Lenninger Tal

Und täglich ruft die Wetterstation

Statistik Seit 30 Jahren notiert Berta Göhring in Owen Niederschlag und Temperatur im Kalender. Enkel Raphael tippte die Zahlen in den Computer, um so die Daten auswerten zu können. Von Iris Häfner

Berta Göhring und ihr Enkel Raphael mit den seit 30 Jahren gesammelten Wetterdaten. Fotos: Markus Brändli
Berta Göhring und ihr Enkel Raphael mit den seit 30 Jahren gesammelten Wetterdaten. Fotos: Markus Brändli

Das ist Kontinuität, gepaart mit Disziplin und Begeisterungsfähigkeit - und das auch noch generationsübergreifend. Seit Juni 1990 schreibt Berta Göhring täglich morgens und mittags das Wetter auf. „Eigentlich hat das Ganze mein Mann Walter gestartet“, erzählt die 88-Jährige in ihrer bescheidenen, zurückhaltenden Art. Neben ihr sitzt Enkel Raphael, er ist mittlerweile auch in das Langzeitprojekt involviert. Vor acht Jahren hat er seiner Großmutter ein äußerst individuelles Weihnachtsgeschenk gemacht: Er hat akribisch die Daten erfasst. So konnte er die Wetterdaten grafisch darstellen und Erkenntnisse über das Klima in Owen gewinnen.

Die zierliche Frau sitzt in ihrer Wohnung im ersten Stock. Das Zimmer mit Blick zum Teckberg ist gleichzeitig ihre ganz private Wetterstation. Wer in der Landwirtschaft tätig ist, dem ist die Witterung nicht egal. Jahreszeit und Wetter bestimmen den Arbeitstag. Mit ihrem Mann hat ­Berta Göhring viele Wiesen bewirtschaftet und Tiere gehalten. „Wir haben Ziegen, Hühner, Tauben und viele Hasen gehabt und Eintagsküken großgezogen“, erinnert sie sich. Der Wetterbericht wurde mehrmals täglich in Radio und Fernsehen verfolgt. Viele Kirschen hat sie im Laufe ihres Lebens geerntet und verkauft. „Wir hatten aber vor allem viele Schwarze Träuble, rund 750 Sträucher, die alle Naturella abnahm. Da gab es immer genügend G’schäft“, erzählt Berta Göhring und sagt weiter: „Die Temperatur und das Wetter muss passen. Man muss wissen, wann man erntet und Heu macht“, sagt sie.

Deshalb begann ihr Mann im Juni 1990 mit seiner privaten Wetteraufzeichnung. Morgens um 6 Uhr und mittags um 13.30 Uhr wurde täglich die Temperatur gemessen und auf dem Kalender des Evangelischen Gemeindeblatts festgehalten. Wütete ein Gewitter über Owen, wurde das mit einem Blitz symbolisch notiert, bei schönem Wetter eine Sonne reingemalt. „Wir waren lange nicht im Urlaub, erst als die Kinder größer waren. Dann gab es eine kleine Lücke bei der Aufzeichnung - und wenn ich im Krankenhaus war“, verrät Berta Göhring. Das nötigt dem Enkel Respekt ab. „Ihr Hobby haben meine Großeltern diszipliniert betrieben. Oma war für die Temperatur zuständig, Opa für Regen und Schnee, denn die Arme meiner Großmutter sind zu kurz, um an das Gefäß für den Niederschlag zu kommen“, erzählt ­Raphael. Der Zylinder hängt in einer Vorrichtung, die wiederum auf Fensterhöhe angebracht ist.

Diese besondere Freizeitbeschäftigung ist dem Enkel nicht verborgen geblieben. Mit 15 Jahren kam er deshalb auf die Idee, die Daten in eine Excel-Tabelle einzutragen. „Ich habe gedacht, das ist ein nettes Weihnachtsgeschenk, wenn sie ihre Daten grafisch dargestellt sieht. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich alles erfasst habe“, erinnert er sich. Auch er zeigte Disziplin, ein Jahr hat er immer am Stück abgetippt. Ab 1993 hat er die Daten in einem Schaubild ausgewertet. „Erst ab da waren die Werte konstant, davor war ein anderer Thermometer im Einsatz“, erklärt Raphael.

Jetzt sieht man die Verläufe der Kurven und Raphael kann Schlüsse daraus ziehen. „In den vergangenen Jahren ist es morgens nicht mehr so kalt wie zu Beginn der Aufzeichnung. Seit 2011 liegt diese Temperatur immer oberhalb des Durchschnitts - weshalb die Durchschnittstemperatur zunimmt. Was mich aber wundert: Mittags liegt die Temperatur seit 2014 nur minimal über den Werten der Vorjahre.“ Weitere Daten: 2010 hat es übers Jahr verteilt 1,6 Meter Schnee gegeben, und am 29. Juli 2019 musste Raphael den Regenmesser ausleeren, sonst wäre er übergelaufen. Er kann umgerechnet maximal 50 Liter aufnehmen.

„Juni und Juli sind zu trocken. Bei Daten über einen Zeitraum von 30 Jahren kann man schon eine Aussage treffen“, sagt der junge Hobby-Meteorologe, der den Klimawandel mit Interesse verfolgt. Das ist auch ein Grund, weshalb er seit acht Jahren die Daten verarbeitet. „Nur so kann man damit was anfangen“, sagt er. Bezüglich der Regenmenge kann er „nicht wirklich was sagen“, sie schwankt stark. Allerdings: „In der Summe passt die Menge - es kommt nur manchmal sehr viel Regen auf einmal runter“, konnte er beobachten.

Auf dem Kalenderblatt schreibt Berta Göhring täglich das Wetter auf. Die schwarzen und roten Kurven zeigen die Temperaturen morg
Auf dem Kalenderblatt schreibt Berta Göhring täglich das Wetter auf. Die schwarzen und roten Kurven zeigen die Temperaturen morgens und mittags, die Enkel Raphael erfasst hat.