Lenninger Tal

Strichmännchen brauchen keinen Abstand

Kultursommer Der Lenninger Künstler Rainer Hoffelner hat sein Atelier während des Einkaufsabends in ein Schaufenster verlagert und dort live gemalt. Von Thomas Krytzner

Zahlreiche Passanten schauten dem Künstler interessiert über die Schulter. Entstanden ist ein „Männle“-Netz-Werk. Fotos: Thomas
Zahlreiche Passanten schauten dem Künstler interessiert über die Schulter. Entstanden ist ein „Männle“-Netz-Werk. Fotos: Thomas Krytzner
Strichmännchen sind sein Erkennungszeichen: Rainer Hoffelner malte während der Einkaufsnacht im Schaufenster von "Eck - Mode am
Strichmännchen sind sein Erkennungszeichen: Rainer Hoffelner malte während der Einkaufsnacht im Schaufenster von "Eck - Mode am Markt".

Normalerweise hätte der Lenninger Maler Rainer Hoffelner zum Ende der Sommerferien Workshops in Fulda und Moskau abgehalten. Doch zu Corona-Zeiten ist auch das anders. „Europaweit wurde alles abgesagt“, seufzt der Künstler. Die Live-Mal-Aktion war eigentlich gar nicht geplant gewesen. Und fast wäre auch die Ausstellung von 50 Bildern in den Schaufenstern der Kirchheimer Innenstadt ausgefallen. „Wegen der Krawallnacht im Juni in Stuttgart wollten die Versicherer keinen Schutz für die Bilder gewährleisten“, sagt der Künstler. Dass er am Freitag im Modegeschäft „Eck - Mode am Markt“ malen konnte, hat er dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich zu verdanken. „Durch ihn habe ich Michael Holz kennengelernt und so kam die Aktion mit der Schaufenstermalerei ins Rollen.“

Hoffelners Bilder waren schon in namhaften Galerien in Dortmund, Hamburg, Stuttgart oder dauerhaft in Reudern zu sehen und sie haben alle etwas gemeinsam: Strichmännchen. „Die Tuschemännchen sind meine Handschrift“, erklärt der Maler. Die „Männle“ aus schwarzer Tinte haben ihren Ursprung in seinem Studium. „Dort ging es darum, während mehrerer Tage ein eigenes Logo zu entwickeln. Ich nahm Leonardo da Vincis Bild „Vitruvianischer Mensch“ als Vorlage und malte ein Strichmännchen.“ Diese Einfachheit der Malerei fand damals so viel Anklang, dass Rainer Hoffelner eine erste kleine Serie malte und im Jahr 2005 sogar im Brockhaus erwähnt wurde. Seit dieser Zeit erscheinen die Tuschemännchen fast auf jedem Bild. „Im Grunde könnte ich auf die Unterschrift verzichten.“ Und die Kunden verlangen nach den Strichmännchen: „Oft werde ich in Wohnungen eingeladen, um eine Wand, an der bereits ein Gemälde hängt, mit schwarzen Strichen zum Gesamtkunstwerk zu verwandeln.“

Rainer Hoffelner hat keine normalen Arbeitszeiten. „Manchmal male ich mehrere Nächte durch, dann wiederum rühre ich 14 Tage keinen Pinsel an.“ Kommt in der Ruhephase Langeweile auf, wird er unleidig. „Die Malerei ist nicht nur für mich eine Herausforderung, sondern auch für die Umgebung.“ Obwohl der Künstler auch Auftragswerke anfertigt und sich dabei mit Portraits von Johnny Depp oder der Queen Elizabeth auseinandersetzt, liegen ihm die Strichmännchen am Herzen. „Ich male sie am liebsten, wenn sie hochspringen.“

Fertig, und doch unfertig

Sein jüngstes Werk nennt er „Versponnen“. Auf dem Bild sind lauter verschiedene Tuschemännchen, die sich berühren und dabei vernetzen - ganz ohne Abstand. „Ich war eigentlich der Ansicht gewesen, dass das Bild fertig ist, doch bei nochmaliger Betrachtung stellte ich fest: Es ist doch noch unfertig.“ Deshalb nahm Hoffelner das Gemälde samt Staffelei mit zur langen Einkaufsnacht und begann, es zu vervollständigen.

Wenn der Künstler malt, setzt er gezielt den dünnen Pinsel immer wieder an und zaubert dabei ein Männchen nach dem anderen auf die Leinwand. „Ich gehe dabei in die Vollen, das Vorskizzieren fällt seit längerem weg.“ Rainer Hoffelner verwendet Tusche wegen der Intensität. „Es gibt nichts schwärzeres als Tusche.“ Leben erhalten die Figuren aber erst mit den Lichtkanten. Unfälle gebe es bei der Malerei grundsätzlich nicht, schmunzelt der Künstler. „Da kann ich immer noch sagen, das wollte ich so.“ Rainer Hoffelner mag es, vor Publikum zu malen. „Einmal in Miami bildete sich auf der Promenade eine riesige Menschentraube um mich. Die Interaktion mit den Zuschauern war herrlich.“

Auch während der Einkaufsnacht blieben immer wieder Passanten stehen und beäugten das Gemälde interessiert. Zwischendurch drehte Hoffelner das Bild um 90 Grad und malte weiter. „Das Bild lebt von der Addition und der Geballtheit. Obwohl ich das Gemälde schon unterschrieben habe, könnte man es in vier verschiedene Richtungen aufhängen.“ Die Schaufenstermalerei sieht Rainer Hoffelner als Chance: „Wir mussten zwar alles kurzfristig organisieren, wenn die Aktion aber beim Publikum gut ankommt, kann sie in den nächsten Jahren wachsen.“