Weilheim und Umgebung

„Bei drei isch es oifach vorbei“

Auktion Rot, süß, saftig: Jedes Jahr versteigert der Obst- und Gartenbauverein Hepsisau eigene und städtische Kirschen an die Meistbietenden. Von Sabine Ackermann

Damit alles seine Richtigkeit hat, führen die Auktionatoren des OGV fein säuberlich ihre Listen. Fotos: Sabine Ackermann
Damit alles seine Richtigkeit hat, führen die Auktionatoren des OGV fein säuberlich ihre Listen. Fotos: Sabine Ackermann
Der kleine Meteheln erobert mutig den frisch ersteigerten Kirschenbaum.
Der kleine Meteheln erobert mutig den frisch ersteigerten Kirschenbaum.

Den Kopf im Nacken steht ein Mann im Gras. Sein Blick mit der Hand an der Stirn als Behelfssonnenschutz ist gen Himmel gerichtet, konzentriert beäugt er die mittel- bis dunkelrote Pracht am Baum. „Der ist gut, den nehmen wir uns“, sagt Zafer Yabantas mit gedämpfter Stimme zu seiner Frau Aysel. Erst mal probieren denkt sich diese und schiebt sich eine Kirsche in den Mund, überlegt, probiert noch zwei, drei von den prallen Früchten und gibt schließlich ihr okay. Das Ehepaar aus Uhingen ist nicht zum ersten Mal in Hepsisau, hat an diesem Tag zwei Bäume ersteigert. „Wir essen die Kirschen gleich auf und verteilen sie an Familie und Freunde“, erzählen beide. Weitläufig zerstreut zieht eine Gruppe von etwa dreißig Interessenten von einem Baum zum nächsten. Manche pflücken, essen, andere gehen suchend weiter. Nach dem beachtlichen Regenguss am Freitagabend war das Wetter am Samstagmorgen perfekt. Sonne satt, atemberaubender Ausblick auf Limburg und Aichelberg inklusive. Zum dritten und letzten Mal in diesem Jahr war es wieder soweit: kommen, zahlen, nutzen - Kirschenverkauf direkt vom Baum, genauer gesagt, meistbietend gegen Gebot versteigert.

Nicht jeder Baum ist mit Kirschen prall gefüllt. Bei besonderen Prachtexemplaren gibt es teilweise wahre Bietergefechte.
Nicht jeder Baum ist mit Kirschen prall gefüllt. Bei besonderen Prachtexemplaren gibt es teilweise wahre Bietergefechte.

Schon seit Jahrzehnten pflegt, hegt und betreut der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Hepsisau die vereinseigene Anlage am Burk­hardswasen im Zipfelbachtal mit rund 200 Kirschbäumen und den etwa 50 Bäumen der Stadt Weilheim. Heute vor Ort sind Kassier Werner Hepperle, Listenführer Jörg Schumann, sowie „Auktionator“ Heinz Gienger. „Der lohnt sich nemme, do isch net viel drauf“, meint Letzterer, der einen Kirschbaum nur anzuschauen braucht und dann ungefähr weiß, wie viele Kilo dieser trägt. Experten ihres Fachs sind sie allemal, ein gut eingespieltes Trio, das für den OGV lebt.

Man muss schnell sein

„Drei Euro, fünf Euro, zum zweiten, dritten, hotta“, wickelt der ehemalige OGV-Vorstand weniger begehrte Kirschbäume schnell ab. Plötzlich weckt ein Prachtexemplar die Begierde einiger Männer. Zehn Euro lautet das Startgebot, dann geht es mit Schmackes in „Ein-Euro-Schritten“ weiter: „…15, 16, 17, 18… gekauft!“ Beim Ersteigern (s)eines heiß begehrten Objekts muss man schnell sein, aber auch seine Grenzen kennen. Abwarten, was die Konkurrenz bietet und beim Preispoker rechtzeitig aussteigen. „Bei drei isch‘s ganz oifach vorbei“, erklärt Heinz Gienger dem Nachzügler, der als Mitwerber den Kürzeren zog und deswegen beleidigt aus der Wäsche guckt.

Auch genaues Zuhören ist von Vorteil. „Lenk doch nicht ab, lass doch den Mann seinen Job machen“, ergreift Andreas Friesen aus Deggingen das Wort, der seit zehn Jahren stets geduldig auf den richtigen Baum wartet. Manche Rivalen legen trotzig bei jedem Gebot noch einen drauf, treiben so künstlich den Preis in die Höhe, ärgert sich der Auktionator, der diese Unart unterbindet. „Wir vom OGV gucken, dass jeder einen Baum kriegt, der noch keinen hat“, sorgt Heinz Gienger für Gerechtigkeit. So richtig wütend machen den 66-Jährigen aber die dreisten Diebe, die mit Plastiktüten bewaffnet ohne jegliches Unrechtbewusstsein gezielten Kirsch-Klau betreiben. „Seit Corona ist es noch schlimmer geworden, die Leute zieht es immer mehr in die Natur“.

Daniel Bali und seine Frau Hülya aus Faurndau sind mit Gabriel (14), Noah (11) und David (2) aus einem ganz bestimmten Grund hier: „Wir wollen unseren Kindern damit zeigen, dass die Kirschen nicht vom Supermarkt kommen“. Langsam neigt sich die Versteigerung dem Ende zu, Heinz Gienger haut jetzt richtig gute Schnapper raus. „Baum 140 und 143 gibt es für je fünf Euro“, ruft er und packt mit Blick auf eine Dame seine Charme-Offensive aus: „Weil sie mich so nett angelächelt hat“. Wobei er aus Erfahrung weiß, dass es die Männer nicht gerne sehen, wenn ihre Frauen mitsteigern. Wenige Meter entfernt hat Hümeyra großen Spaß an ihren schicken Ohrringen aus prallen Kirschen. Die Neunjährige ist mit ihrer Familie aus Neu-Ulm hier, doch auch Opa, Oma und Onkel Kalayci aus Heroldstadt haben eine längere Fahrt auf sich genommen. „Wir kommen seit vier Jahren“, sagt Suayip Kalayci und hält seinen zweijährigen Enkelsohn Meteheln fest, der gerade mutig die Leiter erobert.

Am Ende schaut noch Ehrenpräsident Walter Schumann vorbei, gleich scherzen seine Kollegen, „ob er sich seine Provision abholen will?“