Weilheim und Umgebung
Aus Liebe zum Baum

Kulturzeit Das Ensemble „Divertimento“ eröffnet den fünfwöchigen Weilheimer Veranstaltungs-Reigen in der gut besuchten Schlossscheuer und beleuchtet das Thema „Bäume“ tiefgründig. Von Patricia Jeanette Moser

Bäume können ein Treffpunkt für Liebespaare sein, und Sprichwörter assoziieren vieles im Zusammenhang mit Bäumen“, befand die Rezitatorin Dr. Waltraud Falardeau am Samstag bei der Begrüßung des Publikums. Mehr als 40 Kultur­interessierte fanden den Weg in die Schlossscheuer, deren Tore einladend weit offenstanden.

In historischem Ambiente war das abendliche Thema den Bäumen gewidmet. Das Ensemble Divertimento, dessen Name aus dem Italienischen übersetzt „Vergnügen“ bedeutet und im Musikalischen ein mehrsätziges Instrumentalstück bezeichnet, wurde genau diesen Begriffen gerecht. Dem Publikum bereitete die feine Auswahl an Gedichten, Texten und Musikstücken großes Vergnügen, wie die Reaktionen zeigten. Waltraud Falardeau lieferte den Beweis dafür, dass die Literatur den Baum liebt. Er begegne uns in der Aue und der Allee, führte sie anfangs ein. Er bilde ein Geheimnis und stünde als Symbol zur Verfügung. Wurzeln, Stamm, Äste, Blätter und Krone, alles wurde schon thematisiert in der Literatur.

Hermann Hesse mit Gefühl

Hermann Hesse scheint ein Lieblingsautor der Rezitatorin zu sein, den sie oft und gerne auswählt. Seine Gedichte spricht sie auswendig – gefühlvoll – mit Blick in die Ferne – ganz im Text verwoben. Das Publikum ist aufmerksam und auch ein wenig ergriffen. „Ich verehre sie“, sagt Hesse über die Bäume, „…besonders, wenn sie einzeln stehn“, heißt es im „Glasperlenspiel“ des Autors. Zuvor unterstreicht die getragene Melodie von „Sholem sol sayn“, ein jüdisches Klezmerstück, mit perlenden Klaviertönen und einer sanften Querflöte, das Thema Bäume. Sabine Burkhardt an der Querflöte und Andreas Baumann am Klavier begleiten den Abend virtuos, mal sanft, mal temporeich und immer gefühlvoll das Thema ergänzend. Sie bringen Stücke mit wie „Alma corazon y vida“ von Adrian Flores Alban, ein Stück, das für Seele, Herz und Leben und für die Frau geschrieben sei, hieß es am Abend. Ein Medley aus drei traditionellen irischen Stücken war musikalisch dabei. Von Bach gab es die Sonate II in S-Dur, 1. Satz, allegro moderato zu hören. Den Schluss bildete der „Spanish Dance“ von Moritz Moszkowski.

Das Trio Divertimento, das aus dem Raum Plochingen und Nürtingen stammt, spielte fein aufeinander abgestimmt, harmonisch, sehr zur Freude des Publikums. Den Titel „plaisir d’amour“ gab es zum Schluss als liebevolle Zugabe. Zum dritten Mal ist das Ensemble bereits in der Schlossscheuer und dem Publikum teilweise schon vertraut. Es dauert nicht lange, bis die Zuhörer zusehends ent­spannt sind und in die Welt der Bäume eintauchen. Der erste Teil des Abends bringt ein Zusammentreffen mit der Dichterin Hilde Domin, auch deren Gedicht „Ziehende Landschaft“ spricht die Rezitatorin auswendig. Wie schön es klingt, wenn solche Zeilen so gesprochen werden, wie es Waltraud Falardeau gelingt. Hier geht es ums Weggehen und ums Bleiben. Weitere literarische Perlen bringt sie mit, mit Gedichten von Friederike Mayröcker, Wolfgang Goethe, Eichendorff, Muriel Barbery und Bertolt Brecht. „Ich spüre die Freude, wenn man von Bäumen spricht“, befindet Barbery und Brecht überrascht mit dem Gedicht „An Marie A.“. Auch hier rezitiert Waltraud Falardeau auswendig.

Das temporeiche Musikstück, wo der Kuckuck aus dem Wald rufen darf, führt alle Anwesenden in die Gegenwart. Bäume werden unter anderem mit dem Begriff „Heimat“ verbunden, wie ein weiteres Gedicht von Hermann Hesse zum Ausdruck bringt. „Heimat ist in dir drinnen“, befindet der Dichter. Der Indianerhäuptling Tatanga Mani kommt mit seinem Werk ebenfalls zu Wort an diesem Abend. „Bäume sprechen mit dir, wenn du zuhörst“, heißt es von ihm.

Ein Abend für die Seele

Nach einer Pause, die so mancher Schlossscheuer-Gast im Freien unter dem Schatten spendenden Ahorn verbringt, geht es „vorwiegend heiter“ weiter. Die Rezitatorin Waltraud Falardeau bringt Gedichte von Christian Morgenstern, Theodor Fontane, Wilhelm Busch, Rainer Maria Rilke, Rose Ausländer, Gottfried Pfäffel, Heinrich Heine, Robert Gernhardt und letztendlich auch Heinz Erhardt mit. „Der Baum hat Äste, das ist das Beste. Denn wäre er kahl, dann wär es ein Pfahl“, so der humorvolle Dichter.

Ein Abend mit viel Inhalt und schönen Klängen ging wie im Fluge vorbei. Einen Abend für die Seele wollte die Organisatorin des Abends, Andrea Bauknecht von der Stadt Weilheim, gestalten, verriet sie in der Pause. Diesbezüglich hat sie die Richtung bestens gewiesen. Das Ensemble wurde mit anerkennendem und dankbarem Applaus belohnt und verabschiedet.