Weilheim und Umgebung
Das muss weg, dann ist es Kunst

Projekt Sieben Tage ist Steinmetzin Monika Majer an einem Sandstein aus Maulbronn am Werk. Wer will, kann ihr dabei in Hepsisau über die Schulter schauen. Von Iris Häfner

Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft, das gleiche gilt für Partnerschaften. Geschenke unter Steinmetzen können da schon mal etwas außergewöhnlicher und größer ausfallen. So geschehen beim Ehepaar Monika Majer und Jochen Herzog. Der Steinmetz-und Steinbildhauermeister mit Werkstatt in Ötlingen hat in Tübingen bei der Firma Natursteine Rongen einen Maulbronner Sandstein entdeckt und den tonnenschweren Stein kurzerhand seiner Frau quasi vor die Haustür in Hepsisau gestellt. Die war „very amused“ über das prachtvolle Stück. Es stammt von einem Abbruchhaus unbekannten Orts. „Man sieht noch die Meiselhiebe von einem, der schon vor langer Zeit den Stein bearbeitet hat“, sagt Monika Majer voller Respekt.

Der Quader ruhte einige Wochen und es entstand bei ihr die Idee, ihn von Hand in ein Kunstwerk zu verwandeln. Doch nicht nur das: Sie macht ein ganzes Kunstprojekt daraus. Seit Montag steht der Stein auf Paletten und von einem roten Sonnenschirm behütet am Rand des Grundstücks in der Alten Steige 13. Es ist das Haus des verstorbenen Professor Martin Domke, Künstler, Maler, Grafiker, Bildhauer und Glasmaler. Auf ihrer Homepage ist über das Projekt zu lesen: „Hast du dich schon mal gefragt, wie aus einem rohen Steinblock eine spielerisch leichte Form wird? Wie überhaupt eine Idee entsteht? Welche Werkzeuge verwendet werden? Worauf es ankommt?  – Tauch mit ein in den Entstehungsprozess. Komm vorbei und schau mit über die Schulter. Lausche dem Klang von Hammer und Meißel, folge dem Rhythmus.“

Monika Majer kann man bei ihrer Arbeit in Hepsisau über die Schulter schauen. Foto: Carsten Riedl

„Ich arbeite am wunderbaren Albtrauf mit Blick auf den Mörikefels“, schwärmt sie und erweckt ihre Lehrzeit zu neuem Leben. In einem Steinbruch bei Bietigheim lernte sie ihren Beruf von der Pike auf. „Nach alter Weise, wie ich es vor 30 Jahren in meiner Ausbildung zur Steinmetzin gelernt habe, arbeite ich hier von Hand ohne Einsatz von Druckluft oder Maschinen – und ausschließlich im Freien“, erzählt sie. Im Winter musste der Meißel in der Hosentasche vorgewärmt werden. 

In ihrem aktuellen Projekt geht sie quasi fremd. „Eigentlich arbeite ich mit Kalkstein, weil er hier zu Hause ist. Ich habe das Gefühl, im Entstehungsprozess des Kunstwerks mit ihm verbunden zu sein. Aber in meiner Lehre habe ich mit dem Sandstein gearbeitet. Er ist mir sehr vertraut, es ist wie ein Jugenderlebnis. Aber der Sandstein-Staub ist ekelhaft, er ist sehr trocken und fein und darf einfach nicht in die Wohnung“, verrät die Steinmetzin.

 

Das ist ein altes Handwerk. Es ist ein Welterbe, bei dem man mir zuschauen kann.
Steinmetzin Monika Majer

 

Somit schlägt sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Feinstaub bleibt draußen und alle, die Lust haben, können ihr bei der Arbeit zuschauen, die sie gerne für ein Gespräch unterbricht. „Wenn der Stein in dieser Woche nicht fertig wird – dann halt später“, ist sie entspannt. Jeder Schlag mit dem Fäustel auf den Meisel sitzt. Den Blick hat Monika Majer auf die Stelle am Stein gerichtet, die bearbeitet wird – den Meisel trifft sie blind. Das Material Stein findet sie wegen seiner Geschichte interessant. „Stein ist etwas Tolles und Besonderes. Der hier war mal Sand und nicht immer hart“, sagt sie und erzählt von dem Vater und seiner etwa siebenjährigen Tochter, die zufällig bei ihr vorbeigekommen sind. „Um dem Mädchen die Dimensionen verständlich zu machen, habe ich ihr erzählt, dass mal die Dinosaurier durch diesen Sand gestapft sind. Das stimmt zwar nicht, denn der Stein ist viel älter. Aber so wollte ich ihr das Alter des Steins deutlich machen. Von Menschen war da noch lange nicht die Rede.“

Die Miniaturskulpturen "Balance Nuance" sind als "Begleiterscheinungen" aus abgeschlagenen Steinschrobben der großen Skulptur entstanden. Foto: Carsten Riedl

Sie habe nie im Kopf, was am Ende ihrer Arbeit rauskommt. Allerdings habe sie schon einen Stil im Laufe der Jahre entwickelt: „Meine Skulpturen haben nie eine Standfläche, sie sind beweglich und haben viele Seiten. Sie sollen in Bewegung bleiben. Das ist wie eine innere Haltung: im Fluss bleiben. Da kommt einem beim Arbeiten schon eine Dynamik entgegen.“ Wenn ihre Vorstellung zu fest werde, trete sie raus und fange dann wieder neu an. „Loslassen und wieder in den Fluss kommen“, beschreibt sie den Vorgang.

Die Hände sind nicht nur beim „weghauen“ wichtig, schließlich muss am Ende ja noch was vom Stein übrigbleiben. Wird die Hand beim Drüberstreichen über die abgetragene Fläche gebremst und fließt nicht richtig – muss das weg. „Ich fasse den Stein an und spüre: da muss noch was entfernt werden. Um diese Stimmigkeit zu bekommen, muss was resonieren. Es geht um das Ausbalancieren und die Perfektion“, beschreibt sie den Vorgang.

Dabei gibt es „Abfall“ in Form von größeren und kleinen Steinen. Viele davon sind ihr zum Schotter-Wegwerfen zu schade. Deshalb gibt es parallel die kleine Serie „Balance Nuance“. Es sind kleine Miniaturskulpturen und wahre Handschmeichler, denn sie sind schon fein geschliffen. Sie machen auch Laune als Kreisel zum Spielen: Jede dreht sich anders.

Info Noch bis Samstag ist Monika Majer täglich von 16 bis 19 Uhr an ihrem Stein am Werk, am Sonntag, 28. August, von 14 bis 17 Uhr. Die Miniaturskulpturen „Balance Nuance“ kann man kaufen. Weitere Infos gibt es auf der Homepage unter www.monikamajer.de/sieben-tage/.