Weilheim und Umgebung

Behörden-Odyssee dauert Monate

Flüchtlinge Damit er seine Ausbildung fortführen kann, kämpfen ein junger Mann aus Togo und sein ehrenamtlicher Ausbildungshelfer um Unterstützung. Sie müssen etliche Rückschläge einstecken. Von Bianca Lütz-Holoch

Gehen Formulare, Anträge und Bescheide durch: Razakou Ouro-Sama und sein Ausbildungsbegleiter Franz Preininger.Foto: Carsten Rie
Gehen Formulare, Anträge und Bescheide durch: Razakou Ouro-Sama und sein Ausbildungsbegleiter Franz Preininger.Foto: Carsten Riedl

Morgen für Morgen steigt Razakou Ouro-Sama auf sein Fahrrad und radelt von der Weilheimer Innenstadt ins Gewerbegebiet Au. Dort macht er bei der Firma Hiller eine Ausbildung zum Medientechnologen Druckverarbeitung - oder wie es früher hieß: zum Industriebuchbinder. Nur wenn Blockunterricht in der Berufsschule ist, bleibt das Rad stehen. Dann muss der 26-Jährige mit Bus und Bahn zur Gutenberg-Schule nach Stuttgart fahren - und eine Fahrkarte kaufen. Das ist ein Problem. „Ich bekomme 550 Euro netto“, erzählt Razakou Ouro-Sama. Er zahlt monatlich 140 Euro Miete für ein Zimmer in einem städtischen Wohnhaus. Wenn Berufsschulphasen anstehen, kommt noch die Fahrkarte für Bus und Bahn dazu. Mit dem Rest muss er Essen, Kleidung und Lernmaterialien finanzieren. „Es ist sehr schwer, von dem Geld zu leben“, sagt der 26-Jährige, der in Togo ein Gymnasium besucht hat.

Das sieht auch Franz Preininger so. Er arbeitet ehrenamtlich für den Senior Expert Service und ist der Ausbildungsbegleiter des jungen Mannes aus Togo. „Es kann doch nicht sein, dass Herr Ouro-Sama unterm Strich weniger Geld hat als andere, die nicht arbeiten“, zeigt er sich entrüstet und beschließt, Unterstützung zu beantragen. Eine Odyssee beginnt.

„Als Azubi muss ihm doch ein Ausbildungszuschuss zustehen“, ist Preiningers erster Gedanke. Beim Job Center erfährt er, dass das nicht geht, weil Ouro-Samas Ausweis abgelaufen und sein Aufenthaltsstatus ungeklärt ist. „Den neuen Ausweis hatten wir aber schon längst beim Ausländeramt in Nürtingen beantragt“, so Preininger. Doch die Sache zieht sich. Erst drei Monate später trudelt das Dokument ein.

Für Verwirrung sorgt zudem ein Schreiben des Landratsamts an Razakou Ouro-Sama, das ihn bereits im Sommer zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft aufgefordert hatte: „Ihr Asylverfahren ist nunmehr positiv abgeschlossen“, steht darin. Auf Nachfrage habe das Amt aber mitgeteilt, man habe „aus Versehen“ ein falsches Formblatt benutzt: „Mit so etwas schürt man doch falsche Hoffnungen“, ärgert sich Franz Preininger.

Als der neue Ausweis Anfang Januar kommt, stellt der Ausbildungsbegleiter beim Job-Center im Namen seines Schützlings erneut einen Antrag auf Ausbildungsförderung. Er wird wieder abgelehnt. „Herr Ouro-Sama gehört nicht zum förderungsfähigen Personenkreis“, erläutert Kerstin Fickus, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Göppingen. Das liegt an seinem Aufenthaltsstatus. Razakou Ouro-Sama hat lediglich eine Aufenthaltsgestattung, die auf die Zeit seiner Ausbildung und eventuell seines Berufseinstiegs begrenzt ist. Was danach kommt, ist offen. Klar ist aber: „Togo gehört nicht zu den fünf Ländern mit hoher Bleibeperspektive“, so Fickus. „Und nur Personen aus diesen Ländern haben Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe.“

Das Gleiche gilt übrigens auch für den Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt, den Preininger im Anschluss bei der Arbeitsagentur stellt. „Das geht nur bei geklärtem Aufenthaltsstatus“, erfährt der Ausbildungsbegleiter.

Unterdessen drängt die Zeit. Ende Januar, Anfang Februar steht ein neuer Schulblock an: „Ich weiß nicht, wie ich die Fahrkarte bezahlen soll“, sagt Razakou Ouro-Sama. Franz Preininger gibt nicht auf. Auf dem Weilheimer Rathaus kann ihm mit seinem Problem niemand weiterhelfen. Er wendet sich ans Ausländeramt in Nürtingen und erfährt: „Die stellen nur Ausweise aus.“ Er fährt weiter nach Esslingen zum Landratsamt. „Dort kann man Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen“, hat Preininger in Erfahrung gebracht. Aber beim Amt für Flüchtlingshilfe wird Franz Preininger weggeschickt - zumindest vorläufig. „Leistungen von dort gibt es nur, wenn kein Wohngeld gezahlt wird.“ Also bemüht sich der Ausbildungsbegleiter zunächst darum. Das Skurrile aus seiner Sicht: „Zwar wird das Wohngeld vom Landkreis ausgezahlt - beantragen kann man es aber nur bei der Stadt.“

Die Wohngeldstelle des Landratsamts lehnt es ab, zu zahlen. Nun endlich, fünf Monate nach Beginn von Franz Preiningers Bemühungen, springt das Amt für Flüchtlingshilfe in die Bresche und stellt einen Bescheid aus: Razakou Ouro-Sama bekommt 95 Euro Unterstützung im Monat - nicht viel, aber es genügt, um die Fahrkarten zu kaufen, die es für Azubis jetzt im günstigen Abo gibt. Ein paar Lernmaterialien kann er auch kaufen.

Trotz des erfreulichen Endes blickt Franz Preininger ungläubig auf die vergangenen Monate zurück. „Ich bin wochenlang im Kreis gelaufen und keiner konnte mir sagen, wo ich richtig bin“, klagt er: „Jede der Behörden hat nur ihr Feld im Blick, keiner schaut nach rechts oder links.“ Auch Gerald Hiller, der Chef von Razakou Ouro-Sama, hat immer wieder versucht, zu helfen: „Aber es war sehr schwierig, überhaupt zu den Entscheidungsträgern durchzudringen, da wird alles abgeblockt.“

„Eine zentrale Koordinationsstelle kann es nicht geben“

Eine zentrale Stelle, die bei Flüchtlingsthemen koordiniert, berät und auf die richtigen Behörden und Ansprechpartner verweist, würde sich Franz Preininger, Ausbildungsbegleiter vom Senior Expert Service, wünschen.

Auf Bundesebene sucht man eine solche Einrichtung vergeblich. „Eine zentrale Koordinationsstelle gibt es nicht und kann es nicht geben“, sagt Christian Westhoff, Pressesprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. „Dazu ist die Lebenswirklichkeit zu vielfältig und zu schillernd.“ Dass es gerade im Bereich Flüchtlinge immer wieder hakt, will er nicht leugnen: „Seit Beginn der Flüchtlingswelle hat sich rechtlich sehr viel getan, und das Thema ist derart komplex, dass die Behörden vor Ort vor massiven Herausforderungen stehen“, gibt er zu bedenken. „So etwas ruckelt sich nur langsam zurecht - und wir hoffen, dass alle Seiten dazulernen.“

Im Kreis Esslingen gibt es ebenfalls keine Allround-Stelle für alle Fälle: „Wir können nicht noch eine extra Behörde aufmachen, sondern müssen zusehen, dass wir das Flüchtlingsproblem im Regelsystem bearbeiten“, sagt Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamts in Esslingen.

Flüchtlinge in Ausbildung finden jedoch Hilfe bei der IHK, wie das Landratsamt mitteilt. Nesrin Abdullah von der Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen berät Flüchtlinge zur dualen Ausbildung, unterstützt bei Bewerbungen, aber auch bei der Beantragung von Fördergeldern und Behördengängen. Sie ist erreichbar unter der Telefonnummer 07 11/3 90 07-83 34 oder per E-Mail an nesrin.abdullah@stuttgart.ihk.de.bil