stiche und Radierungen mit Scanner und Computer die surrealistischen Szenenbilder und Grafik-Collagen. Sie zeigen mit raffinierter Montagetechnik den Zwiespalt „aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken“, schrieb einst Preußler über sein Meisterstück.

Der elternlose Krabat und zwei wendische Betteljungen zogen als die heiligen Könige in der Gegend von Hoyerswerda von Dorf zu Dorf. Preußler erzählt die sorbische Volkssage und schickt seine Leser mitten in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und mit einem Zeitsprung an den Hof August des Starken: In solchen Geschichten erschließt sich Geschichte.

Ev Dörsam und Bernd Löffler führen mit szenischer Lesung in das Geschehen von Magie und Macht. Preußlers Sprache ist einfach, bildkräftig, bewegend. Sie dringt in das dunkle Geheimnis der Mühle „ein mächtiges, böses Tier, das auf Beute lauert“; diese Sprache forderte die Fantasie des Künstlers heraus. Schon hört man die Raben krächzen. Schon schwingen die Verflechtungen von Macht, Abhängigkeit und Sehnsucht nach Liebe und Weite zwischen den Zeilen, lassen die Bilder in Schwarz-Grau und dumpfen Farben erahnen.Krabat findet Unterschlupf beim Meister der Schwarzkollm-Mühle. „Was soll ich dich lehren, das Müllern – oder auch alles andere?“ Bald ist der Waisenjunge im Bann der schwarzen Künste. Die Müllerburschen verwandeln sich in lernwillige Raben, wenn sie zur Zauberlehrstunde kommen. Raubenheimers Collagen zeigen mehrschichtig, zuweilen skurril seine bildnerischen Interpretationen von Traum, Magie und Verlockung.

Krabats Freund Tonda, der Altgeselle, stirbt auf mysteriöse Weise in der Silvesternacht, und ein neuer Lehrjunge kommt. Im Jahr darauf ereignet sich das Gleiche in dieser Tretmühle. Die Wandlung vom Zauberlehrling Krabat zum Zauderer, Zweifler findet in Raubenheimers Blättern ihren grafischen Niederschlag. Aus dunklem Untergrund erhellen sich stufenweise die Durch-, Fern- und Lichtblicke von Krabats Abhängigkeit, Unruhe und seinem Entschluss, den Meister zu überlisten. Krabat durchschaut den Pakt des Meisters. Trefflich ist der „Herr Gevatter“ beschrieben „in schwarzem Mantel und Dreispitz, bleich im Gesicht, wie mit Kalk bestrichen“. Diesem muss der Müller jedes Jahr einen Schüler opfern, ansonsten stirbt er selbst. Krabat will die Bannmeile der Mühle durchbrechen. Die Liebe zu Kantorka, der Sängerin in den Osternächten, gibt ihm Kraft: „Für ihn gab es nur die Kantorka jetzt, ihre Stimme – wie ihre Augen geleuchtet hatten im Schein der Osterkerze“. Krabat weiß um sein Schicksal in der kommenden Silvesternacht. Doch das Mädchen kann ihn freibitten, ihn unter den Zwölfen mit verbundenen Augen finden: Krabat hat keine Angst um sich, sondern um sie, und so erkennt sie ihn. Alle sind frei, der Meister stirbt, die Mühle brennt lichterloh.

Goethes Faust lässt sich in der Osternacht durch Glockengeläut vom tödlichen Trank abhalten. Der sorbische Faust jedoch wird durch die österlichen Gesänge der Kantorka und ihre unbedingte Liebe gerettet. Die okkultistischen Mächte verblassen auf Raubenheimers letztem Szenenbild. Die Mädchengestalt triumphiert über dem Gefieder der Raben.

Die Lenninger Ausstellung „Krabat“ will die Leselust wecken. Rau­benheimer hat aus seinen Blättern ein großformatiges Künstlerbuch gestaltet, das in der Bibliothek aufliegt. Weitere Bilder des Künstlers mit mythologischen Themen sind zu sehen.

Die Ausstellung „Krabat“ ist bis Samstag, 11. Juli, in den Räumen der Gemeindebücherei Lenningen zu sehen. Die Öffnungszeiten sind dienstags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 15 bis 18 Uhr, donnerstags von 15 bis 19.30 Uhr, freitags von 14 bis 18 Uhr und samstags von 14 bis 18 Uhr.