Weilheim und Umgebung

Aus bunten Stoffen werden Existenzen

Sozialarbeit Nadja Mühlhäuser aus Neidlingen hat ein halbes Jahr in Malawi für ein Projekt gearbeitet, das Frauen zu Schneiderinnen ausbildet. Von Thomas Zapp

Eine Näherin bei ihrer Arbeit in Malawi. Foto: Taste of Malawi

Das Wort „helfen“ mag Nadja Mühlhäuser nicht besonders. „Das englische Wort „Empowerment“ finde ich besser“, sagt sie. Es bedeutet so viel wie ermächtigen oder befähigen. Und genau darum geht es beim Projekt „Taste of Malawi“, das sich mit seinem Angebot von Nähkursen an die einheimischen Frauen des ostafrikanischen Binnenstaates wendet. Sie sollen „befähigt“ werden, sich mit ihrem erlernten Beruf selbstständig zu machen. Zwei Jahre werden sie ausgebildet, ein Teil ihres Gehalts wird ausgezahlt, ein Teil angespart, um der Existenzgründung zu dienen. Dazu gibt es regelmäßig Workshops im Bereich „Business-Skills“, Nähtechniken oder den so genannten Soft Skills, die man als Unternehmerin braucht. Denn Nähen hat in dem Land eine Tradition, ist aber im Gegensatz zu Europa eine Männerdomäne. Gleichzeitig ist das Projekt eine Hilfe für das Land: Die für Ostafrika typischen, farbintensiven Chitenje-Stoffe werden in Europa bekannt gemacht und dort verkauft.

Nadja Mühlhäuser hat ein halbes Jahr bei „Taste of Malawi“ mitgearbeitet. Die Neidlingerin studiert in Ludwigsburg Soziale Arbeit und wollte im Rahmen ihres Studiums nicht nur eine Zeit in Afrika verbringen, sondern auch an einem Projekt mit Frauen mitwirken. So ist sie bei „Taste of Malawi“ gelandet. Die Unterkunft wurde gestellt, aber bezahlt wurde ihr nichts. Das findet sie auch richtig. „,Taste of Malawi‘ lebt von Spenden und die kommen zu hundert Prozent dem Projekt zugute“, sagt sie. Ohnehin sieht sie sich ja nicht als „Helferin“. Die Zusammenarbeit mit den einheimischen Frauen sei ein Geben und Nehmen, denn auch die Gäste aus Europa könnten viel von den Afrikanerinnen lernen, meint sie. „Mehr Gelassenheit“, sagt die 25-Jährige.

Malawi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Der Durchschnittseinwohner verdient nach Angaben der Weltbank pro Kopf etwa 340 US-Dollar im Jahr. Die meisten Malawier sind Selbstversorger mit einem Stück Land. Kein Wunder also, dass es für Nadja Mühlhäuser aus dem beschaulichen Neidlingen verschiedene „Kulturschocks“ in Malawis 900 000-Einwohner-Hauptstadt Lilongwe gab. Besonders beeindruckt haben sie die Taxis. Die für neun Insassen ausgelegten Kleinbusse waren regelmäßig mit 18 Menschen belegt. „Meistens hatte noch jemand ein Huhn oder eine Ziege dabei“, erzählt sie lachend. Eine weitere Herausforderung war es für sie, die heißen Gerichte mit den Händen zu essen. Aber auch daran hat sie sich gewöhnt.

Außerhalb des Projekts, in dem vor allem Europäer arbeiten, kam sich Nadja Mühlhäuser wie eine Exotin vor. „Die Leute haben einen ständig angesprochen, weil man meistens die einzige Weiße war“, erzählt sie von ihren Touren durch die Stadt. Sehr freundlich und offen seien die Menschen gewesen. Deshalb habe sie sich nie unwohl oder gar bedroht gefühlt. Allerdings sei es ihr nicht gelungen, Freundschaften zu Einheimischen zu knüpfen, auch wenn Englisch neben der Bantusprache Chichewa die zweite Amtssprache ist. Dafür sei das Gefälle zwischen den Einkommen einfach zu hoch, Partys haben dann doch die „Weißen“ geschmissen.

Dennoch hat Nadja Mühlhäuser das Gefühl, in dem halben Jahr einiges bewegt zu haben. So hat sie die Kinderbetreuung für die im Projekt beschäftigten Näherinnen ins Leben gerufen und hat erlebt, wie Fatma, eine der ausgebildeten Näherinnen, von einem Unternehmen in Südafrika abgeworben wurde.

Dauerhaft für das Projekt nach Afrika zu gehen, kann sich Nadja Mühlhäuser zwar nicht vorstellen. Aber sie hat sich vorgenommen, von Europa aus weiter für die Näherinnen von Malawi zu arbeiten, indem sie einen Internet-Blog schreibt und Marketing für die Nicht-Regierungsorganisation betreibt. Das geht per Internet auch von Neidlingen aus. Ihr halbes Jahr vor Ort hat sie aber in vollen Zügen genossen und daraus einiges mitgenommen. „Ich finde, nach der Schule sollte jeder einmal eine Zeit in Afrika verbringen. Damit man erlebt, mit wie wenig die Menschen in Afrika zufrieden sind“, sagt sie.