Lenninger Tal

„Wenn der Bagger anrollt, bin ich weg“

Gastronomie Am Dienstag hat der Adler in Owen zum letzten Mal geöffnet. Robert und Ute Scheu schließen die Traditionsgaststätte nach über 300 Jahren. Von Andreas Volz

Noch vier Tage, dann ist das große Bild so historisch wie das Foto, das Robert und Ute Scheu hier in ihren Händen halten.Foto: C
Noch vier Tage, dann ist das große Bild so historisch wie das Foto, das Robert und Ute Scheu hier in ihren Händen halten.Foto: Carsten Riedl

Robert Scheu beklagt den Niedergang seiner Branche: „Jetzt gibt es wieder eine Wirtschaft weniger in Owen.“ Das liegt aber nur indirekt an ihm selbst und an seiner Frau Ute: 40 Jahre lang haben die beiden das Fähnchen hochgehalten, sind Abend für Abend, Nacht für Nacht in der Küche und an der Theke gestanden, haben gekocht, ausgeschenkt und bedient. Anfangs gab es nur einen Ruhetag in der Woche. Noch nicht allzu lange ist es her, dass die beiden ihre Ruhetage nach und nach auf zwei ausgedehnt und zum Mittwoch auch noch den Donnerstag hinzugenommen haben.

Aber eine Wirtschaft zu betreiben wird zunehmend schwieriger. Das liegt am veränderten Freizeitverhalten: „Wir gehören halt zu denen, die arbeiten, wenn andere nichts tun, wir müssen immer da sein, wenn die anderen Freizeit haben“, bringt es Robert Scheu auf den Punkt. Deswegen ist es auch so schwierig und beinahe unmöglich, Nachfolger zu finden: „Seit sieben oder acht Jahren haben wir gewusst, dass es mit dem Familienbetrieb nicht weitergeht.“

Trotzdem konnten sich die Wirtsleute lange Zeit nicht vorstellen, dass an ihrem Traditionsstandort nach mehr als 300 Jahren irgendwann einmal kein Bier mehr ausgeschenkt und kein Essen mehr serviert werden könnte. „Es hat sich keiner gemeldet, der den Adler hätte pachten wollen, und auch kein Käufer wollte das alles übernehmen“, sagt Robert Scheu. Seine Frau Ute ergänzt: „Wir hatten keinerlei Chance.“

Robert Scheu sieht den Fall als symptomatisch an und stellt deshalb fest: „Die deutsche Gastronomie als solche stirbt aus. Es überleben nur noch die, die einen Hotelbetrieb haben oder eine ganz gehobene Gastronomie anbieten.“ Dass er keine Fremdenzimmer eingerichtet hat, bezeichnet er im Nachhinein als seinen großen Fehler: „Ein Hotel könnte heute noch laufen.“ Stattdessen hatten sich die Scheus für Kegelbahnen entschieden: „Das war auch ein Fehler.“

Kein Fehler war es sicherlich, die Metzgerei aufzugeben und die freigewordenen Räume für die Küche zu verwenden - obwohl Robert Scheu gelernter Metzger ist: „Ich habe halt für mein Leben gern gekocht, und ich hatte auch immer Köche um mich rum. Von denen habe ich viel abgeschaut. Mein Vater hat immer gesagt: ,Mit den Augen darf man stehlen‘.“ Robert und Ute Scheu haben alles Mögliche probiert und angefangen. Zu Beginn ihrer Laufbahn hatten sie eine Fernküche: Im Umkreis von 20 Kilometern belieferten sie 15 Betriebe, mit rund 400 Essen am Tag.

Ihre beste Entscheidung war sicherlich die, 1997 den Biergarten zu eröffnen. „Das war der Mittelpunkt von Owen. Wer sich in Owen treffen wollte, ist zu uns in den Biergarten gegangen“, schwärmt Robert Scheu noch heute, auch wenn es für ihn und sein Team harte Arbeit war. „21 Jahre lang haben wir im Biergraten geschuftet“, resümiert Ute Scheu.

Den Wandel der Zeit spürten die beiden immer wieder. Ute Scheu: „Als die Teckhalle kam, hat man unseren Saal nicht mehr so gebraucht.“ Erst später habe es wieder geheißen: „In eurem Saal war es doch auch schön.“ Ein anderer Wandel betrifft die Geschäftswelt. „Die Firmen haben nicht mehr so viel Geld“, sagt Robert Scheu. Seine Frau konkretisiert: „Die Außendienstler kommen nicht mehr mit einem so großen Spesenbudget wie früher.“ Nicht zu vergessen sei der Trend zum Fast Food, vor allem bei den Jüngeren.

Leben wie andere Leute auch

Immer wieder werden die beiden Wirtsleute jetzt gefragt, was sie denn machen, sobald der Adler zu ist. „Die Schulkameraden sind alle in Rente“, sagt Ute Scheu, „die fragt doch auch keiner, was sie machen.“ Ihr Mann träumt von ganz normalen Dingen: „Ich will einfach mal das machen, was alle anderen auch machen - in ein Kirchenkonzert gehen oder zum Handball, mal ganz spontan für ein paar Tage fortfahren.“ Kurz also: am gesellschaftlichen Leben teilhaben und es nicht immer nur ausrichten. Nur eins will Robert Scheu nicht machen, er könnte es auch gar nicht: zuschauen, wie der Adler abgerissen wird. „Wenn der Bagger anrollt, bin ich für längere Zeit im Urlaub. Das halte ich sonst bestimmt nicht aus.“

Russ Gruppe baut Wohnungen und Gewerbeflächen

Ohne Nachfolger für die Gastronomie haben sich Robert und Scheu für einen anderen Weg entschieden: Das Gelände wird verkauft und soll mit Wohnungen bebaut werden.

Die Russ Gruppe, die im Landkreis Esslingen seit 85 Jahren Autohäuser betreibt und seit einiger Zeit auch im Immobiliengeschäft tätig ist, übernimmt das Grundstück im Januar.

Stefan Russ, geschäftsführender Gesellschafter, stellt in einer Pressemitteilung fest: „Wir brauchen dringend Wohnraum, für Mitarbeiter und neue Fachkräfte, die wir zu uns in die Region holen möchten.“ Auch Auszubildenden, die nach der Lehre auf eigenen Beinen stehen möchten, fehle der nahegelegene und bezahlbare Wohnraum.

„Lauterquartier“ soll das Areal heißen, auf dem nach dem Wunsch der neuen Eigentümer mindestens 20 Eigentumswohnungen - mit einem kleinen Park -, sowie Gewerbeflächen für Läden und Büros entstehen.vol