Weilheim und Umgebung

Der Klimawandel und die Unterhosen

Wetter Nach zwei Minuten und 19 Sekunden wollte Diplom-Meteorologe Sven Plöger eigentlich gehen. Er ist dann doch geblieben und hat in der Weilheimer Limburghalle über den Klimawandel gesprochen. Von Melissa Seitz

Als Sven Plöger über das Wetter spricht, ist es mucksmäuschenstill in der Limburghalle. Die Weilheimer kleben förmlich an seinen
Als Sven Plöger über das Wetter spricht, ist es mucksmäuschenstill in der Limburghalle. Die Weilheimer kleben förmlich an seinen Lippen.Fotos: Markus Brändli

Hinter der Limburghalle geht gerade die Sonne unter, der Himmel färbt sich lila, die Wolken leuchten in einem sanften Violett. „Haben Sie diesen Sonnenuntergang gesehen? Einfach wunderschön“, sagt Diplom-Meteorologe Sven Plöger in seinem Vortrag. „Altocumulus translucidus perlucidus heißen diese Wolken“, fachsimpelt der ARD-Wetterexperte. Bitte was? Das Publikum schaut verdutzt. „Na ja, wenn sie nächstes Mal mit jemandem über dieses Naturphänomen sprechen, können sie mit dem Fachbegriff ankommen.“

Auf Einladung der VR-Bank Hohenneuffen-Teck spricht Sven Plöger in der Weilheimer Limburghalle über die Zukunft der „Wetterküche“. Aber Moment mal - der Meteorologe schaut kurz auf die Uhr. „Es ist Zeit, zu gehen. Zwei Minuten und 19 Sekunden sind rum. Also tschüss, bis bald“, sagt er. Natürlich war das nur ein Witz. „Normalerweise wäre meine Sendezeit nach zwei Minuten und 19 Sekunden vorbei, aber für heute Abend habe ich mehr Zeit mitgebracht“, sagt der Wetterexperte. Zeit braucht er auch, schließlich geht es an diesem Abend um das Thema Klimawandel. Und das ist laut Sven Plöger kein rein akademisches Thema, sondern ein gesellschaftspolitisches.

Nationen haben Ziel verfehlt

Dass es wärmer wird, merkt man vor allem an den verschiedenen Unterhosen-Formen über die Jahre. „Im 18. Jahrhundert gab es noch lange Unterhosen, inzwischen sind sie kaum noch sichtbar“, sagt er und zeigt auf eine kleines Exemplar aus 2008. „Ich sage immer, das ist ressourcenschonend“, sagt er und grinst.

Aber Spaß beiseite: Beim Weltklimagipfel in Rio de Janeiro haben sich die Nationen über den Klimawandel ausgetauscht. Es solle sich etwas ändern, hieß es. 25 Jahre später hat sich der Kohlenstoffdioxidausstoß auf der Welt um 60 Prozent erhöht. Ziel eindeutig verfehlt. „Wir müssen an einem Strang ziehen“, sagt Sven Plöger. Auch wenn manche das gar nicht wollen. „Schauen Sie sich den amerikanischen Wirtschaftsmanager Lee Raymond an. Er ist mit seinem Leben zufrieden“, erzählt der Wetterexperte. Mit einem Jahresgehalt von 357 Millionen US-Dollar wolle er nichts ändern. Und wenn es dann auch noch so jemanden gibt wie Trump, für den der Klimawandel sowieso nicht existiert, ist eine Einigung zwischen 206 Länder eher schwierig.

Extreme Klimaveränderungen gab es schon immer: 1445 zum Beispiel sorgte ein heftiges Gewitter mit Hagel für schlechte Erträge in der Landwirtschaft. Oder im Winter 1978/79, als die A 7 in Schleswig-Holstein total zugeschneit war. Oder ganz aktuell: Hurrikan Irma, der mit 360 Kilometern pro Stunde über die Antillen-Insel Barbuda fegte. Hurrikan-Entwarnung gibt der ARD-Wetterfrosch für Deutschland: Hier besteht keine Gefahr, „wenn, dann haben wir nur starke Stürme“.

Sind das alles Anzeichen für den Klimawandel? Man müsse den Temperaturenanstieg auf lange Sicht beobachten, um einen Trend festzustellen. „Wir haben auch mal gedacht, dass uns die nächste Eiszeit bevorsteht, weil die globale Temperatur in acht Jahren gesunken ist“, stellt Sven Plöger fest. Der Temperaturanstieg in den letzten hundert Jahren beträgt 0,8 Grad. Klimawandel? Hier? Nein, das kann nicht sein. „Doch, sehr wohl“, sagt der Experte. Die globalen Temperaturen steigen immer schneller. „In den nächsten hundert Jahren rechnen wir mit einem Anstieg von zwei bis vier Grad“, erklärt der Wetterfrosch.

Mit der Gasmaske durch die Stadt

Sein Appell: den Kohlenstoffdioxidausstoß verringern. „Zum Glück ist Kohlenstoffdioxid nicht sichtbar“, sagt Sven Plöger. Wenn es das aber wäre, ist sich der Diplom-Meteorologe sicher: „Dann würde jeder mit einer Gasmaske rumrennen. Das ist doch nicht schön. Obwohl . . .“ Er denkt nach. „Manchen würde es vielleicht nicht schaden“, witzelt er.

Laut dem Meteorlogen muss Schluss sein mit fossiler Energie, viel mehr müsse man auf regenerative Kombikraftwerke setzen, wie zum Beispiel Windkraftwerke. „Und das Argument ‚nicht in meinem Vorgarten‘ zählt hier nicht. Schließlich haben wir uns auch an Strommasten gewöhnt“, stellt er fest.

Zur Person Sven Plöger ist Diplom-Meteorologe und Moderator. Seit 1999 moderiert er in der ARD „Das Wetter im Ersten“. Außerdem ist er als Buchautor tätig.

Drei Fragen an Diplom-Meteorologe Sven Plöger

VR Bank, Mitgliederexclusiv-Veranstaltung mit Sven Plöger in Weilheim in der Limburghalle, Wetterfrosch,Diplom  Meterologe
Foto: Markus Brändli

1. Wie genau sind Wettervorhersagen wirklich?

Sehr genau. Ich mache den Wetterbericht für den Folgetag. Der ist zu 90 Prozent richtig. Das heißt aber auch, dass er zu zehn Prozent falsch ist. Und was merken sich die Menschen eher? Natürlich das, was falsch läuft. Wenn ich sage, es wird sonnig und dann regnet es, merken sich die Leute das. Manche hören auch gar nicht richtig zu. Wenn ich sage: „Es gibt heute ein schweres Gewitter in den Ellwanger Bergen“, dann wundern sich am nächsten Tag viele, warum es bei ihnen nicht gewittert. Und das nur, weil sie „Ellwanger Berge“ überhört haben. Manchmal kann es auch sein, dass ich etwas unverständlich formuliere. Man ist ja selbst nur ein Mensch.

2. Glauben Sie daran, dass das Wetter einen Einfluss auf die Gesundheit hat?

Ich denke, das ist sehr individuell. Manche klagen zum Beispiel über Narbenschmerzen, wenn es ein Tiefdruckgebiet gibt. Dabei gibt es bei einer Wanderung auf einen Berg viel mehr Druckschwankungen als hier am Boden. Deswegen glaube ich, dass solche Gesundheitsprobleme eher etwas mit der Elektrizität zu tun haben, also mit Gewittern und Blitzen - aber nicht mit dem Luftdruck.

3. Wie kommen Klimadaten zustande?

Von über 14 000 Wetterstationen auf der ganzen Welt bekomme ich immer stündlich - manchmal auch im Zehnminutentakt - meine Daten. Dann überlege ich mir eine kleine Geschichte dazu, und zusammen mit meinem Team erstelle ich den Wetterbericht. Wir gestalten eine Grafik mit Wolken und Sonne - die, die Sie später im Fernsehen sehen. Das, was ich in der Sendung sage, ist aus dem Moment geboren. Ich bekomme keinen Text vorgelegt. sei