Lenninger Tal

Tälesbahn versus Teckbahn

Reaktivierung Warum fahren im Neuffener Tal fast dreimal so viele Leute mit dem Zug wie im Lenninger Tal? Die Antworten sind eindeutig und haben mit der Streckenqualität und Zuständigkeiten zu tun. Von Peter Dietrich

Teckbahn - Zug - Bahn - Burg TeckEisenbahnBahn erneuert die Trasse zwischen Kirchheim und Unterlenningen für zwei Millionen Euro
Die Teckbahn. Foto: Jean-Luc Jacques

Egal, ob man nun die Endpunkte Kirchheim und Nürtingen mit rund 40 000 Einwohnern jeweils mitzählt oder nicht: Im Einzugsbereich beider Bahnstrecken leben etwa gleich viele Menschen. Warum befördert dann die Tälesbahn täglich rund 4 500 Fahrgäste, die Teckbahn nur 1 600? Auch deshalb, weil der Zweckverband „Fahr mit“ im Neuffener Tal kräftig investiert hat und einen viel besseren Fahrplan anbieten kann. Der Triebwagen schafft die 8,8 Kilometer nach Neuffen in 12 Minuten, das ist ein Durchschnitt von 44 Kilometern pro Stunde. So ist mit nur einem Zug, der ständig hin und her pendelt, in der Hauptverkehrszeit ein Halbstundentakt zu schaffen.

Der Zug von Kirchheim nach Oberlenningen braucht für 11,1 Kilometer satte 20 Minuten, ist also ein Viertel langsamer. Am Triebwagen liegt es nicht, er würde Tempo 120 schaffen, aber die Streckenhöchstgeschwindigkeit liegt bei Tempo 60. „Obwohl der Unterbau neu hergerichtet wurde“, sagt der Nahverkehrsberater Hartmut Jaißle, der in Unterlenningen an der Strecke wohnt. Bei Tempo 60 entlang der Bundesstraße sei die Werbewirkung klar negativ: „Warum soll da ein Autofahrer in den langsameren Zug umsteigen?“ Würde man nur einen Bahnübergang herrichten, könnte man abschnittweise schneller fahren. Bislang muss der Fahrer unterwegs zwei Mal aussteigen, um von Hand die Schrankenanlage einzuschalten, auch das kostet Zeit. Mehrmals gilt Tempo 20. In Oberlenningen endet die Strecke nicht im Ort, sondern bereits an der Papierfabrik - allerdings mit einer guten Verknüpfung mit den Bussen. Um Raum für den Güterverkehr zu schaffen, fallen im Lenninger Tal beim sonstigen Stundentakt am Vormittag zwei Zugfahrten aus. Begegnungen auf der Strecke sind nicht mehr möglich, die Weichen wurden herausgerissen. Was Verbesserungen erschwert: Anders als für die Tälesbahn ist für die Teckbahn der Verband Region Stuttgart (VRS) zuständig. Er ist mangels eigener Schienenexperten auf die Auskünfte - und die Motivation - der Deutschen Bahn angewiesen.

Würde die Verbindung Kirchheim - Göppingen im elektrischen Stadtbahnverkehr betrieben, läge eine Verknüpfung mit der Teckbahn nahe. Die Gesamtstrecke Oberlenningen - Kirchheim - Göppingen von insgesamt rund 38 Kilometern wäre wohl in einer knappen Stunde reiner Fahrzeit zu schaffen. Kalkuliert man noch die Wendezeiten in Kirchheim und an den Endpunkten hinzu, wäre mit sechs elektrischen Garnituren ein Halbstundentakt möglich. Es wäre auch noch Luft, um die Strecke als Stadtbahn in Oberlenningen in die Ortsmitte und an den südlichen Ortsrand zu verlängern. Wer glaubt, dass so etwas nicht geht, sollte einmal nach Bad Wildbad fahren, genau das ist dort auf engem Raum passiert. Wäre eine Stadtbahn zu langsam? Die Karlsruher Fahrzeuge schaffen 100 Stundenkilometer und haben eine enorme Beschleunigung. „Auf den ersten paar hundert Metern sind wir schneller“, freute sich Dieter Ludwig, legendärer Ex-Chef der Karlsruher Verkehrsbetriebe, stets über die parallele Ausfahrt mit dem ICE im Karlsruher Hauptbahnhof. Universelle Stadtbahnen fahren genauso auf der Straße wie auf einer ganz normalen Bahnstrecke. Eine Weiterführung vom Göppinger Hauptbahnhof aus wäre also gut möglich - ob nun Richtung Plochingen oder hinein in die Stadt.

Ob die Voralbbahn von Göppingen nach Boll wiederbelebt wird, ist unklar. Andere Nebenstrecken wie Teck- und Tälesbahn florieren
Stillgelegte Trasse der Voralbbahn. Foto: Peter Dietrich
Zug der Tälesbahn (Strecke Nürtingen-Neuffen) in Nürtingen, südlich des Haltepunkts Nürtingen-Vorstadt
Die Tälesbahn. Foto: Peter Dietrich