Lenninger Tal

Zwangloser Treff im Café Bahnhöfle

Integration Einheimische und Flüchtlinge können im Unterlenninger Bürgerhaus in lockerer Runde zueinander finden und sich austauschen. Die Eröffnungsfeier trifft auf große Resonanz. Von Anke Kirsammer

Zwangloser Treff im Café Bahnhöfle
Zwangloser Treff im Café Bahnhöfle

Die Flüchtlingsarbeit im Lenninger Tal nimmt Fahrt auf: Das Café Bahnhöfle im Unterlenninger Bürgerhaus soll zum Treffpunkt für Einheimische und Geflüchtete werden. Jeden Donnerstag laden die Gemeinde Lenningen, die Bruderhaus-Diakonie und der Arbeitskreis Asyl, der künftig unter dem Namen Helferkreis firmiert, von 16 bis 19 Uhr zu zwanglosen Begegnungen ein.

Im Januar werden in der Höllochstraße 6 die ersten Asylbewerber erwartet, die die Gemeinschaftsunterkunft beziehen. Schon jetzt leben in Lenningen 90 Flüchtlinge. Viele von ihnen kamen zur Eröffnung des Café Bahnhöfle. Mitgebracht hatten sie süße und salzige Leckereien, wie sie in ihren Herkunftsländern Tradition sind. Auf den Weg gemacht hatten sich auch zahlreiche Einheimische, so dass die Stühle in dem Saal nicht ausreichten. Arabische Musik, dargeboten von den beiden aus Syrien stammenden jungen Männern, Jan und Waheed, rundeten die Feier ab.

„Das Café soll uns ein Stück weiterbringen beim Prozess des Zusammenwachsens“, sagte Beate Arman, eine der Ehrenamtlichen im Helferkreis. Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht verbindet mit dem neuen Angebot das Ziel, Hemmungen in der Bevölkerung gegenüber Asylbewerbern mit der Zeit abzubauen. Noch ist nicht klar, ob die 88 Menschen, mit denen das Gebäude in der Oberlenninger Höllochstraße belegt wird, auf einmal oder nach und nach kommen. Für die „Nachdenklichkeit“ in der Bevölkerung angesichts der hohen Zahl habe er Verständnis, so der Rathauschef. Damit das Miteinander gelingen könne, sei die Gemeinde auf Partner angewiesen. Gesetzt wird in Lenningen und Owen auf ein Konzept der Bruderhaus-Diakonie. Für entscheidend hält Schlecht, dass die Schnittstelle zum Helferkreis funktioniert. „Wir brauchen das Ehrenamt. Ich hoffe, dass von hier eine Welle der Hilfsbereitschaft losgetreten wird.“

Als Vertreter der evangelischen Albtrauf-Gemeinden und Sprecher des Helferkreises appellierte der Oberlenninger Pfarrer Dirk Schmidt an die Einheimischen, sich den Flüchtlingen zu öffnen. Nächstenliebe hält er nicht nur für einen christlichen, sondern einen mitmenschlichen Auftrag. Schmidts Wunsch ist, dass das Café Treffen auf Augenhöhe ermöglicht. „Unser Land wird sich mit jedem Flüchtling verändern“, so der Pfarrer. Statt mit Abgrenzung und übertriebener Sorge zu reagieren, könne man die Unterschiedlichkeit auch als Chance und Bereicherung wahrnehmen. Um Begegnungen zu ermöglichen, brauche es jedoch noch viele weitere Helfer.

Selbst aus dem Kongo vor sechs Jahren nach Deutschland gekommen, sieht der katholische Pfarrvikar Jean-Renaud Lubiangenu das Café als Ort, an dem sich nicht nur miteinander etwas essen und trinken lässt, sondern an dem auch Freude und Leid geteilt werden können.

Welches Leid die Flüchtlinge erlebt haben, wurde beispielhaft an der Geschichte, die die Syrerin Nour Albarzawi erzählte und die von Claudia Beck, sozialpädagogische Fachkraft bei der Bruderhaus-Diakonie, übersetzt wurde: Der erste Mann von Nour Albarzawi verschwand spurlos inDamaskus, als er Lebensmittel besorgen wollte, eines ihrer fünf Kinder kam bei einem Autounfall während eines Bombenangriffs ums Leben. Ohne ein Lebenszeichen von ihnen war die Syrerin über Monate von ihren Kindern getrennt. Traumatisch auch die Flucht, während der die Familie auf der Straße übernachtete. In der Türkei mussten selbst die Kinder arbeiten, die Familie lebte zu siebt in einem Raum und schließlich schickte die Syrerin ihre Kinder und ihre Mutter allein übers Mittelmeer, weil sie und ihr zweiter Mann anfangs nicht genug Geld für die Überfahrt hatten.