Das war ein Heimspiel für Bestseller-Autorin Ulrike Siegel aus Brackenheim. Sie war zu Gast bei den Landfrauen in Hepsisau und las auch aus ihren Büchern vor, in denen Bauerntöchter zu Wort kommen, die etwa gleich alt sind als die 1961 geborene Autorin. In mehr als einer Geschichte fanden sich die Hepsisauerinnen wieder. Das Stichwort Küchenzettel reichte aus, um unliebsame Erinnerungen heraufzubeschwören, was die mehrstimmigen Laut- äußerungen in der Zipfelbachhalle sofort klarmachten. Dabei handelte es sich um einen Zettel, der gut sichtbar auf dem Küchentisch für die von der Schule heimkehrenden Kinder lag - und selten etwas Gutes bedeutete, denn es waren in der Regel Arbeitsanweisungen.
So auch für Petra, die ihre Geschichte mit „Stubenfliege knusprig“ überschrieben hat. In dem Buch „Immer regnet es zur falschen Zeit“ hat Ulrike Siegel die Bauerntöchter selbst schreiben lassen. „Die härtesten Töne schlägt Petra an, die aus dem Raum Stuttgart kommt und zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Geschichte aufgeschrieben hat, Stadtplanerin in Sachsen war“, verriet die Autorin. Lag so ein Küchenzettel auf dem Tisch, hieß das für Petra zunächst einmal: alleine essen, den Topf mit der lauwarmen Mahlzeit unterm wärmenden Kissen vom Sofa holen und auf dem Holzherd warm machen. Dann musste die Liste auf dem Zettel abgearbeitet werden. Unausweichlich war das Nachkommen auf den Rüben- oder Kartoffelacker, die Heuwiese oder den Wengert, wo der Rest der Familie schon arbeitete. Besonders verhasst waren Petra die Fliegen, die zuhauf in der Küche herumflogen, weil den Kuhstall nur zwei Türen trennten und die „Miste“ auch nicht weit entfernt war. Bildhaft beschreibt sie, wie die Insekten zu Hunderten an den gelben Fliegenfängern klebten, in der Suppe im Teller landeten - oder eben schnell knusprig in der Pfanne gebraten waren. „Als die Identität von Petra dank einer Nachbarin aufgeflogen ist, sagte ihre Mutter: So war es. Die Zeiten waren so“, erzählte Ulrike Siegel. Übrigens: Petra betreibt heute eine Bäckerei in London und war in der Fernsehsendung „Hart aber fair“ zum Thema Brexit zu Gast.
Die Idee der Geschichten verselbstständigte sich, drei Bände von der Bauerntöchter-Reihe hat Ulrike Siegel herausgebracht. Im Buch „Kein Rindvieh - bloß kein Rindvieh“ lässt sie Prominente zu Wort kommen. So zum Beispiel Verena Bünten, vielen als Washington-Korrespondentin in der ARD ein Begriff. Sie hat ihr Kapitel mit „Scheißeschieben macht verwegen“ überschrieben. Zu viel Arbeit für zwei Erwachsene hat es auf dem Hof in der Nähe von Aachen gegeben. Obwohl sich die Eltern selten beklagten, hat sie als Kind diese nie enden wollende Arbeit und das permanente Müssen als bedrückend erlebt. Ihr Vater hatte einen 15-Stunden-Tag. Er war Besamungstechniker und sorgte auf vielen Höfen für Kuh-Nachwuchs. „Mein Vater, der Kälbchenmacher“, schreibt Verena Bünten und erinnert sich heute mit einem Grinsen an den für sie im Pubertäts-Alter peinlichen Spruch ihres Vaters auf dem Anrufbeantworter: „Liebe Kunden, am ersten Weihnachtsfeiertag macht der Bulle Urlaub. Ab morgen wird dann wieder besamt.“ Doch beim „Scheißeschieben, dieser meditativsten aller Bauernhoftätigkeiten“, hat sie ihr Leben strukturiert - und ist ihr die Idee mit dem Journalismus gekommen.