Weilheim. Sichtlich wohl fühlte sich SWR-Moderator Martin Seidler, bekannt durch die Fernsehsendung Kaffee oder Tee, in Weilheim. Schon im Vorfeld der Lesung schlenderte er durch das Genießerdorf mit seinen Leckereien und trat bestens gelaunt auf die Bühne, um mit Petra Durst-Benning über ihren neuesten Roman „Kräuter der Provinz“ zu plaudern. „Es ist der erste zeitgenössische Roman der First Lady des historischen Romans“, stimmte er die Gäste in der voll besetzten Limburghalle auf die nächsten Stunden ein und wollte sogleich wissen, ob solch ein kompletter Genre-Wechsel nicht ein großes Risiko berge. „Ich habe meinen Lesern und Fans vertraut – und sie sind mir gefolgt“, freute sich Petra Durst-Benning. Seit drei Wochen ist der bei Blanvalet erschienene Roman um starke Frauen 40+ in den Buchhandlungen ausgelegt und steigt seitdem stetig in der Bestseller-Liste nach oben.
Dass die Autorin sichtlich Spaß am Geschichtenerzählen in der Gegenwart hat, ist auf jeder Seite spürbar. Zum einen will sie ihre Leser gut unterhalten, zum anderen aber auch informieren und auf Schieflagen aufmerksam machen. „Wer will, soll weiterhin auf dem Land leben dürfen und können“, sagte sie. In ihrem Roman zeigt sie den strukturellen Wandel auf, dem ländliche Gebiete zurzeit ausgesetzt sind. Kaum junge Menschen wollen bleiben, wodurch es immer schwieriger wird, Infrastruktur aufrechtzuerhalten: immer weniger Busse fahren, Läden und Gaststätten schließen ihre Pforten, ebenso Schulen und Kindergärten. „In meiner Geschichte kämpfen die Leute um ihr Dorf“, erzählt Petra Durst-Benning.
Wie realistisch ihre Geschichte denn eigentlich sei, wollte Martin Seidler wissen. Der Blick auf die Marktstände samt angebotener Leckereien aus der Region sprach da schon einmal für sich. „Wer ein Lädele mit Marmelade aufmachen will, muss nicht gleich sagen: geht nicht“, machte die Autorin Mut. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Bonde konnte beispielsweise für die Jahre 2014 bis 2020 EU-Fördergelder in Höhe von 1,9 Milliarden Euro für den ländlichen Raum sichern. „Es gibt 16 Förderprogramme, eines davon heißt ‚Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Raum (IMF)‘, doch es wird kaum nachgefragt“, erfuhr sie bei ihren Recherchen zum Buch, die sie auch ins württembergische Allgäu führten. Bei dieser Reise mit ihrer Mutter blieb sie nicht unerkannt – und das ausgerechnet in der hoteleigenen Sauna nach anstrengender Recherche. „Gell, Sie sind die Frau Durst-Benning. Wir sind nämlich aus Stuttgart und kennen Sie“, habe es plötzlich neben ihr ertönt, verrät sie lachend. Auch ihre Lieblingsfigur im Roman, nach der Martin Seidler gefragt hatte, gab sie preis: „Ich habe schon immer eine große Leidenschaft für meine Nebenfiguren, die gestalte ich mit Ecken und Kanten. Unter anderem, weil er immer übersehen wird, mag ich den Metzger Edi so sehr.“
Auch bei ihrer Lesung plauderte sie immer wieder aus dem Nähkästchen und ließ ihre Zuhörer am Entstehungsprozess einer solchen teilhaben. Im Raum stand etwa eine Reise nach Maierhofen oder die Vorstellung der Protagonisten. „Dann aber habe ich beschlossen, mich auf eine Frau zu fokussieren, die nicht mal aus Maierhofen kommt – quasi nach dem Motto: Eine Kette ist immer nur so stark wie das schwächste Glied.“ Und so beginnt sie die Lesung singend mit Happy birthday. Greta Roth, hochdekorierte Werbefrau in Frankfurt, bekommt beim Morgen-Caramel-Macchiato von ihrer Freundin ein Geburtsständchen zum 44. in der Café-Bar gesungen. Dieser Tag wird zum Wendepunkt ihres Lebens, bei dem das Diätprodukt Stardust eine nicht unwichtige Rolle spielt. Dabei handelt es sich um ein (angeblich) geruchsneutrales Pulver, das über sämtliche Speisen gestreut wird, dann eine schleimige Konsistenz auf der Speise annimmt und dem hungrigen Esser nach wenigen Bissen den Appetit verdirbt – und für das Gretas Agentur die Werbekampagne samt Riesen-Etat an Land gezogen hat. „Wer nun denkt, was hat sich die Durst-Benning da wieder ausgedacht, der irrt. In einem Shopping-Kanal wurde 2013 genau solch ein Produkt angepriesen – und das war der Moment, als ich beschlossen habe, einen Gegenwartsroman zu schreiben“, erzählt Petra Durst-Benning, bekennende Genießerin.