Weilheim und Umgebung

Das „Wir-Gefühl“ soll wachsen

Zuwanderung Die Stadt Weilheim will die Integration von Geflüchteten weiter vorantreiben. Unterstützung bekommt sie dabei von der Führungsakademie Baden-Württemberg. Von Bianca Lütz-Holoch

Die Kleiderkammer ist - neben der Fahrradwerkstatt - das Vorzeigeprojekt Weilheims in Sachen Integration und ehrenamtlichem Enga
Die Kleiderkammer ist - neben der Fahrradwerkstatt - das Vorzeigeprojekt Weilheims in Sachen Integration und ehrenamtlichem Engagement. Davon möchte die Stadt mehr haben. Foto: Carsten Riedl

Fünf Jahre ist es her, dass eine Welle von Flüchtlingen ins Land schwappte. Der große Zuwanderungsstrom ist verebbt. Was bleibt, ist die Aufgabe, all die Menschen, die neu dazugekommen sind, zu integrieren. Und so sehr sich Haupt- und Ehrenamtliche in Weilheim einsetzen - der Durchbruch ist noch nicht in allen Bereichen gelungen. Jetzt startet die Stadt einen weiteren Anlauf: In einem einjährigen Prozess will sie ein neues Format etablieren, bei dem Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beteiligt werden, sich austauschen und ins Stadtleben einbringen können - und bei dem das „Wir-Gefühl“ wächst. Zwei Moderatorinnen der Führungsakademie Baden-Württemberg begleiten das Programm. Finanziert wird es vom Land.

„Es gilt, die Menschen nicht nur unterzubringen, sondern auch zu integrieren“, betont Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. Zwei Erfolgsprojekte hat Weilheim vorzuweisen: die Kleiderkammer und die Fahrradwerkstatt. Sie haben sich zu echten Treffpunkten für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund entwickelt. Aber das allein genügt noch nicht.

Schon vor drei Jahren hatte die Stadt deshalb selbst den Versuch unternommen, ein Inte­grationskonzept zu etablieren. Damals war klar geworden, dass sich viele Ehrenamtliche, die anfangs hoch aktiv in Weilheim gewesen waren, wohl übernommen und zurückgezogen hatten. Die Stadt versuchte, sie wieder ins Boot zu holen, weitere Interessierte zu finden und eine dauerhafte Struktur für die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt aufzubauen. „Das ist uns nicht gelungen“, zieht der Weilheimer Flüchtlingskoordinator Thomas Güthle kritisch Bilanz.

Bei dem Prozess, der jetzt neu angestoßen wird, sind zwei wesentliche Punkte anders: Zum einen gibt es externe Begleitung von den beiden Moderatorinnen. Die Führungsakademie betreut übrigens nicht nur Weilheim, sondern auch andere Kommunen. „Da sind Synergieeffekte zu erwarten“, sagt Weilheims Ordnungsamtsleiter Helmut Burkhardt. Zum anderen möchte man sich thematisch breiter aufstellen: „Wir richten uns nicht nur an Flüchtlinge, sondern wollen auch europäische Zuwanderer und Menschen aktivieren, die schon länger hier sind“, betont Bürgermeister Johannes Züfle. Sie haben oft schon hinter sich, was andere noch vor sich haben und können - so die Hoffnung - wertvolle Tipps geben. Kurz: „Wir wollen Menschen zusammenbringen“, so Züfle.

Wie der Prozess konkret aussehen soll, kann noch niemand sagen. „Das wollen wir gemeinsam erarbeiten“, sagt der Bürgermeister. Nur so bestehe die Chance, die Betroffenen auch wirklich zu erreichen. „Wir wollen eine Austauschplattform schaffen, die Menschen einbeziehen und gespiegelt kriegen: Was brauchen sie wirklich?“, konkretisiert Thomas Güthle. „Das sollen uns die Leute sagen, die betroffen sind.“ Neben der Verwaltung und dem AK Asyl sollen Flüchtlinge selbst, Migrantenvereine, Schulen, Kindergärten, Sportvereine, der Jugendtreff und auch der Gemeinderat eingebunden werden. „Inte­gration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Güthle. Wichtig sei es, dass alle offen sind für kreative Arbeitsformen.

Ein Auftaktgespräch mit den zwei Moderatorinnen hat bereits stattgefunden, Ende Juli folgt das erste Treffen der Projektsteuerungsruppe. Geplant ist, den Prozess bis Juli 2021 abzuschließen.

19 Prozent der Weilheimer sind zugewandert

Rund 200 Asylbewerber leben aktuell in Weilheim. Davon stammen rund 40 Prozent aus Syrien, 20 Prozent aus Afghanistan, zehn Prozent aus Gambia, zehn Prozent aus Pakistan und zehn Prozent aus dem Irak. Die restlichen zehn Prozent setzen sich aus Vertreter zahlreicher anderer Länder zusammen.

1946 Einwohner Weilheims haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. Das entspricht 19 Prozent der Bevölkerung. Insgesamt leben in der Stadt 10 300 Menschen.

100 Flüchtlinge waren im August 2015 in die Unterkunft am Weilheimer Stadion eingezogen. Damals formierte sich auch der AK Asyl neu und nahm sich ihrer an.

2016 hat die Stadt Thomas Güthle als Flüchtlingskoordinator eingestellt, 2017 kam Ingrid Haack als Inte- grationsmanagerin dazu. Etwa zwei Dutzend Ehrenamtliche engagieren sich im AK Asyl.bil