Die Firma Leuze ist ein internationaler Sensorexperte in der Automatisierungstechnik mit Sitz in Owen. Das Unternehmen hat 2020 rund 211 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und beschäftigt mehr als 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Herr Balbach, ist die Corona-Pandemie Auslöser für eine Wirtschaftskrise und wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ein?
Ulrich Balbach: Nein, die Pandemie ist vielmehr eine Gesundheitskrise. Man möchte die Menschen schützen, und das zurecht. Die derzeit enorm langen Lieferzeiten sprechen gegen eine Wirtschaftskrise, die Auftragsbücher sind voll, die Unternehmen sind präsent. Eine Situation wie in den Jahren 2008/2009 gibt es in der Corona-Krise aktuell absolut nicht. Bei unseren Kunden ist die Investitionsbereitschaft sehr hoch, sogar höher denn je. Wir liefern in den Maschinenbau und können die Lage deshalb sehr gut beurteilen. Natürlich hängt es davon ab, ob man in die EU, nach Asien oder in die USA schaut. Hier gibt es Unterschiede.
. . . also keine angezogene Handbremse bei Leuze?
Balbach: Ganz im Gegenteil! Wir standen permanent auf dem Gas, insbesondere in der Entwicklung. Deshalb können wir jetzt tolle neue Produkte vorstellen.
Sie haben überhaupt nicht mit der Bauteileknappheit zu kämpfen?
Diese Verknappung spüren wir natürlich auch. Die Lieferketten sind sehr wichtig. Deshalb haben wir uns früh dafür eingesetzt, dass die Lieferanten mit uns in Kontakt bleiben und auch während der ersten Lockdowns letztes Jahr weiterliefern konnten. Teils geht es dabei ja auch um systemrelevante Komponenten. Wir liefern beispielsweise Teile für die Blutanalyse, was in diesen Tagen extrem wichtig ist. Andererseits gibt es derzeit auch sehr viele extreme Situationen im Wirtschaftsumfeld. Man denke nur an die Automobilindustrie, die zusätzlich mit einem Technologiewechsel zu tun hat – dem Wechsel des Antriebsstrangs. Da waren die Lieferketten mitunter komplett unterbrochen. Für mich galt schon immer: Lieferketten muss man pflegen und sie unbedingt am Laufen halten.
Zeigt das, dass die Globalisierung Grenzen hat? Gerade in der Automobilbranche ist ja viel ausgelagert, dasselbe gilt für die Elektroindustrie.
Globalisierung ist zunächst mal gut für den deutschen Mittelstand – sie öffnet Türen. Unsere Auftragseingänge in Asien sind teilweise bis in den dreistelligen Prozentbereich gewachsen. Das sichert Arbeitsplätze. Doch zum Thema Abwanderung: Warum ist denn nahezu die gesamte Elektronikindustrie nach Asien gegangen? Und warum hat zuvor die Textilindustrie dort ihre Zelte aufgeschlagen? Meiner Ansicht nach nicht nur, weil die Löhne günstiger waren, sondern auch, weil sich dort in Bezug auf die Produktionsbedingungen schon immer kostengünstiger hat produzieren lassen. Das betrifft die Textilindustrie ebenso wie Chips oder die Herstellung von elektronischen Leiterplatten, die nicht nur technisch ein anspruchsvoller Vorgang, sondern ebenfalls ökologisch relevant ist. Für mich ist offensichtlich, dass wir in der Struktur arbeiten müssen und Nachhaltigkeit dabei eine Art Indikator sein kann – gerade vor dem Hintergrund des Lieferkettengesetzes: Wir müssen genauer hinschauen, wo, von wem und wie unsere zugelieferten Materialien hergestellt werden.
Das Lieferkettengesetz gilt von 2023 an für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein Jahr später für Unternehmen in der Größe von Leuze. Wie sind Sie darauf vorbereitet? Gibt es Dinge, die Sie daran stören?
Um gleich Ihre letzte Frage zu beantworten: Ja, der enorme administrative Aufwand stört, etwa durch die SCIP-Datenbank. Ein Beispiel: Jedes Drehteil hat einen Minimalanteil an Blei, sonst lässt es sich spanend nicht bearbeiten. Wenn wir das beziehen oder in unseren Geräten verwenden, müssen wir einen Nachweis führen. Das machen wir natürlich, und das ist anstrengend. Andererseits bringt es uns dazu, intensiver über die Lieferketten nachzudenken – was wiederum sehr sinnvoll ist! Globalisierung führt im Kontext der Lieferketten zu einem Nachdenken über die Wertschöpfungstiefe, zugleich muss die Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleiben. pm