Lenningen. Fast zwölf Monate im Jahr gibt es Vogelzug, am Himmel ist viel los. Schon Anfang April trudelten die ersten Ankömmlinge ein. Durch die Kälte Ende April hat sich aber auf der Strecke von Südafrika bis nach Deutschland ein Zugvogel-Stau gebildet.
Wenn in den Wintergebieten der Zugvögel, unterhalb der Sahara beim Äquator oder in Südafrika, die Tage immer länger werden, ist das ein Zeichen. Die Vögel merken, dass die Sonne immer höher steht und der Regen ganz ausbleibt. Es wird also Zeit, schnell ins Brutgebiet zu fliegen.
Die Schwalben verbringen den Winter in Südafrika. Sobald die Sonne immer mehr Richtung Norden wandert, endet die Regenzeit und gibt so den Zugvögeln das Startsignal zur Abreise. Wo Sommer ist, ist auch Regenzeit. In Deutschland fällt das kaum auf, aber auch hier fällt im Sommer am meisten Regen. So starten die Schwalben im Februar ihren beschwerlichen Weg Richtung Deutschland. Sie fliegen über den Äquator, vor sich die Wüste Sahara, ohne Nahrung und Wasser. Weiter im Norden ist immer noch Winter.
Das Erbgut der Vögel bestimmt den Reise-Rhythmus, und so fliegen die Schwalben erst mal bis unterhalb der Sahara. In Westafrika, das nahezu auf demselben Längengrad wie Deutschland liegt, verbringen sie die Wartezeit, bis sich der Winter aus Europa zurückgezogen hat, in den Tropenwäldern. Diese sind feucht, und der dortige Regen kündigt den Vögeln ein Festmahl an. Genau richtig zur langen Rast beginnt die Hochzeit der Insekten. Die Vögel haben viel Zeit und freuen sich über den reich gedeckten Tisch. Bis zum doppelten Körpergewicht fressen sich die Vögel satt, und dann ist es so weit: Die Sahara steht zum Überflug an.
Etliche Jahre, erklärt Vogelexperte Dr. Wulf Gatter auf Anfrage, ging man davon aus, dass die Vögel die 1 200 Kilometer in einem Stück durchfliegen, und dies sind immerhin 48 bis 60 Stunden. In den letzten Jahren stattete man Vögel mit Sendern aus, und diese schicken entsprechende Signale während der großen Reise. Seither weiß man: Die Vögel machen in der Wüste Rast. „Sie suchen sich eine Oase oder Bäume, die Schatten geben und ruhen da ein paar Stunden, bevor es weiter Richtung Norden geht“, weiß Gatter.
Weiter wurde beobachtet, dass die Vögel nicht den direkten Weg über die Sahara wählen, wenn die Winde schlecht sind; sie nehmen einen anstrengenden, 3 000 Kilometer langen Diagonalflug in Kauf, um das Überleben zu sichern. Der Gegenwind wäre tödlich für die Vögel.
Durch die anhaltende Kälte in Deutschland seien wohl, so vermutet Wulf Gatter, einige Vögel wieder zurück in wärmere Gefilde geflogen. Mit der zunehmenden Wärme lassen sich die Vögel durch den Nordostwind Richtung Europa tragen, und so könne man zum Teil große Vogelschwärme beobachten.
Nicht alle Vögel nutzen die Sicherheit des Schwarms. Nachtzieher, zum Beispiel die Grasmücken, sind meist einzeln unterwegs. Der Vorteil der Single-Flieger ist, dass Futter nicht geteilt werden muss. Die größeren Vögel fliegen meist in Schwärmen oder Verbänden und machen sich die Luftverwirbelungen der Flügelschläge ihres „Vordermannes“ zunutze. So sparen sie im Formationsflug sehr viel Energie. Bei Tage sieht es wieder etwas anders aus: Da sind die meisten Vögel in Schwärmen unterwegs und genießen so den Schutz der Vielzahl. Raubvögel fliegen nicht in die Schwärme rein, sondern versuchen, einzelne Vögel abzudrängen. Wie bei einer Pauschalreise fliegen die Vögel ihre Schlafplätze gezielt an. Dort gibt es Wasser und Futter. Die bald ankommenden Vögel brauchen keine Futterstationen in privaten Gärten. „Raus gehen, Feldstecher mitnehmen und die Vögel bei ihrer Ankunft in der Natur beobachten“, rät Wulf Gatter. Die vielen Seen in der Region seien beliebte Aufenthalts- und Brut-Ziele.
Foto: Wulf Gatter