Weilheim und Umgebung
Der erste Fahrrad-Gottesdienst begeistert mit Klingeln statt Glocken

Kirche Knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zum ersten Fahrrad-Gottesdienst der Evangelisch-methodistischen Kirche. Es soll nicht der letzte gewesen sein. Von Peter Dietrich

In der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) gibt es meistens keinen hohen Kirchturm und kein großes Geläut. Doch beim Gottesdienst auf der grünen Wiese bei Schlierbach standen ausnahmsweise ganz viele Glocken zur Verfügung – es waren lauter Fahrradglocken. So begannen die knapp 50 Methodisten ihren Gottesdienst im Grünen mit einem ausgiebigen Klingeln. „Wiederholen wir das beim Vaterunser?“, fragte einer der Teilnehmer zum Spaß und alle lachten. Das unterblieb natürlich, der Zweck des üblichen Läutens beim Vaterunser, dass sich Gläubige von draußen den Betenden drinnen anschließen können, wäre auch kaum erfüllt gewesen – dazu lag die Streuobstwiese mit schönster Aussicht viel zu weit ab vom Schuss.

 

Gott sitzt hinten, gibt Ratschläge für das Leben und warnt vor Gefahren.
Peter Kaltschnee
Der Theologe vertieft das Bild von Gott und den Menschen als Tandem-Fahrer.
 

Am Anfang der Idee eines „Fahrrad-Gottesdienstes“ stand keine Gremiensitzung, sondern gute Nachbarschaft. So erreichte Martin Schmid, Tourenguide beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), die Anfrage des methodistischen Ehepaars von nebenan, ob man nicht mal etwas gemeinsam machen könne. Gerne übernahmen es Martin Schmid und Bernd Cremer, eine Gruppe Radler von der Kirchheimer Zionskirche auf die Schlierbacher Wiese zu führen. Die Methodisten aus Weilheim und Schlierbach fanden selbst dorthin, die meisten von ihnen ebenfalls per Rad. Die Fahrräder waren kunterbunt gemischt, vom normalen Bio-Bike übers E-Bike bis zum Tandem und Liegerad.

Wer bisher in Richtung Schlierbach den Radweg entlang der Straße benutzt, sollte wechseln, denn die Route über die Alte Schlierbacher Straße, am Sonnensee vorbei und durch den Wald ist um Klassen schöner und ruhiger und die paar extra Höhenmeter locker wert. Zurück ging es später über eine andere Route, die zwischen Schlierbach und Ohmden mit einer wunderbaren Aussicht auf den Albrand belohnt wurde. Es folgte ein Zwischenstopp zum Schauen beim Kirchheimer Pumptrack. Der kleine Junge, der dort die asphaltierten Hügel furchtlos mit dem Laufrad überwand, immer und immer wieder, stahl allen anderen die Schow.

Der erste Fahrrad-Gottesdienst der Evangelisch-methodistischen Kirche war ein voller Erfolg. Die Predigt drehte sich rund ums Rad. Foto: Peter Dietrich

Im Gottesdienst war das Fahrrad Hauptthema. Martin Schmid präsentierte die „Vision Zero“ des ADFC, bei der kein einziger Radfahrer mehr auf deutschen Straßen getötet wird. Dazu brauche es niedrigere Geschwindigkeiten, am besten Tempo 30 innerorts und Tempo 70 auf Landstraßen, und eine bessere Infrastruktur für Radfahrerinnen und Radfahrer. „Im Moment haben wir ein Flickwerk.“ Zunächst sei der ADFC auf die oft rot markierten Schutzstreifen auf Straßen hereingefallen, sagte Bernd Cremer. Doch im täglichen Umgang habe sich gezeigt, dass diese „roten Todesstreifen“ nichts taugen. Es brauche eine räumliche Trennung.

Die vielen Fragen des Pfarrervertreters, Theologen und Sozialarbeiters Peter Kaltschnee an den ADFC konterte Martin Schmid mit einer Gegenfrage: „Was bedeutet der Begriff Methodist?“ Eine Gruppe englischer Studenten, so die Antwort, habe ihren christlichen Glauben und den Einsatz für Menschen am Rande der Gesellschaft sehr ernst genommen und sei deshalb sehr methodisch vorgegangen, unter anderem mit Tagebüchern, in denen sie ihr Tun säuberlich dokumentierten. Das habe ihnen unter Kommilitonen die Bezeichnung „Methodisten“ eingebracht, die sie gerne als Ehrentitel übernahmen. Da Peter Kaltschnee nur Teilzeit-Pfarrvertreter ist, blickte er nach seiner Erklärung fragend zu den Pfarrern hinüber. Von dort kam ein zustimmendes „Passt!“.

Auch die Frage, was für ein Fahrrad Gott wohl fahren würde, wurde im Gottesdienst erörtert. Am besten gefiel Peter Kaltschnee das Bild eines Tandems: „Gott ist mit den Menschen unterwegs.“ Er sitze hinten und gebe Ratschläge für das gelingende Leben, warne vor Gefahren, aber zwinge den Menschen nicht. Doch sei es nicht in manchen Lebenssituationen gut, wenn beide die Plätze tauschen?

Tour mit Wiederholungsbedarf

Es war eine Veranstaltung, bei der sich die Methodisten und der ADFC näher kamen. Dieser Erstkontakt – waren sich alle einig – verlange nach einer Wiederholung.