Lenninger Tal
Strichmännchen sind Hoffelners Erfolgsrezept

Malerei Der Künstler Rainer Hoffelner produziert in seinem Lenninger Atelier Bilder für Ausstellungen in Miami und Peking. Corona hat ihm so manches Projekt verhagelt, doch die Treue seiner Kunden ist geblieben. Von Petra Bail

Sein Markenzeichen hat ihn berühmt gemacht: Rainer Hoffelner versieht jedes seiner Bilder mit kleinen, springlebendigen Tuschefiguren. Strichmännchen waren es zu Beginn. Doch der Künstler, der sein Atelier in Lenningen hat, geht mit der Zeit. Zu den Männchen haben sich Weibchen gesellt „Wenn man’s gar nicht erkennt, sind sie wohl divers“, scherzt der vielseitige Mann, der es versteht, sich
 

„Ich male bei jeder Ausstellung live.
Da passiert was mit den Leuten.
Rainer Hoffelner

 

und seine Arbeit wirkungsvoll in Szene zu setzen. Das ist neben der exquisiten Optik etwas, was den gebürtigen Nürtinger auszeichnet: eine mitreißend positive Grundeinstellung zum Leben. Diese Energie spürt man auch in den Bildern. Das ist es, was die Menschen nach den einschränkenden Lockdown-Zeiten schätzen – und was sie kaufen. Bei seinen Auftragsarbeiten hatte er kaum Absatzprobleme, sagt Hoffelner. Seine Klientel ist gut situiert. Doch die Ausstellungsaktivitäten waren im vergangenen Jahr praktisch bei null - und auch dieses Jahr tut sich nicht viel.

Eine geplante Schau bei Peter Maffay am Starnberger See musste verschoben werden, die Einladung ins Mark-Rothko-Kunstzentrum in Lettland durch seine Hamburger Galerie im vergangenen Jahr hat es ebenfalls vorerst verhagelt. Auch die Pop-Art-Präsentation, die die die Reuderner Galeristin Brigitte Kuder-Bros mit dem Künstler in der Nürtinger Kreuzkirche ausrichten will, wurde auf Anfang 2022 verschoben.

Trotz dieser Widrigkeiten ist die mediale Aufmerksamkeit ungebrochen. Berichte in Magazinen und Zeitungen bescheren dem nonchalanten Künstler nach wie vor Publicity. In der Januar-Ausgabe der Kunstzeitschrift „Palette“ gab es ein umfangreiches Künstlerporträt über ihn und sein Schaffen.

Derzeit favorisiert er vielschichtige Pop-Art-Porträts von Prominenten – natürlich mit dem agilen Strich-Völkchen. Schwarze Tuschefiguren seilen sich von Che Guevaras Mütze ab, hangeln sich über Elvis‘ Haartolle, tanzen in Amy Winehouse‘ Dekolleté und schlagen auf David Bowies Schulter Flickflack.

Weil seine Frau Sandra ein Fan der Queen ist, ist auch die englische Königin in der Kollektion – samt Tuschefiguren, die wie Freeclimber in ihrer Krone turnen und sich in ihren Pelzkragen kuscheln. Wer da einen in der Krone hat, darf sich freuen. Lindenberg geht gut, den hat Hoffelner schon viermal gemalt – immer wieder anders. Die Männchen machen’s möglich. Ein Porträt von Drafi Deutscher entstand mit viel Dynamik als Auftragsarbeit: „Ein Schnulzensänger, der knallt.“, urteilt er schnoddrig. Wenn’s der Kunde wünscht, malt er auch Privatpersonen in seinem akribisch aufgeräumten Atelier, das an einen Partykeller aus den 80-er Jahren erinnert.

In der neuesten Pop-Art-Serie verarbeitet der Künstler und Grafiker alte Werbeanzeigen, die er aus der alten Ratgebersammlung für die moderne Hausfrau seiner 91-jährigen Mutter gefischt hat. Da prangt ein 4711-Flakon auf der Collage verschiedener Reklameinserate von 1964 – seinem Jahrgang. Eine Erdal-Büchse und eine Odol-Flasche dienen ebenfalls als Bildträger für die Männchen und Weibchen mit hohem Wiedererkennungswert. „Auch das ist für mich Pop-Art“, sagt Rainer Hoffelner und freut sich, dass er dank seiner Tuschefiguren durch alle Kunststile räubern kann. Entstanden sind die fitten Figuren einst während des Studiums als schlichtes Logo aus der klassischen Vorlage des vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci. Doch die Kobold-Art entwickelte sich weiter. Die einfachen Strichfiguren bekamen Lichtkanten und Dynamik.

Da es schwierig ist, allein von der Kunst zu leben, stützt sich Rainer Hoffelner noch auf weitere Standbeine: Der Mann mit dem wilden Haarschopf, der wie eine stylishe Ausgabe von Albert Einstein wirkt, arbeitet in der Werbeabteilung eines mittelständischen Unternehmens, und er ist auch als „Farbenbotschafter“ für den Spezialfarbenhersteller „Marabu“ tätigt. Das beschert ihm nicht nur die neuesten Kreativfarben. „Ich kann aus dem Vollen schöpfen“, sagt der Künstler. Zudem gibt er im Auftrag des schwäbischen Unternehmens auf Fachmessen Workshops und Seminare.

„Ich male auch bei jeder Ausstellung live. Da passiert was mit den Leuten“, erzählt Rainer Hoffelner. Wenn er loslegt, fragt er seine Zuschauerinnen und Zuschauer, ob Mann oder Frau gewünscht wird. Die meisten Gäste wollen eine Frau, und sie dürfen auch die Körbchengröße bestimmen. Da komme meistens Doppel-D. Die Umstehenden lachen. Das baut Hemmschwellen ab. „Da hab’ ich die Leute im Griff.“

 

Der Mann hinter dem Männchen

Studiert hat Rainer Hoffelner an der Feuerbacher Schule für Farbe und Gestaltung nach seiner Ausbildung als Dekorateur. An dieser Schule empfahl ihm ein Professor, auf das große Format zu wechseln. Hoffelner hat seit 2001 einen Eintrag in der Brockhaus Multimedia-Version als Künstler und ist mit seiner Frau Autor des Baby-Wörterbuchs im Langenscheidt-Verlag.

Weltweit werden die Werke des experimentierfreudigen Künstlers aus Lenningen ausgestellt. Seine Arbeiten zeigte er unter anderem 2015 in Peking, wo er zensiert wurde, und unzensiert in Palm Beach, 2016 in Miami und in Innsbruck, aber auch in Hamburg, Dortmund, Hannover und Albershausen – um nur ein paar Ausstellungsorte zu nennen. pb