Weilheim und Umgebung

Das geistliche WortWenn der Tag 25 Stunden hätte

Ach, wenn er doch eine Stunde mehr haben könnte, der Tag. Täglich. Was ließe sich da nicht noch alles erledigen und schaffen. Ich denke, viele von uns könnten in diesen Adventstagen mehr davon brauchen: von der Zeit. Bloß ein kleines bisschen mehr davon. Vielleicht eine weitere Stunde. Denn oft geht sie uns einfach aus. Wenn der Tag zu schnell vorüber ist und es zu früh dunkel wird. Bloß ein bisschen mehr Zeit … und dadurch vielleicht weniger Hektik, weniger Stress und mehr Entspannung.

In seiner Kurzgeschichte „Die 25. Stunde“ spielt der Salzburger Weihbischof Andreas Laun diesen Gedanken durch. Von besorgten Engeln wird dort erzählt, die Gott, dem Schöpfer, berichteten, dass die Menschen fast gänzlich aufgehört hätten zu beten. Dies läge daran, dass die Menschen zum Beten trotz allen guten Willens einfach keine Zeit mehr fänden. Das fehlende Gebet zu Gott oder die fehlende Andacht also allein aus Mangel an Zeit. Daraufhin entschloss sich Gott also, den Tag um eine Stunde zu verlängern und schuf für seine Menschen eine 25. Tagesstunde. Die Menschen waren, als dies bemerkt wurde, zunächst verblüfft, doch dann voll Dankbarkeit. Als „Stunde Gottes“ werde diese 25. Stunde in das Leben der Menschen eingehen, so ließen es die Bischöfe verlautbaren.

Doch bald wich die Freude der Ernüchterung, denn es kamen nicht mehr Gebete im Himmel an. Gefragt nach dem Grund, ließen die Geschäftsleute ausrichten, die 25. Stunde habe durch die Umstellung der Organisation einfach zu viele zusätzliche Kosten verursacht. Die Gewerkschaft erklärte, dass diese Stunde ganz im Inte­resse der Arbeitnehmer für Freizeit und Erholung frei gehalten werden müsse. In intellektuellen Kreisen wies man darauf hin, dass niemand dem Bürger vorschreiben könne, was er mit dieser Stunde zu tun habe. Und in kirchlichen Kreisen wurde bedeutet, „dass man ohnehin bete“, und dass der Eingriff auf jeden Fall „nur als Angebot“ verstanden werden könne, als ein „Baustein der persönlichen Gewissensentscheidung“. Denn es sei ja jedem selbst in seinem Gewissen freigestellt, mit der Stunde zu tun, was er für richtig halte.

Fast jeder fand also einen Grund, warum er die Tagesstunde nicht allein dem Gebet widmen könne. Und so schließt die Geschichte mit der Erkenntnis, dass mehr Zeit allein keine Beter hervorbringt: „Das Gebet ist allein eine Frage der Liebe … und so wurde Gott gebeten, die 25. Stunde wieder abzuschaffen und die Erinnerung aus den Köpfen der Menschen zu löschen“. Täglich eine Stunde mehr Zeit macht uns nicht zu zufriedeneren Menschen. Sie nimmt uns weder den Stress noch die Hektik in der Adventszeit.

Was wir brauchen ist nicht gefüllte Zeit, sondern erfüllte. Gesegnete Zeit. Zeit für Gott. Zeit des Gebets, des Hörens und Redens. Zeit für uns und unsere Mitmenschen. Darin liegt sie, die Chance der Adventszeit: Eine Zeit, uns von Gott geschenkt. Zeit für ihn und für uns. Oder mit den Worten der Adventsgeschichte: Adventszeit als Zeit mit Gott ist allein eine Frage der Liebe.

Eckhard Schlatter Pfarrer der evangelischen Kirche in Weilheim