Weilheim und Umgebung
Auf der Alb Verrücktes für morgen ausprobieren

Kampagne Die Schwäbische Alb soll mit einem neuen Slogan offensiver als Modellregion der Zukunft vermarktet werden. Dazu gehören auch die regionalen Produkte unter dem Label „Albgemacht“. Von Thomas Zapp

Alles andere als verrückt, eher wissenschaftlich klingen sie, die „Biosphärenreservate“, von denen es bundesweit 18 gibt und zu denen auch die Schwäbische Alb gehört. Und der Sammelbegriff „Internationale Unesco-Modellregionen für nachhaltige Entwicklung“ beschreibt zwar ganz gut, was in diesen Reservaten passiert, aber auf Anhieb verstehen tun es wohl die wenigsten. „Wir sind keine Marketing-Experten“, räumt der Geschäftsführer der Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb, Achim Nagel, zum Auftakt der landesweiten Imagekampagne auf dem Breitenstein ehrlich ein.
 

„Wir sind
nicht überbesetzt.
Ranger Martin Gienger
betreut mit 16 Kollegen ein Gebiet von 18 000 Hektar Größe.

 

Es war also höchste Zeit für einen knackigen Werbespruch: „Verrückt auf Morgen“ hat die Tübinger Agentur „Die Kavallerie“ getextet, und das ist auch das Motto für die Veranstaltung an diesem nebligen Morgen auf dem nördlichen Rand der Alb.

Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf verweist auf die enge Verbindung seiner Gemeinde zum Biosphärengebiet. Auf Feldern im Bissinger Gemeindegebiet wird „Bienenstrom“ der Stadtwerke Nürtingen erzeugt. Dabei geht es um Monokulturen, die für die Erzeugung von Biogas gezüchtet werden. Diese werden durch Blühwiesen ersetzt. Die haben zwar einen geringeren energetischen Wert, der wird aber durch einen zusätzlichen Cent der Stromkunden ausgeglichen. Und, daher der Name: Die Blühwiesen sind bei Bienen sehr beliebt und wirken gegen das Bienensterben. Auch auf den Mostkäse mit Äpfeln regionaler Streuobstwiesen der Ziegelhütte in Ochsenwang verweist der Schultes nicht ohne Stolz.

Genau darum geht es den Veranstaltern: nachhaltige, ressourcenschonende Projekte auszuprobieren. „Die Biosphärenreservate sind Modellregionen der Zukunft, die das Leben von morgen erproben“, so hat es Achim Nagel angekündigt. Scheitern gehört dazu. „Man braucht einen langen Atem und muss in Kauf nehmen, dass etwas nicht hinhaut“, sagt Marcel Musolf.

Bienenwärme gerät ins Stocken

So ist auch das Projekt „Bienenwärme“ gerade von den hohen Gaspreisen betroffen. Es soll ähnlich wie der Bienenstrom mit einem Aufpreis CO2-neutrales Erdgas den Gaslieferungen beimischen und dadurch artenreiche Blühflächen fördern. Derzeit muss der Verkauf allerdings ausgesetzt werden: „Am Energiemarkt steht aktuell kein Biogas zur Verfügung“, sagt Dr. Manfred Albiez, der die Stadtwerke Nürtingen berät.

Doch die Ideen gehen nicht aus, das zeigen die Gäste, von Alexander Huber von der gleichnamigen Edelbrennerei in Beuren bis zur eigens aus Speyer angereisten Rewe-Sprecherin Sabine Stachorski. Sie promotet die markteigene regionale Produktpalette „Albgemacht“ und outet sich als absoluter „Alb-Fan“: „Ich beneide jeden, der hier wohnen darf.“

Dass aktuell auch generell „verrückte“ wirtschaftliche Zeiten herrschen, bekommen allerdings auch die Vermarkter zu spüren: „Die Kunden sind preissensibler geworden“, sagt die Rewe-Sprecherin. Dennoch sind es mittlerweile zwölf Mitglieder, weitere folgen in Kürze. „Je mehr, desto besser“, sagt Alexander Huber, der mit seinem Bruder in vierter Generation drei Hektar Streuobstwiesen bewirtschaftet.

Wie auf Bestellung zieht der Wolkenhimmel auf und gibt den Blick vom Breitenstein bis zur Teck frei, als Ranger Martin Gienger von seinem Revier berichtet. Der Umwelthüter im Auftrag des Landkreises verweist auf die Bedeutung der Schafweiden wie die am gegenüberliegenden Teckberg. „Die Beweidung durch Schafe ist durch nichts zu ersetzen“, betont er. Denn die Tiere lassen bestimmte Pflanzen stehen, weil sie giftig oder stachelig sind und dort siedeln sich wieder bestimmte Insekten an. „Ein Super-Lebensraum“ sei das, so der Umweltschützer. Allein zehn Arten von Wildorchideen gebe es dort. Und als Brutplatz für Vogelarten wie Bunt-, Grau- und Mittelspecht sind Streuobstwiesen weltweit anerkannt – und von denen gibt es europaweit nirgendwo so viele wie im Landkreis Esslingen.

„Müll ohne Ende“

Für die Menschen der Region sei es „ihre“ Alb, schwärmt der Ranger von der Strahlkraft des Mittelgebirges und verweist auch gleich auf die Schattenseiten der Beliebtheit. „Gerade in der Corona-Zeit gab es einen enormen Andrang“, erzählt er. Das habe für „Müll ohne Ende“ gesorgt und die vorhandenen Kapazitäten gesprengt. „Wir mussten einen größeren Anhänger kaufen, der alte war zu klein“, erzählt Gienger, der mit 16 Kollegen insgesamt 18 000 Hektar Naturfläche betreut, darunter 70 Tafeln, 24 Grillstellen und 160 Tische in Schuss hält. „Wir sind nicht übersetzt“, sagt er unter allgemeinem Gelächter. Für alle, die jetzt wieder auf die Alb kommen, hat er eine Bitte: „Leinen Sie Ihre Hunde an, denn jetzt ist Brutzeit bei vielen Tierarten.“ Schließlich soll die Vielfalt der Alb bei aller Verrücktheit auch in Zukunft erhalten bleiben. 

Weitere Infos  zur Imagekampagne finden sich im Internet auf
verrueckt-auf-morgen.de

 

Wo es auf der Alb irre lecker schmeckt

Verrücktes auszuprobieren kann obendrein gut schmecken: Die „Biosphärengastgeber“ vom Landgasthof Krone in Ochsenwang haben zum Kampagnenauftakt auf dem Breitenstein den Gästen eine „Visitenkarte für den Teller“ geliefert, in Form regionaler Wurst-, Käse- und Maultaschenspezialitäten. Auch Thomas Frank vom Flair-Hotel Bad Urach war dabei. Eine Übersicht der Hotels und Übernachtungsbetriebe gibt es auf www.biosphaerengastgeber.de. zap