Weilheim und Umgebung
Auf der Suche nach der Rammelkammer

Klimawandel Dem Wald geht es schlecht, deswegen sind langfristige Strategien gefragt. Beim Ortstermin in ­Ohmden erklären Experten des Forstamts die Probleme. Von Thomas Zapp

Kühl und feucht ist es an diesem Novembermorgen im Oberholz auf dem Gemeindegebiet von Ohmden. Die Fichte mag so ein Wetter, erklärt Forstdirektor Dr. Johannes Fischbach vom Forstamt des Landkreises Esslingen. Von solchen Tagen gab es in den vergangenen Jahren jedoch immer weniger. Eine Grafik zum „Dürremonitor“, die der Sachgebietsleiter mitgebracht hat, illustriert das Problem: Die braunen Flächen mit einer zu geringen Bodenfeuchte werden seit 2015 immer größer. Es ist zu trocken in den deutschen Wäldern, mittlerweile bis in eine Tiefe von 1,80 Meter. Zwar hat es 2020 mehr geregnet als 2019 und 2018, aber es hat nicht gereicht, um die Wasserspeicher in der Tiefe aufzufüllen. Damit ist auch die Buche betroffen, die relativ tief wurzelt und 44 Prozent der Waldfläche in Esslingen ausmacht. „Wenn wir der Natur freien Lauf ließen, hätten wir einen Laubbaumwald und davon wären 80 Prozent Buchenbestand“, sagt Johannes Fischbach. Die Buche ist konkurrenzstark: Sie kann das Aufkommen anderer Bäume verhindern und gedeiht auch im Schatten gut, die Eiche nicht. Allerdings machen Sonne und hohe Temperaturen auch der Buche zu schaffen.

 

Julia Usenbenz zeigt auf eine Buche, über deren typisch glatte Rinde sich eine Art dicke Borke zieht, so als wäre am Baum eine stark blutende Wunde verschorft. Das ist mit dem Sonnenbrand beim Menschen vergleichbar und einer starken Sonnenbestrahlung geschuldet sowie zu wenig Wasser im Boden. Die Kronen trocknen von oben her ab, Teile können herabstürzen und für Waldbesucher zur Gefahr werden. Am Stamm haben die Förster einen roten Strich gezeichnet: Der Baum muss gefällt werden. Das sei im Forstrevier Weilheim noch die Ausnahme.

 

Wir wollen eine natürliche Waldentwicklung“
Johannes Fischbach

 

„Wir hoffen, dass nicht alle älteren Bestände dem Klimawandel zum Opfer fallen.“ Wissen kann man es aber nicht. Eichen haben bei uns dieses Problem nicht in diesem Maße, sie gehören daher mit der Hainbuche zu den Zukunftsbäumen, die bei Aufforstungen stärker berücksichtigt werden sollen. „Wir glauben, dass die überleben werden“, sagt Julia Usenbenz. Aktiv pflanzen wollen die Förster jedoch nur im Ausnahmefall. „Wir wollen eine natürliche Waldentwicklung“, sagt Johannes Fischbach. Das wird durch eine „Förderung“ gesunder Bäume erreicht, indem man etwa Eichen durch entsprechende Fällungen benachbarter Bäume Licht verschafft. Vielfalt ist wichtig, weil sie das Risiko streut. Man weiß eben nicht, welchen Baumarten der Klimawandel noch zusetzt.

Noch schlimmer ist die Fichte dran, die auch unter dem Wassermangel leidet. Das bräuchte sie aber, um Harz zu bilden und sich damit gegen ihren ärgsten Feind zu wehren: den Buchdrucker und den Kupferstecher, zwei Borkenkäferarten, die sich auf die Fichte spezialisiert haben und Trockenheit und Hitze sehr gerne mögen. Die Förster „jagen“ sie mit der Borkenkäfer-Management-App, denn mit ihr lässt sich die Aufarbeitung der befallenen Bäume schnell organisieren. Acht bis zehn Wochen dauert die Entwicklung vom Ei bis zum Schlüpfen, dann fliegen sie aus und können andere Bäume schädigen. „Ein sicheres Zeichen ist Bohrmehl am Fuße des Baums“, sagt Julia Usenbenz. Denn das heißt, dass sie eine „Rammelkammer“ anlegen. „Der Name ist Programm“, sagt Johannes Fischbach. Was sich lustig anhört, zerstört den Baum allerdings binnen Wochen, wenn die Schädlinge nicht rechtzeitig entdeckt werden.

Revierförsterin Julia Usenbenz schaut sich mit Johannes Fischbach eine knapp fünf Jahre alte Anpflanzung von Douglasien auf einer Fläche an, wo ehemals Fichten standen. Der Baum stammt aus der Familie der Kieferngewächse und hat weiche Nadeln, die intensiv nach Zitrusfrüchten riechen. Er stammt aus Nordamerika, wird aber seit knapp 100 Jahren auch in Mitteleuropa forstlich angebaut und gehört zu den Hoffnungsträgern: Er kommt besser mit Trockenheit zurecht und wurzelt tiefer als die Fichte. Aber es ist keine einheimische Baumart: „Der Naturschutz findet die Douglasie nur bedingt gut. Wir wissen nicht sicher, ob sie sich langfristig bewährt“, räumt Johannes Fischbach ein.

Kaum Hoffnung gibt es für die Esche, die bald aus hiesigen Wäldern als Wirtschaftsbaum verschwunden sein könnte. Schuld daran ist ein Pilz aus Asien, das „Falsche Weiße Stengelbecherchen“. Das Eschentriebsterben ist auch im Ohmdener Wald zu erkennen. An den Waldwegen muss sie deshalb in großem Stil gefällt werden. „Wir gehen davon aus, dass nur ein bis zwei Prozent der Bäume resistent sind“, sagt Julia Usenbenz. Das ist bitter, denn die Esche galt vor 15 Jahren als Hoffnungsträger gegen den Klimawandel. Die nächste Generation von Bäumen wird mit den veränderten Klimabedingungen besser zurechtkommen, heißt es im Forstkonzept für den Wald im Landkreis. Aber in der Übergangsphase könne es zu „gewöhnungsbedürftigen Waldbildern“ kommen. Ein Mut machendes Bild wächst am Waldparkplatz: Hier wurden Linden- und Eichenjungbäume gepflanzt, als Ausgleichsfläche für den Radweg von Ohmden nach Schlierbach. „Das hat das deutsche Forstwesen anderen Ländern voraus, deswegen hat der Baumbestand in Deutschland über die Jahre kontinuierlich zugenommen. Wir leisten aktiven Klimaschutz“, sagt Johannes Fischbach.

 

Die neue Revierleiterin im Porträt

Seit dem 1. Oktober leitet Försterin Julia Usenbenz das Forstrevier Weilheim. Sie „beerbt“ damit den langjährigen Revierleiter Markus König, der in den Staatsforstbetrieb Forst BW wechselt, und übernimmt dort das Staatswaldrevier „Albvorland“.

Julia Usenbenz ist 27 Jahre alt und stammt aus Römerstein auf der Schwäbischen Alb. „Mein Vater hatte einen kleinen Privatwald, das hat mich schon als Kind fasziniert“, erzählt sie. Ihr Berufswunsch war daher schon frühzeitig klar. Als Trainee war sie viel im Schurwald unterwegs, bevor sie dann in die Verwaltung aufs Forstamt nach Kirchheim wechselte. Dort war sie unter anderem zuständig für Gruppenaktivitäten im Wald. Als die Stelle der Revierförsterin ausgeschrieben war, hat sie sich sofort beworben. „Denn draußen zu sein, das war ja mein Traum.“

Zum Forstrevier Weilheim gehören die Wälder der Kommunen Weilheim, Neidlingen, Bissingen, Holzmaden und Ohmden. Julia Usenbenz betreut eine Fläche von 1000 Hektar. Im Vergleich zu früher üblichen Größen ist das ein relativ großes Gebiet. Davon sind rund 250 Hektar Privatwälder, die sich auf etwa 500 Besitzer verteilen.

Kontakt: Julia Usenbenz ist zu erreichen per E-Mail an: forstrevier.weilheim@lra-es.de oder telefonisch unter 07 11/3 90 24 14 47 oder 01 73/6 63 95 03. zap