Lenninger Tal

Vom Regentropfen zum Baustoff

Geologie Kein anderes Element prägt die Alblandschaft mehr als das Wasser. Ihm verdankt das Lenninger Tal Höhlen, viele Quellen und die Lauter. Von Daniela Haußmann

Ursprünglich nur kleine Risse im Kalkstein: die Höhlen der Schwäbischen Alb.Fotos: Reiner Enkelmann
Ursprünglich nur kleine Risse im Kalkstein: die Höhlen der Schwäbischen Alb.Fotos: Reiner Enkelmann

Auf der Schwäbischen Alb fällt jede Menge Niederschlag, und trotzdem gibt es kaum Seen, Bäche oder Flüsse. „Während das Lenninger Tal pro Jahr rund 800 Millimeter Regen zählt, sind es auf der Hochfläche etwa 1 000 Millimeter“, wie Ulrike Walter vom Naturschutzzentrum Schopflocher Alb (NAZ) berichtet. Trotz dieser Niederschlagsmenge gilt das Karstgebirge als wasserärmste Region Deutschlands. Da stellt sich die Frage: Was passiert mit dem ganzen Regen? „Außer einer dünnen Humusschicht gibt es nichts, was das Wasser lange auf der Alb hält“, so Ulrike Wagner.

Der Dettinger Geologe Dr. Roland Krämer erklärt das Phänomen wissenschaftlich. Regen nimmt aus Luft und Erde Kohlendioxid auf, woraus sich Kohlensäure bildet. Anschließend fließt die schwach saure Lösung durch die Risse des Kalksteins, lösen ihn langsam auf, was zu „Spalten, Schächten und Höhlensystemen führt“, wie der Dettinger erklärt. „Dieser Prozess ist gemeinhin als Verkarstung bekannt.“ Ohne sie gäbe es weder die Gußmannhöhle noch die Gutenberger Höhle und schon gar keine Lauter. „Der Fluss entsteht durch die Vereinigung des Donnbach mit der Weißen und der Schwarzen Lauter.“ Die drei Bäche entspringen, laut Reiner Enkelmann, „aus Karstquellen, die im Donntal, in Gutenberg und in Schlattstall liegen“. Auf geheimnisvollen Wegen wandert der Niederschlag im Innern der Alb von Schopfloch bis zu 261 Meter in die Tiefe, um dann im Tal an die Oberfläche zu treten.

Möglich macht das eine wasserdurchlässige Mergelschicht im untersten Teil des Juragebirges. Damals war Süddeutschland von einem Meer bedeckt, an dessen Grund sich kalkhaltiger Schlamm und Ton ablagerte. Je mehr Material sich ansammelte, desto größer wurde der Druck auf die unteren Sedimente, die sich zu einem 800 Meter mächtigen Gesteinspaket verdichteten. „Zwischen den einzelnen Schichten aus Weißem, Braunem und Schwarzem Jura kam es so durch die Vermengung von Kalk und Ton zur Bildung von Mergelschichten, die dafür sorgen, dass sich das Sickerwasser staut“, erläutert Roland Krämer. „So entstehen Höhlen und Karstquellen, wie das Schlattstaller Goldloch oder die Gutenberger Höllsternquelle.“

Auf seiner Reise durch die Alb löst das Regenwasser Kalzium aus dem Gestein. Tonnen von gelöstem Kalk werden so in Bäche und Flüsse gespült. Der Mix aus Kohlendioxid, Kalzium und Wasser zerfällt in Kalk, sobald sich das Gas verflüchtigt. „Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise die Temperatur steigt oder fließendes Wasser in Turbulenzen gerät, wie an Bodenhindernissen oder Gefälleknicken“, berichtet Ulrike Walter. „Das Kohlendioxid entweicht, wodurch sich der gelöste Kalk teilweise wieder verfestigt.“ Ein Prozess, der die Sinterterrassen im Bachbett am Ortsrand von Gutenberg hervorgebracht hat, aber auch die mehrere Meter mächtigen Kalksinterschichten, die sich in der Lauter ablagerten.

Der Kalk wurde im Lautertal im großen Stil für den Hausbau genutzt. Dem Wasser hat das Lenninger Tal also nicht nur reizvolle Naturdenkmäler, sondern auch das Fundament seiner Siedlungsgeschichte zu verdanken.

Auf der Alb stellte die aus der Verkarstung resultierende Wasserarmut allerdings ein ernsthaftes Problem dar. Trink- und Löschwasser war Mangelware. Bis zum Bau der Albwasserversorgung wurde in Siedlungen ohne Grundwasservorkommen und Quellen versucht, das Wasser in Zisternen oder Hülen, also kleinen Teichen, zu sammeln. Hülen wurden teilweise künstlich geschaffen, entstanden aber auch durch den vor rund 17 Millionen Jahren einsetzenden Albvulkanismus auf natürliche Weise. Im Kirchheimer-Uracher-Vulkangebiet existieren rund 360 Vulkanschlote, erzählt Roland Krämer. „Etwa 1 200 Grad heißes Magma stieg, begleitet von Gasen, aus 80 Kilometer Tiefe empor“, so der Geologe. „Dabei stieß das Gemisch auf Grundwasser, das aufgrund des enormen Temperaturunterschiedes blitzschnell explosionsartig verdampfte.“ Die entstandenen Gesteinstrümmer verbanden sich mit Lavatröpfchen und kalkhaltigem Sickerwasser zu Vulkantuff, der zu einem grünlich-grauen Ton verwitterte, der wasserundurchlässig ist. So entstand laut Krämer auch die Ochsenwanger Hüle. Daran wird deutlich, dass die Geologie entlang der Schwäbischen Alb nicht nur nachhaltig die Landschaft prägte, sondern auch das Leben der Menschen. „Doch das Spannende ist“, für Reiner Enkelmann, Landschaftsführer des NAZ, „dass die Verkarstung immer noch die Alb verändert. Bewusst wird uns das aber leider erst durch Ereignisse wie den Felssturz am Wielandstein.“

Die Hüle in Ochsenwang ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Albvulkanismus vor 17 Millionen Jahren.
Die Hüle in Ochsenwang ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Albvulkanismus vor 17 Millionen Jahren.

Verkehrsverein auf den Spuren des Albwassers

Beim Verkehrsverein Teck-Neuffen dreht sich in diesem Jahr alles um die „Faszination Wasser“. In diesem Zusammenhang bietet das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb (NAZ) diverse Infoveranstaltungen an, die sich mit dem Jahresthema befassen. Unter dem Titel „Romantisches Donntal“ lädt das NAZ Interessierte zu einer Entdeckungstour ins Naturschutzgebiet Oberes Lenninger Tal ein. Ein reichhaltiges Biotopmosaik aus Heiden, blumenbunten Wiesen und Weiden sowie die eindrucksvollen Tuffterrassen des Donntalbachs sind hier zu finden. Diese Lebensräume sowie die zum Teil seltenen Tierarten werden bei der am 8. Mai stattfindenden Führung vorgestellt.

Weitere Infos sind im Internet unter www.naturschutzzentren-bw.de zu finden. dh