Weilheim und Umgebung

Auch Versorger wollen versorgt sein

Logistik Was früher Freiheit bedeutete, macht keinem Trucker mehr Spaß. Zu viele Auflagen und zu wenig Lohn. Seit Corona ist es noch schlimmer. Von Sabine Ackermann

Die selbstständigen Trucker Janis und Georg (Bild oben) aus Esslingen fahren mittlerweile überschaubare Strecken, ausschließlich
Die selbstständigen Trucker Janis und Georg aus Esslingen fahren mittlerweile überschaubare Strecken, ausschließlich in der Region. Aus ihrer jahrzehntelangen Berufserfahrungen wissen sie aber, welchem enormen Druck ihre Kollegen auf der Langstrecke ausgesetzt sind. Foto: Sabine Ackermann
Zu den "Langstrecklern" gehört der Thüringer Michael. Er beklagt die Zusatzbelastung durch Corona-Checklisten und vor allem den
Zu den "Langstrecklern" gehört der Thüringer Michael. Er beklagt die Zusatzbelastung durch Corona-Checklisten und vor allem den steigenden Konkurrenzdruck durch Billiganbieter aus dem Ausland. Foto: Sabine Ackermann

Bananen und Ananas, das ist die Ladung von Michael. Er öffnet mit der linken Hand die Türe seines Trucks, während er rechts seinen gerade entleerten Mülleimer festhält. Freundlich nimmt er sich die Zeit für ein kurzes Pläuschchen, auch deshalb, weil gerade alles aufgrund des Virus am Rad dreht und die Kommunikation mit seinen „Kollegen“ gegen null geht. „Ich bin 44 Jahre auf der Straße, und es werden immer weniger, die deutsch sprechen“, bedauert der 63-Jährige, der aus dem Thüringer Wald kommt und wie er betont: „Die Schnauze voll hat“. Seine Tour geht derzeit von Belgien nach Österreich, sein Arbeitgeber sitzt in Schaanwald, unmittelbar an der Grenze zwischen Liechtenstein und Österreich.

Die Zustände seit Corona seien verheerend: Hinsichtlich der häufig mangelnden oder grenzwertigen Hygieneeinrichtungen auf den Autohöfen einerseits und wegen der Mehrbelas­tungen andererseits. So müsse man ständig nervige Checklisten ausfüllen, um sicherzustellen, ob man in einem Risikogebiet war oder nicht, erzählt er. Zum Schluss, Michael sitzt schon wieder hinterm Lenkrad, lässt er noch raus, was ihn so richtig sauer macht: „Ausländische Trucker aus Polen, Bulgarien oder Rumänien dürfen weiterhin zu Dumpinglöhnen fahren, die um 1,50 Meter verlängerten Sattelauflieger kommen aus Deutschland und gehen an polnische Transportunternehmen.“

Vermutlich eine Momentaufnahme, dass am frühen Vormittag der Großteil der rund 116 Lkw-Parkplätze an der Autobahnraststätte Gruibingen verwaist ist. Etwa zwanzig Fahrzeuge halten kurz an, zum Tanken, Toilettengang oder zum schnellem Frühstück, besorgt vom Bäcker oder Supermarkt. „Das Team des Feng-Shui-Rasthauses kocht für die Helden der Autobahn leckere Gemüsecremesuppe. Die Abgabe im Becher erfolgt kostenlos zwischen 19 und 21 Uhr in der Tankstelle Grui­bingen“, ist an der Eingangstüre zu lesen. Auch die sanitären Einrichtungen waren kostenfrei zugänglich, die Versorgung mit Getränken und Speisen wurde an der Tankstelle gewährleistet - inzwischen hat auch das Feng-Shui-Rasthaus wieder geöffnet.

„Nix spreche deutsch, ich eilig, muss Maske besorgen“, sagt ein junger Trucker, der laut seines Kennzeichens vermutlich aus dem Kosovo stammt. Heute scheint besonders der Osten präsent zu sein. Die wenigen Lkw auf dem erschreckend stillen Parkplatz deuten darauf hin, dass sie aus Bulgarien, Serbien, Rumänien, Albanien sowie aus Tschechien kommen. Im Führerhaus ist nichts zu sehen, wahrscheinlich schlafen die Trucker noch.

Dann, in einigen Metern Entfernung, biegt ein blau-weißer Truck mit der Aufschrift „Tailor Trans“ um die Ecke. Zoltan, wie der Fahrer heißt, verrät nachdem er getankt hat, dass er aus Ungarn kommt. „Ich fahre für Kollege, diese schwer krank. Ich sonst in Ungarn und Österreich fahre, muss weiter zu Kontrolle, wegen Corona.“ Der Zeitdruck ist allgegenwärtig, es hält sich keiner lange auf, die Stopps sind nur kurz.

Seit Corona mehr unter Druck

Plötzlich fallen zwei gelbe Sattelzüge mit einem bekannten Kennzeichen auf. In blauen Buchstaben ist jeweils „Kalksandsteine, Quarzsande, Erdbau, Abbruch, Recycling“ zu lesen. „Lkw-Fahrer sind die Sklaven des Lenkrads“, sagen Janis und Georg aus Esslingen, die selber gerade täglich die überschaubare Strecke Stuttgart-Ulm fahren und mal kurz die Beine vertreten wollten. Doch beide kennen auch längere Routen. Janis beispielsweise hat früher Milchkonzentrat nach Athen geliefert. „Seit 1985 bin ich selbstständig“, erzählt er und findet, dass die Fahrer aus dem Osten aufgrund der Dumpingpreise „menschenunwürdig behandelt werden“. Keine Ruhezeiten und seit Corona aufwendigere Kontrollen und von daher noch mehr unter Druck. Manche sitzen nonstop zehn, elf Stunden am Steuer.

Der Rastplatz als sozialer Treffpunkt funktioniere auch nicht mehr, berichten sie aus eigener Erfahrung, aber auch aus Erfahrungen vieler ihrer Kollegen. Georg und Janis selbst sind froh, dass sie durch Corona beruflich keine großen Nachteile haben und jeden Tag nach Hause kommen. Was die beiden aber so richtig ärgert, ist die zunehmende Zahl der irren Raser, „die nicht mehr auf den Tacho schauen und einen rücksichtslos zur Seite drängen“.