Weilheim. „Ich gehe voraus“, sagt Gunther, der Nachtwächter, und schreitet voran in die dunkle Gasse – in einer Hand die schwere Hellebarde, in der anderen eine Laterne. „Ihr könnt kommen, der Weg ist sicher“, ruft er. Gunther, der Nachtwächter, heißt eigentlich Gunther Wagner und führt künftig Gruppen durchs abendliche Weilheim.
Der Rundgang mit dem Nachtwächter ist eine von drei neuen Stadtführungen in Weilheim. Der Ausbau der thematischen Führungen gehört zu den großen Projekten der Weilheimer Innenstadtoffensive und soll dazu beitragen, mehr Leben ins Städtle zu bringen. Einen kleinen Vorgeschmack auf die nächtliche Tour gab es für die Mitglieder des Weilheimer Gemeinderats. Für sie rundeten die Häppchen aus dem Nachtwächter-Repertoire den Zwischenbericht ab, den Sandra Schöne von der Stabstelle Innenstadtoffensive präsentierte (siehe Artikel unten).
„Weilheim hat zwar schon sehr gute stadt- und baugeschichtliche Führungen“, betonte Sandra Schöne. 45 Gruppen pro Jahr führen Wilhelm Braun und Hans Klöhn durch die historische Altstadt und zum Teil auch durch die Peterskirche. Ein größeres, bunteres Angebot mit speziellen Themenführungen soll nun aber auch andere Zielgruppen ansprechen und noch mehr Menschen nach Weilheim holen. „Die Kinderführung läuft bereits und wird gut nachgefragt“, berichtete Sandra Schöne. Passend zum großen Zähringermarkt in Weilheim geht am 1. Oktober außerdem eine Zähringer-Führung an den Start. Und ganz aktuell hatte die Nachtwächter-Führung ihre Premiere.
Dabei erfuhren die Gemeinderäte etwa, dass es in Weilheim – im Gegensatz zu anderen Städten – tatsächlich Nachtwächter gab. Von 1571 bis 1931 mussten sie zwischen 20 Uhr und 5 Uhr durch die Gassen ziehen, die Stunden ausrufen und eingreifen, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zuging. „Sinnloses Herumlaufen oder einsame Damen, das ging nicht“, verdeutliche Gunther Wagner, der sich schon seit über zehn Jahren in der Mittelalterszene betätigt und beispielsweise beim mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Esslingen und beim Mittelaltermarkt im Stauferpark in Göppingen mitgewirkt hat.
Um die Nachtwächter-Führungen vorzubereiten, ist Sandra Schöne übrigens zusammen mit Gabriele Mühlnickel-Heybach vom Esslinger Kreisarchiv tief in Weilheims Geschichte eingetaucht. „Wir haben originale Berichtshefte gefunden und Einträge aus dem Statutenbuch herausgesucht“, so Schöne.
Geschichten, die Gunther der Nachtwächter zum Besten gibt, haben sich also auch tatsächlich so in Weilheim zugetragen und stammen aus alten Berichtsbüchern. Zum Beispiel diese: „In der Nacht von 7. Mai auf 8. Mai 1893 wurden der ledige Schreiner Kaspar Rommler und ein mir unbekannter Mensch auf der Straße vor dem hause des Michael Plessings angetroffen. Beide sangen und lärmten.“ Sie seien durch die Kirchheimer Straße gegangen und hätten noch mehr Lärm verursacht. „An der Melkerbrücke wurde beide von mir eingeholt. Als ich sie festnehmen wollte, nahmen beide Reißaus und sprangen davon.“
Die Stadt Weilheim hat einen neuen Flyer „Stadtführungen“ herausgegeben. Darin sind alle vier Rundgänge durch die Altstadt beschrieben. Informationen gibt es beim Bürgerbüro in Weilheim unter der Telefonnummer 0 70 23/10 60. Dort werden Interessierte zur Terminabsprache direkt an die Stadtführer vermittelt.