Weilheim und Umgebung

Bauern wollen faire Preise

Regionale Landwirte leisten den Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Ein Liter Milch für 45 Cent, Hackfleisch für keine zwei Euro das Pfund. Hat ein landwirtschaftlicher Familienbetrieb noch eine Überlebenschance?

Friedlinde Gurr-Hirsch ließ sich von Michael Kuch den neuen Bewegungsstall auf dem Sulzburghof zeigen, den die Kühe bald beziehe
Friedlinde Gurr-Hirsch ließ sich von Michael Kuch den neuen Bewegungsstall auf dem Sulzburghof zeigen, den die Kühe bald beziehen sollen.Foto: Nicole Mohn

Lenningen. Mit Ackerbau und Viehzucht lässt sich in weiten Teilen Deutschlands schon lange nicht mehr viel verdienen. Vor allem in Gebieten, in denen die schwierigen geografischen Gegebenheiten ein großflächiges Wirtschaften kaum zulassen, sind die Herstellungskosten derzeit höher als das, was der Bauer für seine Produkte am Markt erzielen kann. Wie sieht sie also aus, die Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft? Diese Frage stellte der Kreisverband der Frauen-Union bei einer Podiumsdiskussion auf dem Sulzburghof in Unterlenningen.

Es ist ein weites Feld, das die Veranstalterinnen zusammen mit ihren Podiumsgästen Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Landesministerium für Ernährung und Ländlicher Raum, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich sowie den Landwirten Arnim Kächele und Angelika Kuch vom Sulzburghof beackerten. Die Anforderungen an Landwirte sind hoch: Nachhaltige, gesunde Lebensmittel sollen sie produzieren, die Kulturlandschaft pflegen und erhalten. Auf der anderen Seite werfen Probleme wie die niedrigen Milchpreise, Kostendruck, Klimawandel und fehlende Bereitschaft der Verbraucher, für ein hochwertiges Lebensmittel tiefer in die Tasche zu greifen, große Schatten auf das Idyll Bauernhof.

Wer Verbraucher-Verhalten ändern will, der muss aus Sicht von Friedlinde Gurr-Hirsch schon bei den Kindern ansetzen: „Wir müssen in die Kindergärten und Schulen gehen“, fordert sie eine frühe Verbraucher-Schulung. Auch der Bauernhof als Lernort ist für sie sehr wichtig. Ein Punkt, der auch Bäuerin Angelika Kuch am Herzen liegt. „Ich bin nicht oft im Supermarkt, aber wenn ich sehe, was die Leute alles im Wägele haben, denk ich: Das braucht es doch alles nicht“, wünscht sie sich bei den Verbrauchern mehr Wissen darüber, was sie da so alles essen und trinken.

Bioland-Bauer Arnim Kächele vermisst vor allem eines: „Faire Preise und faire Handelspartner.“ Er sieht die Bauern als Opfer ihrer eigenen Leistungsfähigkeit, die ein Überangebot produziert und die Preise schwächt. Die Abschaffung der Milchquote bedauert er sehr: „Sie hat dafür gesorgt, dass die Milch da geblieben ist, wo sie herkommt“, erklärt er. So aber werden die Bauern in den Regionen, in denen die Bewirtschaftung schwierig ist, ins wirtschaftliche Jenseits geschickt. Denn auf Dauer könne keiner der Höfe den Verlust, den er beim Milchverkauf macht, ausgleichen. „Spätestens, wenn der Schlepper kaputt ist und ersetzt werden muss, ist Schluss“, glaubt er.

Die Kehrseite der Milchquote kennt Gurr-Hirsch ebenso. „70 bis 80 Prozent der Gelder der Europäischen Union sind in die Förderung der Landwirtschaft geflossen“, verdeutlicht sie den Zuhörern, welchen Aufwand die Staatengemeinschaft betrieben hat. Investitionen in die Infrastruktur oder soziale Projekte seien kaum möglich gewesen. Was jetzt aber passiert ist, macht sie ratlos. „Es gibt zu viel Milch in der Welt“, weiß sie und auch, dass die Politik erneut gefordert ist.

Dazu regte sich Widerspruch aus der Zuhörerschaft. „Politik hält sich am besten raus“, meint Albert Kahle, Stadtrat aus Kirchheim, dazu. Der Landwirt sei ein Unternehmer: „Aber ein freier Unternehmer ist er nicht – alles ist bis ins Kleinste hinein geregelt“, spricht er sich für eine Liberalisierung der Landwirtschaft und einer Abschaffung der Ausgleichsmaßnahmen aus. Das aber, widerspricht ihm Gurr-Hirsch, bedeute das Aus für viele Bauernhöfe, die mit den Preisen auf dem Weltmarkt gar nicht mithalten könnten: Müssten sie auf Zulagen wie für Steillagen oder Magerwiesen verzichten, sei für sie Schluss.

Die Chance sehen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in einer besseren Vernetzung, nicht nur bei der Vermarktung, sondern auch im Tourismus. Denn er ist für viele Betriebe der Region ein zweites Standbein geworden. Vor allem aber ist der Verbraucher gefragt, damit der Bauer von nebenan weiter existieren kann. „Mit dem, was man isst und trinkt, kann man unsere Landschaft erhalten“, sagt Tina Kuch zum Schluss.

Im Anschluss bot sich für die Besucher die Gelegenheit, sich über den Sulzburghof und den Bioland-Betrieb von Arnim Kächele zu informieren. Beide Landwirte boten Führungen an und informierten ausführlich über die Aspekte und Probleme, die durch die moderne Milchviehwirtschaft entstehen.