Lenninger Tal

Vom lauten Plopp bis zum „Bieramisu“

Biersommelière Stephanie Spitzer präsentiert im Schopflocher Haberhaus andere Facetten des Gerstensaftes

Jeder kennt ihn, den guten Tropfen aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. Trotzdem betraten kürzlich beim Bierseminar im Schopflocher Haberhaus rund 40 Teilnehmer Neuland. Sie erfuhren, was Bierenthusiasten längst wissen: dass Bier eine enorme Bandbreite an Aromen aufweist.

Fotos: Entgegen vieler Meinungen macht Bier laut Stephanie Spitzer nicht dick. Ihr zufolge enthält der Gerstensaft gerade einmal

Bereits zum fünften Mal fand im Schopflocher Haberhaus ein Bierseminar statt, zu dem Betreiberfamilie Gössel eingeladen hatte. Die etwa 40 Teilnehmer erfuhren nicht nur allerhand Wissenswertes über die Geschichte des Gerstensaftes und seine Herstellung, sondern auch darüber, wie er am besten verkostet wird. Foto: Daniela Haußmann

Lenningen. Mit einem lauten „Plopp“ springt der Bügel im Schopflocher Haberhaus aus der Flasche und läutet damit einen kulinarischen Abend der besonderen Art ein. Ein frisches, unfiltriertes Hefepils floss schäumend in filigrane 0,2-Liter-Gläser, die Stephanie Spitzer den Gästen reicht. Wer beim Anblick des leicht opalfarbenen Gerstensaftes gerne sofort seinen Durst gelöscht hätte, muss sich gedulden. Denn wie beim Wein gilt auch beim Bier, je langsamer und intensiver es getrunken wird, umso größer ist der Genuss. Eine dezent bittere Hopfennote, gefolgt von eleganten Kräuter- und Zitrusaromen, macht Lust auf mehr.

„Ein hopfenbetontes Bier als Aperitif öffnet den Magen und regt den Appetit an“, erklärt die Biersommelière und Geschäftsführerin der Böhringer Hirschbrauerei. Wer zum Einstieg in ein Menü dennoch nicht auf Sekt verzichten wolle, könne Pils mit einem Schuss Schaumwein verfeinern – ein Luxus-Radler. „Die Säure des Sekts in Kombination mit den Pilsaromen sorgt auf dem Gaumen für eine erfrischende Geschmacksexplosion“, berichtet Stephanie Spitzer. Mit einem malzaromatischen, vollmundigen, dunklen Bier geht es bei einer Kartoffel-Bier-Suppe weiter. Die leichte Würze und Karamellnote des Böhringer Johannes Dunkel, gepaart mit seiner Bernsteinfarbe, harmonieren für Alexandra Mayer wunderbar mit dem ersten Gang. „Besonders angenehm ist für mich als Weintrinkerin das kaum wahrnehmbare Bittere des Hopfens“, sagt die Frau aus Wittlingen überrascht.

Stephanie Spitzer betont, dass eine Bierverkostung einer bestimmten Reihenfolge unterliegt. So stehen die Biere mit dem geringeren Alkoholgehalt, der dezenteren Hopfung und der zarteren Röstung stets vor den kräftigeren Biertypen. Damit wird das Bier der Speisenfolge angepasst. Zudem wird Bier mit allen Sinnen wahrgenommen. Nicht nur Auge und Mund trinken mit, sondern laut Spitzer vor allem die Nase. „Über sie wird rund 80 Prozent des Aromas wahrgenommen, über den Mund nur 20 Prozent.“ Für einen ungetrübten Genuss sei deshalb ebenso wie beim Wein entscheidend, dass der jeweilige Biertyp aus dem richtigen Glas gekostet werde.

Mit der Nase am Glas und leicht geöffnetem Mund saugen die Seminarteilnehmer Duft und Aromen ein und atmen sie durch das Riechorgan wieder aus. Dann der erste Schluck. Schnell ist Matthias Mayer klar, dass guter Gerstensaft nicht nur schmeckt, sondern dass er sich im Mund fühlen lässt. „Als Mundgefühl wird der Körper des Bieres bezeichnet“, erklärt Spitzer. „In verschiedenen Bereichen der Zunge, wird Geschmack unterschiedlich wahrgenommen.“ Vorne die Süße, hinten das Bittere, an den Flanken das Saure und Salzige. „Und genau deshalb ist das Glas beim Biergenuss ein wichtiger Faktor. Es macht auch einen gewaltigen Unterschied, ob Bier aus der Flasche getrunken wird“, bilanziert Spitzer.

Matthias Mayer jedenfalls kann das samtig weiche und vollmundige Aroma des Exportbieres Urtyp hervorragend zu seinem saftigen Spanferkel genießen. Für den Wittlinger muss es nicht immer Wein sein, gerade Biere lassen sich hervorragend mit einer Menüfolge kombinieren. „Ich denke, dass Bier einfach häufig völlig zu Unrecht unterschätzt wird“, so Mayer. „Und der Abend zeigt, dass es richtig verkostet ein absolutes Geschmackserlebnis ist.“ Laut Stephanie Spitzer enthält Bier 600 verschiedene Aromastoffe, während es der Wein nur auf 120 bringe. „Schon daran wird deutlich, dass die Kombinationsvielfalt mit Speisen enorm ist“, lacht die Fachfrau.

Dunkles Bier unterstreiche den Geschmack von rotem Fleisch, etwa Wild oder Rind. Bockbier sei der ideale Begleiter für süße Nachspeisen. Ein leichtes, helles Bier lasse sich gut als Aperitif genießen oder zu einer Vorspeise. Wer mit Bier kochen will, sollte laut Stephanie Spitzer darauf achten, dass der Geschmack des Gerstensaftes nicht das Essen dominiere. Außerdem dürfe das Bier beim Erhitzen nicht einkochen, da sonst die Bitterstoffe die Überhand gewinnen.

Dann genießen die 40 Seminarteilnehmer ihr Bieramisu, ein auf Gerstensaft basierendes Tiramisu, das durch die süßlichen Noten eines Edelmärzen abgerundet wurde. Für Matthias Mayer steht nach dem vierstündigen Seminar fest, dass er sein Bier künftig mit allen Sinnen genießt.

Vom lauten Plopp bis zum „Bieramisu“

Entgegen vieler Meinungen macht Bier laut Stephanie Spitzer nicht dick. Ihr zufolge enthält der Gerstensaft gerade einmal 44 Kilokalorien und damit weniger Kalorien als mancher Fruchtsaft. Foto: Daniela Haußmann

Das richtige Glas zum Bier

Feinporiger weißer Schaum gehört zum Bier wie die Krone zum König. Für die Schaumstabilität ist laut Stephanie Spitzer, Biersommelière und Juniorchefin der Hirschbrauerei Böhringen, der Hopfen verantwortlich. Je weniger Hopfen ein Bier enthält, desto schneller schwindet die Schaumkrone. Ein Beispiel dafür sind der Expertin zufolge dunkle Biere und Bockbiere, bei denen allerdings aufgrund ihres niedrigeren Hopfengehaltes die Schaumkrone von vornherein zurückhaltender ausgeprägt ist. Ob Fettrückstände oder Fusselreste vom Abtrockenhandtuch – ein Bierglas muss sauber sein, ansonsten wird der Schaum zerstört. Spitzer rät daher, ein Bierglas nach dem Spülen mit kaltem Wasser nachzuspülen und mit der Öffnung nach unten trocknen zu lassen. Auch die Temperatur spielt bei der Schaumbildung eine Rolle. Bei sieben bis acht Grad Celsius entwickelt sich die weiße Krone am besten.