Weilheim und Umgebung
Als ein Mord Weilheim erschütterte

Geschichte Auf die Leidenschaft folgte die Verzweiflungstat: Vor 100 Jahren hat sich in Weilheim ein schweres Verbrechen ereignet. Der junge Täter war der letzte Weilheimer, der durch das Fallbeil starb. Von Bianca Lütz-Holoch

Ein junges Liebespaar, eine ungewollte Schwangerschaft, ein vertuschter Mord und eine Hinrichtung - Stoff, der geradewegs einem Kriminalroman entsprungen zu sein scheint. Das junge Paar gab es aber wirklich, und auch die Geschichte hat sich tatsächlich zugetragen - in Weilheim vor 100 Jahren.

Es ist ein schöner Sonntag Ende Juni, als Karl bei Marie vor der Tür steht. Der Bauernsohn lädt die 19-Jährige zu einem Spaziergang ein, angeblich um mit ihr gemeinsam zu schauen, wie es ums Getreide seiner Familie steht. Der gemeinsame Nachmittag beginnt heiter und romantisch. Karl und Marie plaudern und scherzen miteinander, schlendern durch die Wiesen und suchen sich ein ruhiges Fleckchen im Wald, wo sie sich lieben - nicht zum ersten Mal übrigens. Kurze Zeit später endet die Zweisamkeit jäh. Karl holt unbemerkt einen Strick aus der Tasche, legt ihn Marie um den Hals und zieht zu - so lange, bis sie sich nicht mehr rührt. Dann schleift er ihren leblosen Körper bis zu einem Baum und hängt die Tote an dem Strick auf. Es soll wirken, als habe Marie sich selbst umgebracht.

Der Messerschmiedstochter Marie Frank ist ein Kleindenkmal gewidmet. Ein Stein mit Inschrift im Weilheimer Gewann Unterdiebel erinnert noch heute an den grausamen Mord im Jahr 1921. Einer, der die Geschichte um Marie Frank und Karl Etzel gut kennt, ist der Weilheimer Stadtführer Wilhelm Braun. Er hat an der Erfassung der Kleindenkmale im Landkreis Esslingen vor zwölf Jahren mitgearbeitet. „In Weilheim und Hepsisau gibt es davon rund 80“, weiß Wilhelm Braun. Bei seinen Unterlagen rund um den Mordfall Marie Frank befindet sich auch ein 100 Jahre altes Original-Flugblatt, in dem Maries Vater um Hinweise zum Verbleib seiner Tochter bittet. „Aufruf! Vermisst“, prangt in großen Lettern auf dem vergilbten Papier. Erst drei Tage nach ihrem Verschwinden findet man die junge Frau im Wald. Sie liegt auf dem Boden. Der Strick, an dem Karl sie aufgehängt hat, ist unter ihrem Gewicht gerissen.

Im Oktober 1921 wird der Mordfall Marie Frank vorm Schwurgericht in Ulm verhandelt. „Der Teckbote“ ist bei der Verhandlung vor Ort und widmet ihr eine dreiviertel Zeitungsseite. Die Geschworenen befinden den Angeklagten für schuldig: Karl Etzel habe Marie Frank vorsätzlich und mit Überlegung getötet. Das Gericht verurteilt den jungen Mann zum Tode. Karl Etzel stirbt am Morgen des 14. Dezember 1921. „Er war der letzte Weilheimer, der durch das Fallbeil hingerichtet wurde“, so Braun.

Der Bericht des Teckboten beleuchtet die Hintergründe des Mordes näher. Offenbar hatten sich Marie und Karl schon sechs Monate vor dem schicksalsträchtigen Tag bei einer Hochzeit kennengelernt. Im März, als in Weilheim eine Schiffschaukel stand, trafen sie sich wieder und begannen eine Affäre, die - so der Zeitungsbericht - „gleich zu einem intimen Verkehr geführt hat“. Vor Gericht räumte Karl Etzel zwar ein, dass sie sich öfter getroffen hätten. An einem „bindenden Verhältnis“ habe er aber eigentlich kein Interesse gehabt. Zur extremen Belas- tung wurde die Beziehung für ihn, als sich herausstellte, dass Marie ein Kind erwartet. Offenbar hat es nach dem Bekanntwerden von Maries Schwangerschaft einen gescheiterten Abtreibungsversuch und einen schlimmen Streit zwischen Marie und ihrer Mutter gegeben. Angeblich soll die junge Frau auch einmal geäußert haben, sie wolle nicht mehr leben.

Direkt nach der Tat ist Karl Etzel eigenen Aussagen zufolge in den nahe gelegenen Hirschkeller gegangen. Dort trank er drei Glas Bier und tanzte und sang dann ausgelassen mit den anderen, damit ihm keiner etwas anmerke.

Sein Urteil vor Gericht dagegen soll Karl Etzel völlig regungslos hingenommen haben.