Irgendwie konnte es kein Gemeinderat in Owen so richtig glauben, insbesondere diejenigen, die sich schon seit vielen Jahren mit dem leidigen Thema Straßenverkehrslärm auseinandersetzen müssen: Noch in diesem Jahr soll es amtlich werden, dass in Owen nachts mit maximal 30 Kilometern pro Stunde auf der B 465 gefahren werden darf. Genau davon ist aber Jürgen Roth von „SoundPLAN“ in Backnang überzeugt.
Der Ingenieur ist kein blauäugiges Greenhorn, seit 25 Jahren arbeitet er schalltechnische Gutachten aus und kennt die Situation in Owen seit 2013 bestens. Bürgermeisterin Verena Grötzinger zeigte sich in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats froh darüber, den aktiven Ruheständler bei der Fortschreibung des Lärmaktionsplans (LAP) 2020 an ihrer Seite zu wissen. „Dieser Plan soll ein Instrument sein, die schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner zu minimieren, indem Maßnahmen umgesetzt werden“, erklärte sie. Seit Jahren arbeiten sich die beiden an dieser Mammutaufgabe ab, die stark an den Kampf gegen Windmühlen erinnern. Der Grund: Die Stadt Owen ist nicht Akteurin in diesem „Spiel“, denn bei Bundesstraßen wie der B 465 ist eben der „Bund“ Herr des Verfahrens. Die Stadt muss per EU-Recht zwar den LAP aufstellen - aber ohne jede Handlungsmöglichkeit. Die Vergangenheit hat gezeigt: Es tut sich so gut wie gar nichts. Sämtliche begründete Forderungen verlaufen im Sande. „Manche Bretter sind schwer zu durchbohren, man muss ständig dranbleiben und sie in der Diskussion halten. Ich erinnere nur an die Umgehungsstraße“, sagte Verena Grötzinger.
Jetzt scheint aber ein wichtiges Etappenziel in greifbare Nähe zu rücken, denn die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache und lassen sich nicht wegdiskutieren - und dabei darf Jürgen Roth nur auf Werte aus der Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 zurückgreifen. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie stark der Verkehr in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hat - vom Schwerlastverkehr wegen der Jahrhundertbaustelle S 21 speziell im Lenninger Tal ganz zu schweigen.
Doch selbst die veralteten Zahlen zwingen die übergeordneten Behörden geradezu zur Handlung. „Der Fachbehörde steht keine ,eigene Ermessensausübung‘ mehr zu, denn der fachrechtliche Ermessensspielraum wird durch den LAP überlagert. Dazu liegt ein VGH-Urteil aus dem Jahr 2018 vor“, wurde Jürgen Roth deutlich und legte nach: „Die müssen Tempo 30 genehmigen.“
Eine Gesundheitsgefährdung liegt ab Werten von 65 dB(A) (Maßeinheit des Schalldruckpegels) am Tag und 55 dB(A) nachts vor. Eine Pflicht zum Einschreiten gilt ab Werten von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts. Diese Werte werden in Owen seit Jahren im gesamten Ortsgebiet überschritten. Bei 70 dB(A) - das entspricht der Lautstärke eines Motorrasenmähers - besteht beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das Fazit nach der Lärmberechnung von Jürgen Roth: „Die Belas- tungen erreichen an vielen Gebäuden Pegelwerte, die zum Handeln verpflichten.“ Am Tag sind viele Gebäude entlang der B 465 und L 1210 in Richtung Beuren gelb und rot auf dem Plan eingefärbt. Gelb bedeutet über 65 dB(A) und gesundheitskritischer Bereich, rot über 70 dB(A) und dringender Handlungsbedarf. Noch mehr rot als gelb eingefärbte Gebäude gibt es in der Nacht. Hier liegen die Grenzwerte tiefer: bei 55 beziehungsweise 60 dB(A). „Im ganzen Bereich der geschlossenen Ortschaft besteht also dringender Handlungsbedarf, der Baulastträger muss was tun“, stellte Jürgen Roth unmissverständlich klar. Insgesamt betrifft es 102 Gebäude in der Nacht und 96 am Tag. „Die Anzahl betroffener Einwohner ist deutlich höher, da mehrere Menschen in einem Gebäude wohnen“, sagte der Ingenieur. Etwa 255 Personen sind betroffen, bei Tempo 30 reduziert sich die Zahl um circa 120 Bewohner.
Deshalb schlägt er vor, die B 465 auf einer Länge von 1100 Meter und die L 1210 in Richtung Beuren auf einer Länge von 400 Meter in der Nacht auf Tempo 30 zu reduzieren. „Ein ruhiger Verkehrsfluss hat einen höheren Verkehrsdurchsatz. Es wird also besser“, erklärte Jürgen Roth. Von Parkierungen riet er dringend ab, die seien kontraproduktiv. „Das zwingt die Fahrzeuge zum Stoppen und Anfahren - und das erzeugt Lärm. Gleichmäßiger Verkehr ist sinnvoller“, erläuterte er.