Weilheim und Umgebung
Das Zwirbeln am Bart hat sich ausgezahlt

Erfolg Der Aichelberger Wilfried Jezierny war in England in der Königsdisziplin „Vollbart Freestyle“ nicht zu schlagen.

Aichelberg. Mal ehrlich: Welcher Mann erinnert sich nicht gerne daran zurück, als bei ihm der erste Bartflaum spross? Endlich erwachsen! So lautet auch ein Zitat von Salvador Dali: „Ohne Schnurrbart ist ein Mann nicht richtig angezogen.“ Und heute? Seit Ende der 70er-Jahre verpönt, lassen Hollywoodstars wie Brad Pitt oder Johnny Depp wieder den Moustache sprießen. Doch nur ein Schnäuzer ist Wilfried Jezierny vermutlich zu wenig – der 74-Jährige geht haartechnisch lieber in die Vollen.

Seit 2007 ist der Hobbyschäfer aus Aichelberg Mitglied bei „Belle Moustache“ (schöner Schnurrbart). Der gemeinnützige Bart- und Kulturklub aus Leinfelden-Echterdingen, bei dem sich etwa 100 Männer mit gut erkennbarem Markenzeichen wohlfühlen, organisiert ganz unterschiedliche Aktionen wie einen Fernsehauftritt im ZDF-Fernsehgarten oder er vermittelt Weihnachtsmänner für ein Stuttgarter Shopping-Center. Doch viele Mitglieder nehmen auch an nationalen wie internationalen Wettbewerben teil. Zuletzt holte Wilfried Jezierny, der bis zum Ruhestand im öffentlichen Dienst beschäftigt war, bei der „Britischen Bartmeisterschaft“ im mittelenglischen Rugby erstmals den ers­ten Platz. Sein Premiere-Titel lautet: „Englischer Meister der Klasse Vollbart Freistil“. Insgesamt nahmen 184 Barträger aus neun Nationen an diesem Wettbewerb teil.

„Der ist stolz wie Harry“, verrät Belle-Moustache-Vereinskollege Erwin Butsch aus Winnenden, dessen Idee es war, gemeinsam mit Wilfried Jezierny nach England zu fliegen. „Und er hat sofort zugesagt“, berichtet der Träger des „Kinnbarts Musketier“, der mit dieser Kreation in der Kategorie „Kinnbart“ ebenfalls den ersten Platz einheimste. Föhnen, wachsen, zwirbeln: Die stundenlange Mühe, bis jedes Haar da sitzt, wo es hingehören soll, hat sich für beide gelohnt. Steht bei der Meisterschaft natürlich der Bart im Fokus, ist es dennoch von Vorteil, wenn man auch kleidungstechnisch (s)ein Statement setzt.

In Deutschland haben sich neun Bartclubs zum Verband Deutscher Bartclubs (VDB) zusammengeschlossen. Dieser regelt die Richtlinien von Bartwettbewerben und koordiniert die Termine von nationalen und internationalen Meisterschaften. „Die Regularien sind immer so formuliert, dass es internationale Meisterschaften sind. Das heißt: Auch ein Nicht­engländer darf bei einer englischen Meisterschaft mitmachen, was natürlich auch für einen Nichtdeutschen bei einer deutschen Meisterschaft gilt“, erklärt Erwin Butsch. Man muss sich auch nicht qualifizieren, „so, wie im klassischen Sinne des Sports, wo man gewisse Stufen zu durchlaufen hat“, stellen die Bärtigen klar und machen deutlich: „Jeder, der sein Startgeld zahlt, kann sozusagen von der Straße weg mit ein paar ‚Haaren im Gesicht‘ teilnehmen.“

Angesteckt von dieser ungewöhnlichen Leidenschaft wurde Wilfried Jezierny vor etwa 15 Jahren von seinem Bruder Siegfried – der zwei Jahre jüngere Schlierbacher ist allerdings nicht mehr aktiv dabei. Mehrmals hat der Mann in der schmucken Schäferjacke seinen Bart bei diversen Meisterschaften von einer fachkundigen Jury nach Form und Schönheit bewerten lassen. Die EM in Leinfelden-Echterdingen war seine Premiere, am Ende sprang in der Disziplin „Vollbart naturale“ Platz sieben heraus. Sabine Ackermann